Ins politische Handgemenge

Der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, erklärt die Debatte um Sahra

Wagenknecht und die Corona-Depression für beendet. Weg mit Privatjets und her mit einer ökologischen und vor allem sozialen Politik lautet seine Devise. Nach den für die Partei harten Corona-Jahren hat sich der Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament mit Nachbarschaftsfesten auch in der politischen Arena Thüringens zurück gemeldet.

Der Parteivorstand hat Sahra Wagenknecht aufgefordert, ihr Bundestagsmandat zurückzugeben. Löst das jetzt die Querelen der letzten Jahre auf?

 

Wir können in der Partei gerne über alle inhaltlichen Unterschiede und alle strategischen Überlegungen diskutieren. Dafür haben wir demokratische Gremien und Prozesse. Was aber nicht geht, ist Ressourcen der Partei zu verwenden, um ein Konkurrenzprodukt aufzubauen. Das kann keine Partei der Welt zulassen.

 

Stimmt es, dass Genoss*innen angerufen werden, um sie für Wagenknecht abzuwerben?

 

Wenn das nur Gerüchte wären, hätten wir den Beschluss nicht einstimmig gefällt. Die Ansage ist deutlich und das Thema liegt jetzt hinter uns. Für mich hat sich das erledigt. Wichtiger ist, nach vorn zu schauen und sich auf die Wahlen vorzubereiten, die im nächsten Jahr vor uns liegen.

 

Also Konzentration auf Inhalte, statt personelle Schlammschlachten: Zum Ärger von Bild und FPD haben sie jüngst ein viel diskutiertes Bewässerungsverbot für Golfplätze ins Spiel gebracht ...

 

Es gibt einen unverhältnismäßigen Wasserverbrauch in der Industrie, aber auch in Freizeitbereichen, die von nur sehr wenigen genutzt werden. In einer Situation, in der Wasser immer mehr zu einem knappen Gut wird, ist das völlig aus der Zeit gefallen. Deswegen spitze ich da auch gerne zu: Die Zirkel, die Golf spielen, verbrauchen dabei so viel Wasser wie andere Menschen im ganzen Jahr. In Zeiten großer Dürren müssen wir darüber reden, wo wir sinnvoll Wasser sparen können. Und mehr noch: Momentan zahlt die Industrie praktisch keine Wasserentgelte, die privaten Haushalte dafür umso mehr. Da liegt viel im Argen und auf dieses gesellschaftliche Problem wollte ich hinweisen.

 

Auch in der Hoffnung, dass die Klimaaktivist*innen DIE LINKE als ihre Partei sehen?

 

Mir ist vor allem wichtig, dass wir als Gesellschaft darüber nachdenken, wie Klimaschutz gelingen kann. Die Debatte um Habecks Heizungsgesetz zeigt, dass es nicht funktioniert, wenn die soziale Absicherung fehlt. Jetzt feiert sich die Ampel für ihren Kompromiss. Aber da steht immer noch was von einer Modernisierungsumlage drin. Das heißt, dass am Ende die Mieterinnen und Mieter den Umbau bezahlen. Noch immer ist nicht geklärt, wer nach welcher sozialen Staffelung Geld zur Entlastung erhält. So kann Klimaschutz nicht funktionieren! Das ist Murkspolitik, die dazu führt, dass die, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, am stärksten zahlen müssen.

 

Deswegen auch die Forderung Verbot von Privatjets.

 

Das wird von vielen Organisationen geteilt. Manche Flughäfen wie Schiphol in Amsterdam, führen das ab 2025 sogar schon freiwillig ein. Der ökologische Fußabdruck eines Superreichen ist eine Million Mal so groß wie der eines armen Menschen. Da liegt das Kernproblem. Aber die Bundesregierung kriegt es nicht mal hin, die Ärmsten beim Heizungsumbau zu unterstützen. Ich sage: Klimaschutz ist ganz eindeutig auch eine Klassenfrage.

