Ein überregional wirksames Profil für Erfurt entwickeln

DIE LINKE will OB-Wahl 2012 in Erfurt mit Michael Menzel gewinnen. An einer Zukunftsvision für die Landeshauptstadt wird gearbeitet: Erhalt der ega, mehr Bürgerbeteiligung stehen im Vordergrund. Die Zusammenarbeit der LINKEN mit SPD und Grünen im Stadtrat beleibt aber unangetastet.

Mit dem parteilosen Rechtsanwalt Michael Menzel hat DIE LINKE. Erfurt ihren Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl 2012 benannt. Warum schon so früh?



Das ist vor allem eine Konsequenz aus den vorangegangen OB-Wahlkämpfen in Erfurt, als wir teilweise zu spät gestartet sind. Ich denke, dass es richtig ist, gerade in der jetzigen Situation diese Entscheidung zu treffen, weil Michael Menzel so die Möglichkeit hat  – sowohl nach innen als auch nach außen – bekannter zu werden. Einen Großteil der Werbung müssen wir selbst, ohne Hilfe der Medien machen und das braucht seine Zeit. 


Kritik an Menzel als Kandidat gab es auf Grund seiner Biographie. Wird ihn die Basis akzeptieren, auch wenn er nicht den typischen „Stallgeruch“ mitbringt?



Natürlich kommt er aus einer anderen politischen Kultur als die meisten bei uns, in der Tat rufen manche Daten in seiner Biografie Fragen auf. Die gab es auch im Stadtvorstand. Menzel kommt aus einem parteipolitisch nicht gebundenen Umfeld. Als er begann, für Leute etwas bewegen zu wollen, hat er das zuerst in der CDU versucht, dann aber erkannt, dass die CDU dafür eine unmögliche Partei ist. Die CDU wollte, dass Menzel als KoWo-Aufsichtsrat quasi das ganze Unternehmen gegen die Wand fährt, nur um OB Bausewein zu schaden. Wenn er deswegen die CDU verlässt, ist er noch lange kein Wendehals. Er hat sich ja gerade nicht am Mainstream orientiert. Im Gegenteil, als erfolgreicher Rechtsanwalt kommt er zu uns, weil er weiß, dass er hier seine Vorstellungen von sozialer Politik am besten umsetzen kann. Ich kann nur dazu aufrufen, Michael Menzel persönlich kennenzulernen, ihn zu befragen, sich selbst ein Bild zu machen.


Es gab auch Stimmen in der Erfurter LINKEN, die keinen eigenen Kandidaten aufstellen wollten. War es keine Option für DIE LINKE, Bausewein zu unterstützen und ihm dafür politische Zugeständnisse abzuringen?



Solche Stimmen gab es. Und wir haben diese Option diskutiert. Am Ende war aber eine breite Mehrheit dafür, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Dies unterstreicht, dass wir eigene politische Ziele haben und dass wir mit der Arbeit und den Aktionen der SPD und ihres OB nicht immer einverstanden sind. Jetzt kommt es darauf an, mit unserem Kandidaten für unsere Inhalte aufzutreten, und deutlich zu machen, was wir für diese Stadt wie erhalten und verändern wollen. Hier lassen wir uns nicht auseinander dividieren. Erfolgreich sein können wir nur gemeinsam.


Wie beurteilen Sie die Arbeit von OB Andreas Bausewein? 


In einigen wichtigen Punkten ist die Zusammenarbeit mit ihm durchaus erfolgreich gewesen. Für 2010 und 2011 ist es uns gelungen, einen Haushalt aufzustellen, bei dem wesentliche Einschnitte im Bereich sozialer und kultureller Leistungen verhindert werden konnten. Das Sozialticket wurde erhaltenen, das Schulmittagessen durch die Stadt gestützt. Mit geringem Abstrich, der das Jugendhaus am Wiesenhügel betrifft, wurden die vorgesehenen Kürzungen im Jugendbereich abgewendet. Das war eine zentrale Forderung der Erfurter LINKEN. Diese Dinge wurden erreicht, aber größtenteils gerade wegen des Drucks von uns. LINKE, SPD und Grüne waren nicht immer einer Meinung im Stadtrat, aber es gab eine vernünftige Zusammenarbeit und die wollen wir fortsetzen. Die SPD ist 2009 im Rahmen dieser Zusammenarbeit stärkste Fraktion im Stadtrat geworden und wir wollen nun im Rahmen dieser Zusammenarbeit versuchen, den OB zu stellen. Es gibt weiterhin gemeinsame Ziele und Schnittmengen mit SPD und Grünen. Das Aufstellen eines eigenen Kandidaten ändert daran nichts. 



DIE LINKE rechnet sich also auch eine realistische Chance aus, die OB-Wahl tatsächlich zu gewinnen? 



