Die Achillessehne ist und bleibt die Entwicklung des Euros

Für den Finanzexperten der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Mike Huster, macht die konjunkturelle Lage einen ausgeglichenen Haushalt in Thüringen realistisch – langfristiger Schuldenabbau aber nur mit anderer Steuerpolitik im Bund.

Bis zum Jahr 2020 wird der Solidarpakt auslaufen, Thüringen keine Ziel-1-Förderung der EU mehr erhalten. Dazu kommt die Schuldenbremse. Wie sollen dringende Investitionen bei der Bildung oder für die Energiewende so noch möglich sein? 


Die politischen Herausforderungen der Zukunft werden wir nur mit einer gerechteren Steuerpolitik und mit Mehreinnahmen meistern können. Heute sind wir sehr abhängig von einer guten Konjunktur. Das ist zu riskant.  Deswegen brauchen wir mehr konjunkturunabhängige Einnahmen  z. B. die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Reform der Erbschaftssteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Ab 2019 kommt übrigens auch noch ein neuer Länderfinanzausgleich hinzu und der Solidarpakt läuft aus. Dadurch werden wir in Thüringen, was die  Einnahmen angeht, schwer unter Druck geraten. Gleichzeitig werden die Ausgabeverpflichtungen noch steigen. Ein Beispiel: die Pensionskosten betragen derzeit 70 Millionen, in ca. zehn Jahren werden es über 300 Millionen sein. So ergibt sich natürlich auch für DIE LINKE ein Spannungsfeld, denn wir wollen neue Lehrer einstellen, Kultur- und Sozialangebote erhalten und weiterentwickeln und die Energiewende schaffen. Deswegen müssen wir als LINKE immer für eine echte Alternative, für eine andere, gerechtere Steuerpolitik stehen und entsprechende Mehrheiten im Bund organisieren. Gleichzeitig müssen wir vorbereitet sein, wenn diese bundespolitischen Reformen nicht kommen sollten.

 

Kommt die Steuergerechtigkeit nicht, bleibt doch am Ende nur die Möglichkeit, Thüringen mit einem anderen Bundesland zu fusionieren?


Mit Blick auf die demografischen Herausforderungen in Mittelostdeutschland und die gemeinsamen Potenzen der Länder Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen ist das in jedem Falle diskussionswürdig, aber das entscheidende Kriterium ist, ob die Menschen das wollen oder nicht. Wir haben alle unsere Erfahrungen, sodass ich nicht glaube, dass in die Fusionsdebatte wirklich Bewegung kommen wird. Die parteipolitische Versuchung, dagegen  Stimmung zu machen, um Stimmen zu gewinnen, ist wohl einfach zu  groß. Das liegt auch mit an der CDU, die kommuniziert, die Menschen würden so ein Stück Heimat und Tradition verlieren. Beim Thema Gebietsreform in Thüringen erleben wir Ähnliches. Dabei könnten leistungsfähigere Verwaltungsstrukturen auch dazu führen, dass es ein wenig gerechter im Land zugeht. 

 

Die Landesregierung will 2012 einen ausgeglichen Haushalt erreichen. Wie geht es mit dem Haushalt 2013 und 2014 weiter?  


Die gute konjunkturelle Lage und die damit verbundene positive Steuerschätzung lassen einen Haushaltsansatz ohne Neuverschuldung für 2013/14 realistisch erscheinen. Die Achillessehne ist und bleibt aber die Entwicklung beim Euro. 


Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung in Sachen Eurokrise ein?


Wie sich das entwickeln wird ist noch völlig offen. Momentan steht eine aktivere Rolle der EZB zur Debatte. Die Bundesregierung vertritt dabei eine sehr konservative Auffassung. Bei der Diskussion, unter anderem geführt aus Italien und Frankreich, geht es aber darum, die Spekulation zurückzudrängen. Das Problem muss gelöst werden, weil sich einzelne Euro-Staaten wegen der Spekulation und den steigenden Zinsen nicht mehr refinanzieren können. Das gefährdet die Wirtschaft und die Demokratie, nicht nur in den derzeit betroffenen Ländern. 


Mit dieser Bundesregierung dürfte das aber kaum zu machen sein …


Allerdings ist die Bundesregierung gerade in dieser Frage gespalten. Frau Merkel musste ja schon kleine Zugeständnisse machen und Herr Schäuble warnt vor den Konsequenzen, wenn ein Land aus der Eurozone austritt. Die FDP sieht das ganz anders. Ginge es nach ihr, sollte Griechenland aus dem Euro austreten. Doch damit würden die Spekulationen erst richtig beginnen. In dieser Konstellation, mit der FDP,  wird die Bundesregierung die Eurokrise jedenfalls nicht lösen können. Mit der CSU sieht es nicht viel anders aus.