 

Stichwort Amsterdam: Neben dem Privatjet-Verbot wurde dort auch Tempo 30 in der Stadt eingeführt. Aber hierzulande können Kommunen das noch immer nicht selber entscheiden.

 

In der Tat. Dabei wird das am sinnvollsten dort entschieden, wo das Verkehrsaufkommen ist: vor Ort, in den Kommunen. Aber Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) versucht mit dem „Freiheitsargument“ sinnvolle Bestrebungen für mehr Lebensqualität und Sicherheit zu hintertreiben. Ich bin auch für Mobilität für alle, aber dazu brauchen wir den öffentlichen Nahverkehr.

 

Doch, statt massiv in den Nahverkehr zu investieren, wird immer noch vor allem die Straße und die Autoindustrie gefördert. Verpennt Deutschland nach der Digitalisierung jetzt auch die Verkehrs-, Heiz-, und Energiewende?

 

Die USA haben gerade ein hunderte Milliarden schweres Investitionsprogramm aufgelegt. Damit kann die europäische Industrie ganz schnell gewaltig ins Hintertreffen geraten. Zumal Präsident Biden das auch noch über höhere Steuern für multinationale Konzerne und das Schließen von Steuerschlupflöchern finanzieren will. Die EU hat zwar mit einem eigenen Programm reagiert, aber das Geld kommt von den Steuerzahler*innen und nicht von Konzernen oder Superreichen. Soziale Kriterien, wie Bidens Ausbildungsplatzgarantie, gibt es gar nicht. In Sachen Industriepolitik fürs Klima verweigert sich Brüssel und Berlin genauso wie beim Thema Steuerpolitik.

 

Aktive Industriepolitik ist in Deutschland ohnehin nicht nur bei den Liberalen verpönt. Aber wie sonst kann Thüringer Firmen, z.B. in der Glasindustrie, bei den abnormen Energiekosten geholfen werden, außer mit der Gießkanne?

 

Die Energiepreise sinken, wenn auch dort der Wandel vorangetrieben wird und wir von den Fossilen unabhängig werden. Ich würde weniger von der Gießkanne, sondern von einer gezielten Förderung sprechen, um mit Wandel und Innovationen Arbeitsplätze hier zu halten. Für eine Linke Industriepolitik gibt es viele gute Ideen, aber die Bundesregierung blockiert sich da immer gegenseitig. Wenn mal was Sinnvolles kommt, geht es einen Schritt nach vorn und zwei zurück. Der Murks beim Heizungsgesetz ist der beste Beleg dafür.

 

Themen gibt es genug. Aber die Stimmung in der Linkspartei war sicher schon mal besser. Was macht Hoffnung, dass im Superwahljahr nicht nur bei der Landtagswahl in Thüringen was zu holen sein wird?

 

Da will ich mal auf die Wahl in Bremen oder die Oberbürgermeister-Wahlen (zuletzt siegte Eva-Maria Röger für DIE LINKE in Rostock, die Red.) verweisen. Wo wir in der Fläche gut aufgestellt sind, funktionierende Strukturen haben und der Gebrauchswert LINKER Politik unter Beweis stellen, können wir gewinnen. Mit Bodo Ramelow bin ich mir sicher, dass wir auch in Thüringen ein Spitzenergebnis erzielen werden. Aus der Corona-Depression sind wir erwacht. Ich sehe überall den Willen zu kämpfen, sich in die Auseinandersetzung zu stürzen: Weil die Ampel nur Murks macht, die Union ständig rechts blinkt und die AfD ein rechtsradikaler Haufen ist. Bei den Nachbarschaftsfesten merkt man, dass die lokale Arbeit der LINKEN sehr wohl eine hohe Anerkennung genießt. Deshalb ist Optimismus angesagt. Jetzt können wir wieder raus, ins politische Handgemenge und dann kehrt auch die Freude an der politischen Arbeit zurück.