Die konventionelle Landwirtschaft muss ökologisiert werden

Die Kosten für konventionelle Landwirtschaft werden auf die Allgmeinheit umgelegt – bei Bio-Produkten zahlt sie allein der Endverbraucher, erklärt die Agrarexpertin der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Dr. Johanna Scheringer-Wright.

In Sonntagsreden wird gerne und oft die Bedeutung der Landwirtschaft im „Grünen Herzen“ Thüringen betont. Tut die Politik letztlich nicht viel zu wenig, um diese Stärke weiter zu fördern?


Wenn die Agrar-Betriebe das nicht selber in die Hand nehmen, dann passiert in der Tat sehr wenig. Schärfer angepasst werden müsste vor allem das Agrarinvestitionsprogramm. Das müsste so verändert werden, dass zum Beispiel die Tierhaltung artgerecht aufgestellt werden kann. Der ökologische Landbau kommt auch nicht voran. Es werden zwar immer mehr ökologische Produkte verkauft, aber die kommen nicht unbedingt aus Thüringen ... 


Jedenfalls nicht in den Supermärkten und Discountern …


Genau. Das ist auch die Diskrepanz beim Thema ökologischer Landbau und Regionalisierung in Thüringen. Mit einem Anteil von 4,5 Prozent Bioanbau an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt Thüringen unter dem Bundesdurchschnitt. Es gibt schon vieles, was die Betriebe machen, aber auf Landesebene wird noch zu wenig getan, um ökologische Initiativen zu starten und sie nachhaltig zu unterstützen.

   

Drohen solche Projekte langfristig zu scheitern, wenn es nicht mehr Unterstützung vom Land gibt?


 Ja. Viel Geld kommt aus den EU-Fonds, bei denen das Land nur einen Teil dazu gibt. Hier kommt es auch darauf an, dass die Landesregierung bei der Programmerstellung für die EU-Fonds die Ökologie und die Regionalität mehr in den Fokus rückt, damit EU-Gelder auch zielgerichtet zur Unterstützung solcher Projekte eingesetzt werden können. Die LINKE hat für EU-Agrar-Förderung vorgeschlagen, ökologische Kriterien als Voraussetzung für die Förderung genauso wie auch soziale Kriterien heranzuziehen. Davon ist die Landesregierung ganz weit entfernt und lehnt es z. B. ab, Arbeitskräfte und Arbeitsplätze in die Förderkriterien mit einzubeziehen.


Wird die Arbeit von Landwirten gesellschaftlich generell zu gering geschätzt?


Das sehe ich nicht so. Kein Wirtschaftsbereich prägt die Natur- und Kulturlandschaft so, wie die Landwirtschaft. Das ist den meisten Menschen schon bewusst. Studien zufolge ist der Beruf Landwirt nach Ärzten und Lehrenden der angesehenste. Die Frage ist aber: Wie wird es am Ende honoriert? Gerade in der Landwirtschaft steigt der Fachkräftebedarf, gleichzeitig sind aber die Löhne sehr niedrig. Durch die schlechte Entlohnung leidet die Attraktivität dieses Berufszweiges. Im Gegensatz zu den Grünen, die nur wollen, dass Lebensmittel im Laden teurer werden, sagen wir als LINKE: die vorhandenen Finanzierungen aus der EU-Agrar-Förderung müssen zielgerichteter werden. Damit könnten die Löhne steigen und Arbeitsplätze im ländlichen Raum gesichert werden.


Aber werden bei EU-Agrar-Subventionen nicht im Regelfall die Großkonzerne bevorteilt?


Seit einiger Zeit gibt es die Förderung nur noch über die Fläche. Das heißt: Jeder, der Flächen besitzt, egal  ob Lufthansa, Industriebetrieb oder Agrargenossenschaft, kann unabhängig davon was angebaut wird Subventionen erhalten. Wenn z. B. auf einer sehr großen Fläche nur Weizen angebaut wird, kann das sehr gut rationalisiert werden. Man braucht nur wenig Arbeitskräfte und hat einen entsprechend hohen Gewinn. Wenn man aber auf den Höhen des Thüringer Waldes einen Grünlandbetrieb mit Schafzucht hat, kann man da  schlecht rationalisieren. Trotz des größeren Aufwandes wird aber auch hier nur für die Fläche gezahlt. Das wollen wir als LINKE verändern. 


Gegen übermäßige Monokulturen gerade bei der Bioenergie hilft doch nur eine Förderung der Vielfalt, der Biodiversität?


Ja und da gäbe es auch eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Der neue EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Dacian Ciolos, hat Vorschläge gemacht und die ökologischen Kriterien stärker in den Vordergrund gerückt.  Einzelne Thüringer Agrarbetriebe haben jetzt eigene Vorschläge gemacht, und stellen mit einer „Ökoparzelle“ die Umsetzung der Förderung der Biodiversität in der intensiv genutzten Agrarlandschaft vor. Dies kann bei den Agrargenossenschaften  Großfahner e.G. „Am Horn“ e.G. eindrucksvoll besichtigt werden. Das sollte sich der Landwirtschaftsminister anschauen und unbedingt aufgreifen.

