Immer klar und deutlich sagen: Nazis sind kein Teil der Demokratie!

Auch wenn engagierte Demokraten die Deutschlandfahrt der NPD zum Desaster gemacht haben, bleiben viele offene Fragen. Fabian Wagner von der Mobile Beratung in Thüringen – für Demokratie gegen Rechtsextremismus (MOBIT) gibt die. Antworten

300 Demonstrierende in Erfurt und 150 in Gera haben die „Deutschlandfahrt“ der NPD zu einem Desaster gemacht. Hat es das vorher schon gegeben, dass so viele Demokraten den Nazis so nah, so deutlich zeigen konnten: ihre Hassparolen sind nicht erwünscht? 


Ich war von der Masse an Leuten an einem Montagvormittag auch sehr überrascht. Dazu kommt, dass auch noch Ferien waren. Mir fällt spontan nichts Vergleichbares ein, wo ähnlich viele Leute auf der Straße waren und sich eine solche Dynamik entwickeln konnte, die dann auch zur Blockade des LKWs der Nazis geführt hat.

 

Als die spontane Blockade begann, hatte man den Eindruck, die Polizei hätte die Straße schon gern geräumt. Sonst werden in solchen Situationen schnell Knüppel und Pfefferspray eingesetzt. Warum dieses Mal nicht?


Ich denke, dass spiegelt die momentane Strategie der Thüringer Polizei wieder. Es werden eher Kommunikationsbeamte eingesetzt als die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit. Aber auch dieses Mal gab es dennoch ein härteres Vorgehen der Polizei, gerade zum Ende der Veranstaltung hin. Ich hatte das Gefühl, viele Polizisten waren von der ganzen Situation schon ein wenig überfordert und  wussten nicht, wie sie sich verhalten sollen.  


Wie bewerten Sie die erneute Beteiligung des Thüringer Innenmisters Jörg Geibert?


Das ist eine schwierige Frage. Wir beobachten es in letzter Zeit häufiger – nicht nur bei CDU-Politikern – dass sie häufiger bei solchen Veranstaltungen auftauchen und diese auch als Plattform nutzen. Ich kann natürlich nicht einschätzen, ob bei Herrn Geibert wirklich das Problembewusstsein vorhanden ist und er verstanden hat, wie wichtig es ist, sich immer gegen Rechts zu engagieren.  


Gerade von linker Seite oder aus Antifa-Kreisen gibt es genau daran Kritik, weil Politikern, die noch vor einem Jahr solche Proteste –  wo sie nur konnten – kriminalisiert haben, jetzt plötzlich einfällt, gegen Rechts auf die Straße zu gehen. Besteht dadurch die Gefahr einer Spaltung? 


Wenn der Innenmister auf einer solchen Veranstaltung redet, kann ich schon nachvollziehen, dass manche Leute dann aus Protest sagen, wir gehen jetzt. Das ist immer eine Gratwanderung. Die Spaltungstendenzen zwischen – ganz überspitzt formuliert – Antifa und Bürgerlichen – gibt es ja häufiger. Vor zwei Jahren haben wir noch darüber diskutiert, ob Sitzblockaden überhaupt legitim sind. Jetzt ist das fast schon allgemein akzeptiert. 


Heißt das, Sitzblockaden könnte das Standardmittel im Kampf gegen Neonazis auf der Straße werden? 


Das könnte schon sein. Aber ganz so dumm sind die Nazis auch wieder nicht. Die diskutieren bereits andere Aufmarschformen. Ob sie noch mal eine solche Tour, wie mit dem LKW, machen ist fraglich. Sitzblockaden sind natürlich sinnvoll, aber deren Nutzen ist begrenzt. Nach einer gewissen Zeit muss man sich wieder neue Konzepte überlegen. Bei Nazi-Festivals im ländlichen Raum sind oft gar nicht genügend Leute da, um alle Zufahrtswege zu blockieren und auch die Polizei muss mitspielen, so wie zuletzt in Erfurt und Gera. 

 

In Erfurt gab es in der letzten Zeit praktisch jede Woche Berichte über Nazi-Gewalt. Hat das auch zu dem großen Widerstand beigetragen und können die erfolgreichen Proteste in dieser Frage eine Trendwende einleiten oder wird die Gewalt jetzt erst Recht noch zunehmen? 


Gerade die Berichterstattung über den Überfall im Kunsthaus hat sicher mit dafür gesorgt, dass so viele Leute auf die Straße gegangen sind. Ich würde aber nicht von einem Höhepunkt der Nazigewalt in Erfurt reden. Das ist leider ein Dauerphänomen, ob es das Kunsthaus ist, Punks oder der Überfall auf Absolventen der Willy-Brandt-School. Die Nazis haben in Erfurt in den letzten Jahren leider gemerkt, dass sie sich sehr viel erlauben können, ohne dass ihnen etwas passiert. Warum sollte sich das auf einmal ändern?


Auch im Rahmen der Deutschlandfahrt gab es mehrfach Übergriffe der Nazis, u. a. auf einen jungen Gewerkschafter. Warum hat die Polizei die NPD-Kundgebung nach diesem Vorfall nicht abgebrochen?


Nach der Aktion von Wieschke und Kammler, die den Vorsitzenden der DGB-Jugend tätlich angegriffen haben, war ich geschockt. Es ist ein Skandal, dass Wieschke überhaupt bis zum DGB-Stand kam und an-schließend auch nichts von Seiten der Polizei gegen ihn unternommen wurde.  Erschreckend war für mich auch, wie schwierig es sich z. T. gestaltete, mit den Verantwortlichen von Polizei und Ordnungsamt zu reden. Teilweise haben Polizisten Fragen nach dem Einsatzleiter mehr als schroff zurückgewiesen. Ich bin kein Experte für Versammlungsrecht, es hätte meiner Meinung nach aber mehr als genügend Gründe gegeben, die Veranstaltung der Nazis abzubrechen. Was an der Kundgebung, die sie bereits an den vorherigen Stationen der Tour abgehalten haben, spontan gewesen sein soll, erschließt sich mir auch heute nicht. 

  

Bei aller positiver Berichterstattung hört und liest man gelegentlich Äußerungen, man solle den Nazis keine Beachtung schenken und nicht auch noch Steuergelder für deren Schutz durch die Polizei verschwenden …


Es ist wichtig, den Nazis immer und zu jeder Zeit entgegen zu treten, um deutlich zu machen: kein Fußbreit den Faschisten! Wenn wir nicht auf dem Domplatz stehen würden, denkt die NPD, genau wie jeder der dort vorbei läuft, es ist alles ganz normal und gesellschaftlich akzeptiert. Deswegen sage ich: Überall, wo die Nazis auftauchen müssen wir klar und deutlich sagen, ihr seid hier nicht erwünscht, ihr seid kein Teil unserer Demokratie! 


Thomas Holzmann