Zurück zum Länderfinanzausgleich: Als so nicht mehr hinnehmbar empfindet man es in vielen westdeutschen Großstädten, dass man jahrelang für den Osten gezahlt hat und nun die eigene Infrastruktur größtenteils marode ist. 


Im Ruhrpott gibt es zum Beispiel Städte, die mit Milliardenbeträgen verschuldet sind. Insofern muss neben einer gerechteren Einnahmepolitik das System des Länderfinanzausgleiches neu justiert werden. Es muss Anreize geben, dass auch mehr bleibt, wenn man die eigenen Einnahmen erhöht. Wir haben als LINKE deshalb auch die Anhebung der Grunderwerbssteuer von 3,5 auf 5 Prozent mitgetragen. Die FDP hatte deswegen das Ende der Investitionstätigkeit in Thüringen befürchtet. Das Gegenteil ist der Fall. Hatten wir früher aus der Grunderwerbssteuer jährlich 40 Millionen Euro Einnahmen, sind es heute 100 Millionen. Moderate Anhebungen sind legitim und sinnvoll, nützen aber am Ende wenig, wenn sie  über den Länderfinanzausgleich wieder nivelliert werden. So wird es auch sehr schwer, mit diesen Mehreinnahmen Altschulden zu tilgen.


Altschulden hat Thüringen 16 Milliarden. Wie sollen die jemals zurückgezahlt werden?


Ohne eine andere Steuerpolitik wird es nicht gehen.


Dafür gäbe es die Möglichkeit über Bürgerhaushalte Einfluss zu nehmen. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Bürger die gleichen Fehler machen wie vorher die Politiker?


Bei so etwas Neuem, wie dem Bürgerhaushalt, gibt es immer Chancen und Risiken. Die Bürger haben vielleicht die Erwartung und die Möglichkeit, auch gegen einen Bürgermeister etwas durchzusetzen, was dieser politisch verhindern will. Andererseits ist die Sorge vor Schulden und vor der Eurokrise so weit verbreitet, dass man gegenüber so genannten Großprojekten immer kritisch eingestellt ist, auch wenn diese bei genauerer Betrachtung gar nicht so groß sind. Aus beiden unterschiedlichen Sichten und Motiven kann ein aktives Engagement entstehen. Wenn  Politik und Bürger gemeinsam sich nicht mit zu hohen Erwartungen überfordern, können alle durch den Prozess des Bürgerhaushalts gewinnen.


Derweil streiten CDU und SPD hitzig über den Landeshaushalt. Schafft es „Schwarz-Rosa“ überhaupt bis 2014?


Ich denke, dass die Koalition durchhält. Mich wundert aber, was die SPD-Minister sich von der CDU alles gefallen lassen. Bestes Beispiel war die durch den Finanzminister verhängte Bewirtschaftungsreserve. Auch das Verhalten der CDU beim Thema Theaterfinanzierung ist ein Skandal.


Wenn DIE LINKE sich 2014 an einer Landesregierung beteiligt, wie will man angesichts der zu erwartenden Finanzprobleme, mit Widerständen in der Gesellschaft umgehen?


Wenn sich linke Parteien an Regierungen beteiligen, befinden sie sich immer auch im Spagat zwischen eigenen programmatischen Ansprüchen und dem Machbaren. Je weniger zu verteilen ist, umso schwieriger kann das werden. Das macht es für konservative Parteien in der Opposition leicht, Kampagnen gegen derartige Regierungen zu fahren.  Aber nur weil es schwierig ist, ist es nicht ohne Chance. Auf lange Sicht helfen uns nur möglichst realistische Aussagen. Auch wenn man Richtiges tut, sollten wir keinen Beifall erwarten. Beim Thema Haushalt weiß übrigens jeder, was die CDU in Thüringen in 20 Jahren alles angerichtet hat und dass nun deshalb die Spielräume kleiner sind. Aber sie sind vorhanden. Auf jeden Fall sehe ich Chancen: ein Mehr an Transparenz, an Demokratie, an Gerechtigkeit, besseren Möglichkeiten für innovative junge Menschen und Unternehmen und die Chance, Thüringen als einladendes, weltoffenes Land zu präsentieren.


Thomas Holzmann