  

In Thüringen ist der Agrarsektor noch stark durch die LPG-Strukturen geprägt. Welches Potential steckt in genossenschaftlich organisierten Agrar-Betrieben?


Auch hier gibt es ein Umdenken in der EU, wo sich der EU-Kommissar Ciolos für den Ausbau der Genossenschaften ausgesprochen hat. Genossenschaften  haben einen Förderzweck. Es ist nicht das gleiche wie bei einer Aktiengesellschaft, wo der Shareholder Value (Aktionäreswert) darauf basiert, dem einzelnen Aktionär eine möglichst hohe Dividende auszuzahlen. Gerade im Energiebereich werden zurzeit immer mehr solche Genossenschaften gegründet. Der Förderzweck ist dann z. B. die Energieproduktion für ein Dorf, ein Stadtteil oder eine Wohnanlage. Mit einer Genossenschaft kann man durch die Satzung, aber auch durch Steuervorteile viel besser auf solche gemeinnützigen Ziele hinarbeiten.


Wirtschaftswissenschaftler sprechen dann von Synergieeffekten. Könnte diese auch dazu führen, dass regionale Bioprodukte mittelfristig günstiger werden?

 

Die Ursachen für die hohen Kosten bei Bioprodukten sind vielfältig. Noch werden energieintensive Bereiche, wie z. B. die Düngemittel produzierende Industrie, bei den Strompreisen bevorteilt. Diese Industrie zahlt nicht die gleichen Energiepreise, wie es die Verbrauchter tun. Da diese Kosten nicht direkt auf den Preis für Dünger aufgeschlagen, sondern der Allgemeinheit aufgebürdet werden, entlastet das die konventionelle Landwirtschaft. Die ökologische Landwirtschaft kann keinen industriell hergestellten Dünger verwenden, sondern muss bestimmte Kulturen anbauen und ein organisches Düngersystem etablieren, um eine gute Nährstoffversorgung in ihren Böden zu erreichen. Diese Kosten zahlt die Gesellschaft nicht, sondern der Endverbraucher über den höheren Preis. Zudem diktieren auch in der Biobranche die Handelsgesellschaften den Preis.


Wobei es Stimmen gibt, die bei mehr Bio vor Preisexplosionen und Nahrungsmittelknappheit warnen …


Meine Devise ist: Die Landwirtschaft muss so aufgestellt werden, dass ausreichend gesunde Lebensmittel produziert werden und die Umwelt geschont wird. Das bedeutet, dass auch die konventionelle Landwirtschaft ökologisiert werden muss, damit weniger Pestizide und Nitrate ausgetragen werden. In der Tierhaltung sollte durch verbesserte Haltungsbedingungen der Einsatz von Antibiotika reduziert werden. Wir haben ein hohes Wissen, um z.B. Schädlingsbefall in den Griff zu bekommen und hier in Thüringen haben wir auch für Bio eine Gunstregion. Das Hauptproblem ist für mich, dass der Einsatz der chemischen Keule nicht nur bei dringendem Bedarf erfolgt. Durch die Macht der Konzerne, die Agro-Chemikalien herstellen, ist die Anwendung von Pestiziden der Standard. Da sollten neue Wege beschritten werden.

  

Auf was sollten die Verbraucher  beim Kauf von Bioproduktem achten?


Generell gilt, je weiter ein Produkt transportiert wurde, desto schlechter ist die Öko-Bilanz. Ein Apfel aus Neuseeland ist im Grunde nur eine Menge Wasser, was von der einen auf die andere Seite der Erde transportiert wird, wobei viel CO2 in die Luft geblasen wird. Auf regionale Produkte sollten die Leute achten. Es muss nicht alles aus dem Nachbardorf kommen, aber ein Apfel aus Gierstädt oder gar Tirol ist am Ende immer noch besser als einer aus Neuseeland.

 

Auf was müssen wir uns in Thüringen einstellen, wenn die Klimakatas-trophe zuschlägt?


Das schwierige an diesem Thema ist, dass der Klimawandel nicht bedeutet, dass sich das Klima gleichmäßig verändern wird. Wenn die Temperatur im Jahresmittel um zwei Grad steigt, bedeutet das nicht, dass wir im Winter keinen extremen Frost mehr haben werden. Aber dafür kriegen wir im Sommer eher ein Mittelmeerklima, inklusive Wasserproblem. Da müssen wir im Bereich Wassermanagement entsprechende Planungen voranbringen. Dazu könnten wir die alten Wasserspeicher nutzen, die momentan keiner haben will. Aber auch hier ist die Landesregierung in der Pflicht, denn die Kommunen oder Betriebe alleine können das nicht leisten.  Insgesamt muss die Landesregierung mit Blick auf die Anpassung an den Klimawandel aktiver werden. Dazu hat die Linksfraktion auch einen Antrag in den Landtag eingebracht.  


Thomas Holzmann