Das richtige Gesetz zur richtigen Zeit

3.700 neue Lehrer, dreifache Vertretungsreserve, Schulbauinvest-Programm und vieles mehr.

Für Torsten Wolf, bildungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Thüringer Landtag tut Rot-Rot-Grün tut alles, was möglich ist, um bei den zurückgehenden Bevölkerungszahlen Kinder die bestmögliche Bildung zu ermöglichen.

 

Mit der Novelle des Gesetzes hat sich Rot-Rot-Grün viel vorgenommen. Warum kommt dieses Vorhaben erst so kurz vor der Landtagswahl?

 

Ich will es ganz kurz formuliere: Der richtige Mann (Helmut Holter), zur richtigen Zeit, legt ein richtiges Gesetz vor!

 

Die Opposition und einige Kommunalpolitiker schreien trotzdem Zeter und Mordio. Sind die schon im totalen Wahlkampfmodus oder ist das nur die übliche Filterblase?

 

Frau Schweinsburg (Landrätin Greiz, CDU) hat in der Anhörung am 7. Februar zu mir gesagt: „Herr Wolf, wenn es um meine Schulen, um mein Geld geht, dann werde ich bissig.“ Es ist ihre Fehlinterpretation, dass es ihre Schulen sind. Wir haben eine sogenannte doppelte Schulträgerschaft. Die Landkreise und Städte sind zuständig für die bauliche Ausstattung. Das Land unterstützt die Schulbauinvestitionen jedes Jahr mit 75 Millionen Euro. Zu CDU-Zeiten waren es nur 15 Millionen. Das Land ist für die Lehrer*innen und Schul- leiter*innen, die Erzieher*innen in den Horten und die sonderpädagogischen Fachkräfte zuständig. Und natürlich für die entsprechenden Gesetzgebungen, Lehrpläne etc. Um es mal ganz vorsichtig zu sagen, nicht jeder Landkreis hat die Aufgabe, die eigenen Schulen instand zu halten, vorbildlich erfüllt. Zum Beispiel im Saale-Holzland-Kreis gibt es einen riesigen Investitionsstau. Dem begegnen wir mit unserem Schulbauinvest-Programm.

Der andere Bereich sind die Lehrer, die wir heute einstellen können. Die haben ihr Studium 2012/13 angefangen als wir noch keine Verantwortung hatten. Wir haben deutlich mehr Gymnasiallehrer zur Verfügung als wir brauchen, gleichzeitig aber viel zu wenige Regel- und Grundschullehrer, Förderpädagogen und Berufsbildende. Wir haben in Thüringen über 800 staatliche Schulen, überwiegend im ländlichen Raum und überwiegend viel zu klein. Dort gibt es Regelungsbedarf, denn Thüringen ist das einzige Bundesland, das noch keine gesetzlich festgelegten Schul- und Klassengrößen hat. Wenn wir das Gesetz nicht machen, können wir den Fachunterricht – so wie er in der Stundentafel vorgesehen ist – nicht gewährleisten. Wie es anders gehen soll, darauf geben weder Frau Schweinsburg noch Herr Tischner (MdL CDU) oder irgendjemand, der lautstark kritisiert, eine hinreichende Antwort.

 

Warum gibt es so wenige Regelschullehrer und warum können Gymnasiallehrer nicht an einer Regel- schule unterrichten?

 

Die meisten Lehramtsstudierenden kennen nur das Gymnasium und orientieren sich bei ihrer Studienwahl daran. Außerdem werden sie besser bezahlt. Das ändern wir jetzt. Regelschullehrer werden ab 2020 in Thüringen den Gymnasiallehrern gleichgestellt. Bis jetzt sind es zwei unterschiedliche Laufbahnen – vom gehobenen zum höheren Dienst. Auch das schaffen wir jetzt ab. Bis jetzt mussten Gymnasiallehrer, die an einer Regelschule unterrichteten, die Laufbahn wechseln und finanzielle Abstriche hinnehmen.

 

Kritik gibt es nicht nur an den Schul- und Klassengrößen, sondern auch an den vielen Ausnahmen.

 

Selbst Frau Schweinsburg, die Mindestklassengrößen von 15 an Grundschulen vorgeschlagen hat, gibt zu, dass auch damit nicht alle Schulen erhalten werden können. Deswegen gibt es so viele Ausnahmen. Gibt es einen Kooperationspartner in entsprechender Entfernung, hat die Schule die baulichen Voraussetzungen damit mehr Kinder beschult werden können? Manche Schulen im ländlichen Raum sind so klein, dass nur Einzügigkeit möglich ist oder nur 15 Kinder in einen Raum passen. Unser Hauptanliegen ist der Schulstandorterhalt bei bester Absicherung des Unterrichts. Deswegen brauchen wir die Ausnahmen und die Kooperationen.

 

Inwiefern kann das langfristig garantiert werden?

