Der Medienboykott sollte uns erst Recht zum Kämpfen anstacheln

Mit Respekt für die Arbeit des anderen und sachlicher Kritik kann nach Friedrichroda ein gemeinamer Weg gefunden werden, schätzt Kersten Steinke, Spitzenkandidation der Thüringer LINKEN für Bundestagswahl, ein.

Inwiefern werfen die Geschehnisse auf der Vertreter_innenversammlung in Friedrichroda einen Schatten auf den anstehenden Bundestagswahlkampf für DIE LINKE?


Ich denke, dass wir insgesamt eine gute Mannschaft für den Wahlkampf beisammen haben. Eine Schädigung wird in erster Linie über die Presse herbei geredet. Wir sind es aber gewohnt, dass unsere inhaltlichen Themen für die Medien oft keine große Rolle spielen. Was wir in Friedrichroda erlebt haben, war letztlich ein demokratischer Vorgang, aber sich im Nachhinein zu beschweren, es hätte im Vorfeld keine Signale gegeben, halte ich für falsch. Die Verantwortlichen haben die Signale aber offenbar nicht wahrgenommen und es somit versäumt, einen eigentlich normalen demokratischen Vorgang in ein positives Licht zu rücken.


Wie kann DIE LINKE nun wieder ihre Themen und Inhalte in den Vordergrund rücken? 


Die LINKE Bundestagsfraktion hat in den letzten Jahren gezeigt, dass sie sehr erfolgreich Themen besetzen kann. Im Bereich der sozialen Gerechtigkeit haben wir das getan. Das wird durchaus mit uns verbunden, auch wenn die SPD jetzt so tut, als wenn sie das erfunden hätte. Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten ist immer zentrales Anliegen unserer Politik im Bundestag gewesen. Daran müssen wir auch weiter anknüpfen. 


Was allerdings nicht leicht sein wird, weil nicht nur die SPD versucht, der LINKEN diese Themen auszuspannen und die Medien dabei eifrig mitmachen.  


Es heißt ja immer: Wir tragen unsere Themen zu wenig nach außen. Das stimmt so nicht. Wir haben es nur besonders schwer, mit unseren Inhalten in die Medien zu kommen. Dazu gibt es auch Studien, die belegen, dass wir im Vergleich zu anderen Parteien medial viel weniger vor kommen. Deswegen müssen wir als LINKE besonders aktiv sein und vor allem vor Ort, auf der Straße, mit den Menschen, den Vereinen und Verbänden intensiv reden.  Beim Thema Friedenspolitik haben wir die Mehrheit auf unserer Seite. Ebenso beim Thema Demokratisierung, was mir ganz besonders am Herzen liegt.


Inwiefern können Sie beim Thema Demokratisierung von Ihrer Arbeit als Vorsitzende des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag profitieren?


Ich setze mich seit Jahren dafür ein, dass endlich Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene möglich werden. Bis das der Fall ist, haben die Bürgerinnen und Bürger mit Petitionen eine Chance auf demokratische Teilhabe. Jahr für Jahr machen etwa eine Million Menschen davon Gebrauch, entweder indem sie selber eine Petition einreichen oder sich an einer beteiligen. Die Menschen über diese Rechte aufzuklären, gehört seit Jahren zu meinen Aufgaben. Das ist deshalb so wichtig, weil viele Menschen noch gar nicht wissen, dass sie diese Möglichkeit haben. Ich setzte mich außerdem dafür ein, dass das Petitionswesen weiter gestärkt wird. Im Einzelfall können wir auch jetzt schon helfen, aber wenn es um Gesetzesänderungen geht, entscheidet zum Schluss immer noch die Mehrheit im Bundestag.  Deswegen brauchen wir im Petitionsausschuss noch viel mehr Öffentlichkeit, Transparenz und vor allem mediale Aufmerksamkeit.


In der Schweiz sorgt zurzeit ein erfolgreicher Volksentscheid zu Begrenzung von Managergehältern für viel Wirbel. Wäre so etwas in Deutschland mittels einer Petition überhaupt denkbar?


Denkbar ist das schon und Petitionen zur Begrenzung von Managergehältern gab es bereits. Um das  in eine breite Öffentlichkeit zu tragen und es wirklich umzusetzen, braucht es aber eine starke Lobby. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es die in der Schweiz. Außerdem ist die Regierung dort verpflichtet, solche Entscheidungen tatsächlich umzusetzen. Im deutschen Petitionsrecht muss die Regierung aber nicht dem Vorschlag des Petitionsausschusses folgen. Da sagen wir als LINKE ganz klar, das muss sich dringend ändern! 


Sie haben auch einen Abschluss als Agraringenieurin. Können Sie somit im Wahlkampf die aktuellen Skandale um Pferdefleisch, verschimmeltes Futtermittel und falsch deklarierte Bio-Eier für DIE LINKE nutzbar machen?


In der vorletzten Legislaturperiode  (2005 – 2009) war ich auch Mitglied im Landwirtschaftsausschuss des Bundestages. Dabei habe ich viel gelernt, weil die Landwirtschaft im Westen ganz anders organisiert ist als im Osten. Dieses Thema bewegt im ländlich geprägten Thüringen natürlich viele Menschen. Insofern ist das Thema Verbraucherschutz – wobei wiederum die Landwirtschaft und eine gesunde Ernährung eine ganz wichtige Rolle spielen – auch ein wichtiges Wahlkampfthema. Der Kampf um den Erhalt der Agrargenossenschaften wurde in den letzten Jahren gewonnen. Das war ein Erfolg. Um das Thema im Wahlkampf für uns zu nutzen, brauchen wir auch die Unterstützung der Landtagsfraktion, vor allem bei der Aufklärungsarbeit.

 

Wobei auch bei diesem Thema der LINKEN leider nicht viel zugetraut wird, weil solche Kompetenzen immer nur den Grünen zugeschrieben werden …


Auch das hat wieder mit dem Medienboykott gegen uns zu tun. Ralph Lenkert hat mit anderen Bundespolitikern den Plan B für einen sozial-ökologischen Wandel angestoßen, doch damit kommen wir noch nicht so stark in die Öffentlichkeit. Aber deswegen dürfen wir nicht in Depressionen verfallen. Im Gegenteil, dieser Medienboykott sollte uns erst Recht zum Kämpfen anstacheln!


Was wünschen Sie sich jetzt von der Partei für den anstehenden Wahlkampf?


Ich wünsche mir Respekt vor der Arbeit der anderen, Sachlichkeit in der Kritik und einen gemeinsamen Weg. Wir sollten stets gemeinsam und nicht gegeneinander um die beste Lösung streiten. So können wir zusammen einen erfolgreichen Weg gehen. Wir müssen erkennen, dass unsere Ziele die gleichen sind und wenn wir auf unterschiedlichen Wegen dort hingelangen wollen, müssen wir offen darüber reden, wie wir einen gemeinsamen Weg finden können. Nur so kommen wir wieder mit positiven Schlagzeilen in die Öffentlichkeit. Das darf aber nicht bedeuten, dass Fehler einfach unter den Tisch gekehrt werden. Fehler müssen benannt werden, aber immer sachlich und konstruktiv. Es darf nicht darum gehen, den anderen zu verletzen, sondern immer nur um die Sache. Das sollten wir alle verinnerlichen. 

Thomas Holzmann