Die CDU gehört endlich in die Opposition

Thüringen „fair ändern“ will DIE LINKE nach der Landtagswahl 2014. Der Fraktionschef im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, sprach über Inhalte, mehr Demokratie und die Rolle der SPD.

Kann nach dem skandalösen Polizeiaufgabengesetz das Thema Überwachung für die Landtagswahl eine entscheidende Rolle spielen? 


Wir werden natürlich das Thema Netzpolitik kommunizieren und uns auch auf andere Aspekte konzentrieren. Es gibt leider immer noch Gebiete in Thüringen, da sagen die Menschen: bei uns gibt es keine Probleme mit Datenschutz, weil wir gar keine Datenleitung haben. Auch der flächendeckende W-LAN-Empfang ist so ein Thema. Die Landesregierung hat keine Digitalisierungsstrategie und ist schon auf einem Viertel des Weges stecken geblieben. Das werden wir thematisieren und da hängt natürlich auch das ganze Thema Datenschutz mit dran. Gerade wurde bekannt, dass der Datenschutzbeauftragte des Landes den Datenschutzbeauftragten der Polizeiausbildungsstelle in Meiningen dabei erwischt hat, wie er die Daten der Polizeischüler sammelte. Doch nicht alles, was möglich ist, ist auch zulässig. Die Mehrheit der Bevölkerung sieht aber die positiven Aspekte des Internets und möchte sich nicht von uns erklären lassen, wie schrecklich die dunkle Seite des Netzes ist. Mit Angst Politik zu machen, kann und darf nicht unser Ansatz sein. Technik ist doch etwas Gutes, wenn wir den Mehrwert, der entsteht, für die Gesellschaft nutzen. Deswegen auch unser Leitbegriff: „Thüringen fair ändern“. 


Welche Themen werden zurzeit noch vorbereitet? 


Daran wird beim Landesverband und in der Fraktion schon intensiv gearbeitet. Ausgehend von der Forderung eines ticketlosen ÖPNV in Erfurt wollen wir z. B. eine Mobilitätsgarantie für Thüringen entwickeln.  Unsere drei großen Themen von 2009: Energie, Bildung und Verwaltung sind durch Schwarz-Rosa ja kaum angefasst worden. Aber wir konnten immerhin als LINKE manches durchsetzen. Dass die Energieversorgung jetzt in kommunaler Hand ist, zeigt, dass wir Politik auch aus der Opposition heraus gestalten können.  Allerdings muss die Energiewende jetzt auch gestaltet werden. Da ergeben sich sehr viele Fragen von der dezentralen Energieerzeugung bis hin zu dem Thema, was wird aus Bosch Solar in Arnstadt? 


So wichtig die Energiewende ist, damit kann man ebenso wenig eine Wahl gewinnen wie mit der schwierigen  Verwaltungs- und Gebietsreform.


Bei der Gebietsreform schürt die CDU die Ängste der Bürger, die Monsterkreise würden den Bürger zu einem hilflosen Opfer machen. Die CDU will dafür Monsterbehörden wie jene, die aus dem Bauministerium hervorgehen soll. Wir aber betrachten das als integriertes Thema und wollen erst dann mit den Bürgern über die Gebietsreform reden, wenn wir die Verwaltung umgebaut haben: Zweistufigkeit und Ein- räumigkeit, Abschaffung des Landesverwaltungsamtes und mehr Aufgaben nach unten delegieren. Es geht nicht darum, einfach einen Landkreis abzuschaffen, sondern um eine Neuordnung der Behördenstrukturen mit flächendeckenden Bürgerservicebüros.  Wie bei einer Treppe fängt man das Kehren von oben nach unten an: erst die Verwaltung umbauen, dann die Gebietsreform.  Die CDU macht aber das Gegenteil und beschließt über 100 Gemeindeneugliederungen, die überhaupt keine sinnvollen Effekte bringen.  


Wenn die Bürger solche Angst vor Veränderungen haben, warum  lässt man sie dann nicht per Plebiszit selbst entscheiden? 


Bei der Gebietsreform geht es oft um Heimatgefühl oder die Frage der Identität, und uns sagen Umfragen ganz klar, dass die Menschen von der Gebietsreform nicht viel halten. Auch mit der Anreicherung um direkte Demokratie wird das Thema sicher kein Wahlkampfhit. Da halte ich es für wichtiger, den ländlichen Raum zu thematisieren. Immerhin gibt es bald keine Landärzte mehr und deswegen müssen wir über Landambulatorien reden. Dort könnten eine Pflegestation und eine Gemeindeschwester angebunden sein, genauso wie auch das Bürgerservicebüro. Dadurch würde sogar eine Art von sozialem Raum entstehen.  So wollen wir an diese Themen heran gehen. 

 

So wichtig die Konzepte sind, Wechselstimmung wird doch eher durch Skandale wie im Fall Machnig oder Zimmermann erzeugt. Inwieweit kann DIE LINKE da von der Debatte um schwarz-rosanen Filz profitieren?  