 

Über den 27. Oktober 2019 hinaus schaffen wir Planungssicherheit, sowohl mit dem Schulgesetz als auch mit dem Haushalt 2020. Natürlich gehe ich davon aus, dass diese Verlässlichkeit über die nächste Legislaturperiode gilt, insbesondere weil Rot-Rot-Grün weiterregieren wird. Noch nie gab es so viele Neueinstellungen von Lehrern wie unter Rot-Rot-Grün: insgesamt 3.700! Geplant waren mal 2500. Wir bezahlen die Lehrer besser. Das Schulbauinvest-Programm habe ich schon genannt. Rot-Rot-Grün tut alles, was möglich ist. Bei den zurückgehenden Bevölkerungszahlen ist nichts wichtiger, als dass unsere Kinder die bestmögliche Bildung erhalten.

 

Zu der versprochenen Unterrichtsabsicherung gehört auch der Aufbau einer Vertretungsreserve. Wie gestaltet die sich in der Praxis?

 

Wir haben eine dreifache Vertretungsreserve – über die spricht nur kaum jemand. Es gibt 200 Lehrerstellen, die jeweils immer einer Schule zugeordnet sind, um Unterricht abzusichern. Das ist vor allem die Vertretungsreserve für ältere Lehrkräfte, die z.B. langzeiterkrankt sind. Für junge Lehrkräfte, die gerade eine Familie gründen, hat das Ministerium noch einmal 300 befristete Stellen zur Verfügung, also um Schwangerschaften und Elternzeiten abzusichern. Der dritte Bereich sind 6,5 Millionen Euro pro Jahr, die in den Schulen für Honorarkräfte zur Verfügung stehen. Da kann zum Beispiel ein Ingenieur in Mathematik oder Physik Unterricht anbieten. Bis jetzt geht das nur in außerunterrichtlichen AGen. Diese dreifache Vertretungsreserve hat sonst kein anderes Bundesland. Und dass, obwohl wir den massiven Unterrichtsausfall nicht verantwortet haben. Die CDU hat in der letzten Legislaturperiode versprochen, 2.500 Lehrer einzustellen. Tatsächlich eingestellt haben sie aber nur 1.254. Dadurch fehlt uns eine gesamte Lehrergeneration. Deswegen die Vertretungs- reserve.

 

Eine weitere Baustelle im Bildungsbereich ist das große Thema Inklusion. Aus der Staatskanzlei kam das Signal, hierbei etwas auf die Bremse zu treten. Was heißt das für die Schulen und für die betroffenen Kinder?

 

Der Vorrang für gemeinsamen Unterricht laut Förderschulgesetz besteht bereits seit 2003. Übrigens war es nicht die Staatskanzlei, sondern Prof. Benjamin Hoff als Interimsbildungsminister, der in dem sogenannten Hoff-Ohler-Papier gesagt hat: Vorrang von Qualität vor Quantität. Das erlangt jetzt Gesetzeskraft. Wir stärken den Elternwillen, in dem wir gesetzlich verankern, dass sie – wenn die Voraussetzungen für Inklusion nicht vorhanden sind – das Recht haben, ihre Kinder an einer Förderschule unterrichten zu lassen. Die Inklusionsquote wurde in den letzten 10 Jahren auf knapp 50 Prozent gesteigert. Kein Bundesland hat eine so positive Entwicklung. Auch die Lehrer können darauf stolz sein. Leider gibt es auch Landkreise, bei denen läuft die Inklusion noch nicht rund. Weil nicht alle Schulen die Voraussetzungen haben, nicht alle Kinder bestens gefördert werden können, gehen wir in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vor und mit dem schon beschriebenen Grundsatz Qualität vor Quantität.

 

Wird es im Schulgesetz ein Verbot von Bundeswehr-Werbung an Thüringer Schulen geben?

 

Nicht nur die Kinder, sondern auch Eltern und Lehrkräfte sprechen uns immer wieder darauf an, wie es sein kann, verpflichtet zu werden an einer „Werben für’s Sterben“ Veranstaltung teilzunehmen. Entsprechenden Änderungsbedarf haben wir schon frühzeitig in die Diskussion eingebracht. Die Frage, wer an Schulen welche Veranstaltung machen darf, soll zukünftig die Schulkonferenz entscheiden. Als LINKE werden wir klarstellen, dass alles, was dort läuft, freiwillig sein muss. Niemand darf gezwungen werden. Gerade die Bundeswehr muss den besonderen Bedingungen von Schule unterworfen werden. Die Kriterien des Beutelsbacher Konsens, insbesondere des Überwältigungsverbots, sind zwingend. Mit allem was Militarismus betrifft, habe ich persönlich sowieso immer ein Problem. Aber: Was ein gesetzliches Verbot angeht, muss ich sagen, dass die Bundeswehr als staatliche Institution, an einer anderen staatlichen Institution wie der Schule, nicht per se ausgeschlossen werden kann. Schulen sollen das selbst entscheiden unter dem strikten Prinzip der Freiwilligkeit. Ich bin auf jeden Fall dagegen, dass ein einzelner Schulleiter, der eine gewisse Affinität zu einem Jung-Offizier hat, militärisches Gerät auf den Schulhof stellen lässt, damit wild geworben werden kann. Wir wissen ja wie viele Minderjährige bei der Bundeswehr sind. Schulen sollen sich konkret damit auseinandersetzen, was und wen sie wollen. Das gilt nicht nur für die Bundeswehr. Wenn der Verfassungsschutz an der Schule werben will, dann habe ich damit auch ein Problem.