Für Bäume verantwortlich fühlen

Im Kampf gegen die Waldkatastrophe sind die Thüringer Förster allein überfordert, deshalb braucht es mehr Projekte, welche die Bürgerinnen und Bürger einbinden, erklärt Luise Schönemann, Biologin u wissenschaftliche Mitarbeiterin für Landesentwicklung, Landwirtschaft und Forsten in der Linksfraktion im Thüringer Landtag.

 

 

Der Begriff Waldkatastrophe ist mit Blick auf den Zustand unserer Wälder plötzlich in aller Munde. Wie dramatisch ist die Situation in Thüringen wirklich?

 

Durch Trockenheit und Stürme ist sehr viel an Substanz im wahrsten Sinne des Wortes weggebrochen. Wir haben einen enormen Verlust beim Nadelholz und auch bei verschiedenen Laubhölzern. Es gibt große Flächen, die bereits kahl sind. Und die Situation wird eher noch schlimmer werden. Besonders kritisch ist das bei Hanglagen. Wenn dort nicht bald etwas passiert, dann werden die kahl bleiben. 

Zu der ökologischen kommt auch noch die wirtschaftliche Katastrophe. Weil in ganz Europa so viel Schadholz anfällt, sind die Preise eingebrochen. Das bedeutet, dass es mehr Geld kostet die Stämme aus dem Wald zu holen als es einbringt. Besonders für die kleinen Waldbesitzer ist das ein Riesenproblem.

 

Das Stürme, Trockenheit und Borkenkäfer zu den Ursachen der Katastrophe gehören ist klar. Welche Rolle spielt es, dass private Waldbesitzer Wald in erster Linie als marktkonforme Ware betrachten?

 

In Thüringen gehören etwa 40 Prozent der Waldfläche privaten Besitzern. Insbesondere bei großen Forstbetrieben mit 1.000 ha und mehr, ist Wald immer zuerst ein Wirtschaftsfaktor gewesen, im Prinzip seit Jahrhunderten. Es wurde häufig nur nach gepflanzt, was schnell wächst und sich gut verkaufen lässt, z.B. Fichten. Sie haben die Eigenschaft flache Wurzeln zu schlagen und sind entsprechend anfällig bei Stürmen. Außerdem wurde zum Teil zu eng gepflanzt. Die Parzellen wurden in erster Linie wirtschaftsorientiert aufgestellt. Jetzt ist das Wort Waldumbau in aller Munde. Das heißt, es sollen Tannen, Buchen, Eichen, mehr Laubholz gepflanzt werden. Das würde es dem Borkenkäfer zukünftig viel schwieriger machen, weil der nur auf bestimmte Baumarten geht. 

 

Das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Aufforstung und die Aufzucht klimaangepasster Bäume zur höchsten Priorität erklärt. Was über Jahrzehnte versäumt wurde, kann aber nicht kurzfristig wieder gutgemacht werden. Was aber passiert, wenn sich nicht schnell und radikal etwas verändert? 

 

Ich denke, wir werden nicht dauerhaft die Waldbesitzer davon abhalten können, ihre Flächen als Wirtschaftswald zu betrachten. Wenn aber jetzt nichts passiert, dann wird es sehr viele kahle Stellen geben, je nachdem wie sich das Klima in den nächsten Jahren entwickelt. Kleine Bäume, die gerade aufgeforstet wurden, werden einen Hitzesommer kaum ohne weiteres überstehen können. Da hilft nur gießen. Dazu gibt es auch die ersten Ideen für kommunale Wälder mithilfe von Bürgerinnen und Bürgern. 

 

Welche Projekte dieser Art gibt es bereits in Thüringen?

 

Viele Kommunen haben Waldpatenschaften eingeführt, zum Beispiel für Kindergärten und Schulen. Da gehen die Kinder dann einmal pro Woche in den Wald und gießen, vergraben Eicheln oder pflanzen kleine Bäume. Die Förster alleine wären mit der Situation ohnehin völlig überfordert. Insofern ist es eine gute Sache, wenn die Bürger in kleinen Orten, die in der Nähe der Wälder liegen, solche Aufgaben übernehmen. Dasselbe gilt auch für die Stadtbäume.  Da gibt es Projekte wie die Baumpatenschaften in Erfurt. ThüringenForst oder die kommunalen Verwaltungen sind gar nicht in der Lage, sich um alle Bäume selbst zu kümmern. Aufgrund der dramatischen Situation ist man darauf angewiesen, dass sich eine wachsende Zahl von Leuten für Bäume verantwortlich fühlt und zum Beispiel in der Nähe des Arbeitsplatzes regelmäßig schauen kann, ob gegossen werden muss. 

 

Wenn es im Herbst nicht für R2G reichen sollte und die CDU wieder an die Macht kommt, was würde das für den  Thüringer Wald bedeuten?

 

Die CDU ist durchaus auf Seite der Bäume, aber auch auf Seiten der Waldbesitzer. Wenn sie von Katastrophe reden, haben die mehr die Situation der Waldbesitzer im Kopf.  Ich möchte auch nicht verschweigen, dass zur Gründung der Anstalt ThüringenForst in der vorangegangenen Legislatur die Weiterführung des Personalabbaupfades von der CDU konsequent verfolgt wurde. Man hoffte, dass ThüringenForst neue wirtschaftliche Betätigungsfelder findet, um das Personal zu behalten. Das hat nicht funktioniert, es wurde nicht ausreichend ausgebildet und nicht zuletzt daraus resultiert der personelle Notstand. Außerdem wurde ThüringenForst in dieser Legislatur schon etwas besser gestellt als vorgesehen. Die rot-rot-grüne Landesregierung diskutiert zudem über Auflagen für die Hilfen von Waldbesitzern. Zum Beispiel, dass nicht wieder nur Kiefern und Fichten gepflanzt werden. Die CDU will da sicher eher auf gesunden Menschenverstand setzen, aber es ist die Frage, ob der ökologische Waldumbau wirklich kommt, ohne jeglichen Zwang und ohne jegliche Kontrolle. Das Knüpfen der Zahlungen an bestimmte Auflagen beim Waldumbau habe ich aus dem Munde der CDU bis jetzt jedenfalls noch nicht gehört. 

 

Die für den Fall zuständige Ministerin Julia Klöckner (CDU) hat jetzt für den September einen Waldgipfel angekündigt. Darf man da auf konkrete Maßnahmen für den Waldumbau hoffen oder wird ähnlich wie bei Merkels Klimakabinett nur heiße Luft produziert?

 

Es muss auf jeden Fall dringend Geld in die Bundesländer fließen, damit überhaupt etwas passieren kann. Um die thüringer Waldbesitzer kräftig zu unterstützen, ist einfach nicht genug Geld da. Außerdem muss der Bund dringend die Erforschung von klimafesten Bäumen unterstützen. Kommunale Forschungsprojekte für resistente Stadtbäume gibt es bereits, aber auch die müssen deutlich mehr unterstützt werden.

 

th