Da bin ich sehr skeptisch. Auch das Bundestagswahlergebnis deutet etwas anderes an. Der „Mutti-Effekt“ könnte sich auch auf Landesebene abbilden. Die SPD geht aus dieser Koalition als geschlachteter Zwerg heraus. Da wird der Wähler sicher ein gerechtes Urteil sprechen. Es könnte aber sein, dass FDP und Grüne den Wiedereinzug nicht schaffen. So wäre es möglich, dass Lieberknecht wie Althaus, mit 41 Prozent alleine regieren könnte. Deswegen müssen wir als LINKE uns auf die Politik der Union konzentrieren. Da dürfen wir uns nicht an den Sozialdemokraten verzetteln. Zumal wir nicht übersehen sollten, dass z. B. Frau Taubert beim Landesprogramm gegen Rechts oder mit dem Demokratiepreis für Lothar König auf der richtigen Seite steht. Bei der Gemeinschaftsschule geht die SPD im Gegensatz zur CDU in die richtige Richtung, wenn auch oft nur mit rein symbolischen Aktionen. Deswegen brauchen wir für eine andere Bildungs- und Schulstruktur eine Volksabstimmung, damit wir den gymnasialen Zwang wegbekommen. 


Im Bundesland Hamburg wurde aber genau eine solche Reform 2010 per Volksentscheid abgelehnt ...


Das kann man nicht vergleichen. Hamburg ist ein städtisch geprägtes Milieu und die Menschen, die am meisten von der Reform profitiert hätten, um die es ging,  die sind gar nicht zu Abstimmung gegangen. Wenn wir immer nur sagen: Hartz IV muss weg, dann ist das zwar richtig, aber das allein bringt uns noch keine Wähler. Wir müssen in Thüringen eine Politik anbieten, welche die Breite der gesamten Gesellschaft abbildet: Wir müssen den Anspruch erheben, Volkspartei zu sein! Das Erinnerungsvermögen der Menschen in Thüringen an eine andere Schule ist doch im Gegensatz zu Hamburg präsent. In Thüringen werden auch Oma und Opa zur Abstimmung gehen und sagen, es ist doch Unsinn, wenn die Kinder nach der vierten Klasse schon getrennt werden.


In solchen Fragen dürfte es in der LINKEN keine großen Gegensätze geben. Aber welche Position nimmt DIE LINKE in der ungelösten Stadiondebatte in Erfurt und Jena ein? 


Bei Machnigs Konzept hat Jena bereits kalte Füße, in Erfurt will man scheinbar darüber nicht reden, um nicht sagen zu müssen, dass die Entscheidung vielleicht falsch war. Die Fans fühlen sich veralbert. Ich hatte schon 2009 ein Konzept vorgestellt, das vorsah, über eine Patronatserklärung des Landes einen Kommunalkredit aufnehmen zu können und damit eine stadteigene GmbH „Sportstätten Steigerwald“ zu gründen. So hätte wir erst mal anfangen können. Seitdem ist nichts passiert. Jetzt haben wir allein in Erfurt schon einen Sanierungsstau von acht Millionen Euro. Es geht da nicht allein um Profifußball. Wir brauchen in Erfurt nahe am Bahnhof ein Zentrum für Tagungen. Erfurt wird in wenigen Jahren einer der zentralen Umsteigebahnhöfe in Deutschland. Diese Entwicklung wird momentan leider total verschlafen. Wir müssen aufpassen, wie wir diesen strategischen Vorteil nutzen können. Ein Widerspruch sind für mich die Stadien nicht. Wir dürfen uns da nicht auf die Unlogik einlassen: teures Stadion oder kostenloses Schulessen. 


Ob Stadion, Energie oder Verwaltung: Thüringen hat riesiges Potential und nutzt es kaum. DIE LINKE hat gute Konzepte, aber keine Partner für eine Regierungsmehrheit. Oder gibt es doch einen Weg aus der alten Matschie-Falle des Ausschließens?  


Wir sind die einzige Partei, die für Veränderungen steht und die einzige, die nicht Frau Lieberknecht zur Ministerpräsidentin wählt. Thüringen „fair ändern“, das heißt: Die CDU endlich abzulösen, die sich versucht, als Staatsmachtspartei darzustellen. Momentan sind nur ein paar Ministerien an die SPD ausgeliehen, mehr nicht. Alle reden von Machnig, aber niemand davon, das Althaus immer noch die vollen Bezüge bekommt. Los ging es mit dem golden Handschlag für Zimmermann. Gleichzeitig will der Staatssekretär Jürgen Aretz 328.000 Euro haben. Der Staatskanzleiminister Jürgen Schöning will seine 92.000 Euro nicht hergeben und in der Staatskanzlei werden aus zwei Posten drei gemacht. Das kostet 86.000 Euro im Jahr zusätzlich und baut die Staatskanzlei systematisch zur CDU-Wahlkampfzentrale aus. Deswegen gehört die CDU endlich in die Opposition! 

Mit dem wir nach der Wahl Koalitionsverhandlungen führen wollen, der darf uns vor der Wahl nicht ausschließen. Wenn die SPD nicht bereit ist, alle Varianten der Politik zu denken, dann wollen sie wieder nur für die CDU den Steigbügelhalter spielen. Wir sind bereit, die Verhandlungen für diesen Politikwechsel zu führen. Wenn die SPD sagt, sie verhandelt mit uns nur, wenn sie die stärkere Partei wird, dann sollen sie gleich sagen, dass sie eigentlich nur mit der CDU regieren wollen und ihnen der Politikwechsel völlig egal ist.    


Thomas Holzmann