Ja, wir wollen, und wir können gewinnen.



Um die Wahl zu gewinnen bedarf es Inhalte. Mit welchen Kernthemen könnte Michael Menzel im Wahlkampf punkten und welche Rolle wird die ega spielen? 



Andreas Bausewein hat sich jahrelang keinen Kopf um die ega gemacht. Noch vor wenigen Wochen haben sie im Rathaus ernsthaft über einen Teilverkauf von ega-Flächen diskutiert. Jetzt kommt er mit der BUGA-Bewerbung, die als Idee keineswegs neu ist. Richtig ist: Das Thema ega hat DIE LINKE nach vorne gebracht, mit einer Begehung des Geländes und der Unterstützung für die Bildung einer Bürgerinitiative. Bausewein und die SPD sind in dieser Frage nicht zuverlässig. Außerdem kann und muss die ega in ein übergreifendes strategisches Konzept eingebunden werden. Wir wollen Erfurt wieder zu einer Blumen- und Gartenstadt machen. Im Gegensatz zu anderen Städten hat Erfurt heute keine Marke, keine Ausstrahlungskraft in einem Bereich, der nach außen wirkt. Daran wird auch von Andreas Bauswein nicht gearbeitet. Michael Menzel ist jemand, der ein überregional wirksames wirtschaftspolitisches Profil Erfurts entwickeln kann und will.    


 
Bräuchte man dafür nicht eine richtig große Zukunftsvision, wie z. B. freien Eintritt auf der ega?



Die derzeitige Preispolitik ist völlig kontraproduktiv. Familien mit Kindern, die früher regelmäßig in großer Zahl auf der ega präsent gewesen sind, können sich das heute einfach nicht mehr leisten. Dementsprechend ist es auf der ega auch deutlich ruhiger geworden. Die Vision für die ega darf jetzt nicht der nächste x-beliebige Freizeitpark sein, sondern muss Tradition und attraktive, neue Angebote zusammenbringen: Etwas Erfurt-spezifisches für Erfurt. Aber zuerst muss der Bestand gerettet werden.  


Welche Rolle kann das Thema „mehr Demokratie“ spielen? 



Eine verbesserte Bürgerbeteiligung wird natürlich eines der Schwerpunktthemen sein. Es hat schon in den letzten Wochen, bei der Diskussion um einen hauptamtlichen Seniorenbeauftragten, eine Rolle gespielt. Auch im Kinder- und Jugendbereich gibt es solche Überlegungen. So etwas sollte aber keine vom Bürgermeister dirigierte Alibiveranstaltung werden, wie in anderen Städten. Deutlich ausbaufähig ist auch die tatsächliche Mitbestimmung der Bürger in Form von Bürgerbefragungen oder Bürgeranträgen. Auch beim Thema ega wollen wir eine Mitwirkung der Bürger, die über die Nutzungsbefragung, die die SPD vorschlagen hat, weit hinausgeht. Die Bürger sollen tatsächlich effektiv entscheiden, was mit der ega zukünftig geschieht. 


Viel diskutiert wird in Erfurt auch über einen möglichen Stadion Um- oder Neubau …



Erfurt braucht ein modernes Stadion, das über den Fußball hinaus für andere Sportarten attraktiv ist und wo Events stattfinden können. Wir sind aber strikt gegen einen Neubau auf der grünen Wiese. Das Hauptproblem ist natürlich die Finanzierung. Wir können auf keinen Fall die Senioren- und Jugendarbeit auf Null fahren, nur um in vier Jahren ein schönes Stadion zu haben. Sich beides zu leisten ist nicht einfach, aber es gibt auch da schon Ideen. Es wird mit der LINKEN auf jeden Fall keinen Aderlass der Stadthaushaltes für ein neues Stadion geben, auch wenn der Sport für die Stadt wichtig ist. 


Die KoWo gilt mittlerweile wieder als saniert, aber wie sieht es generell mit dem Wohnraum in Erfurt aus?



Auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich immer mehr eine Knappheit bei bezahlbaren Drei- oder Vierraumwohnungen. Die Ursache dafür ist, dass der Bund mit dem Altschuldenhilfegesetz für jede Menge Abriss gesorgt hat, und die Stadt das im Glauben an wegziehende Menschen unterstützt und mitgemacht hat. In Erfurt Nord wurden einige Neubau-Blöcke abgerissen, die gerade frisch saniert waren. Jetzt hat Erfurt aber nicht den prognostizierten Bevölkerungsverlust. Ergebnis: Der Abriss nützt nun wenigen, die von hohen Mieten profitieren. Die KoWo und die Stadt müssen sich schnellstens Gedanken um sozialen Wohnungsbau machen.


Thomas Holzmann