Das Grundproblem ist die rechte Ideologie

Gegen das nach rechts gerückte Deutschland hilft nicht mehr Überwachung, sondern ein solidarisches Miteinander. Die LINKE Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss sieht Rot-Rot-Grün als Teil dieser solidarischen Bewegung.

Ist der Anschlag von Halle eine neue Qualität rechten Terrors oder  eine logische Konsequenz des Hasses und der Hetze durch AfD und Co.?

 

Die neue Qualität ist die Absicht, Menschen am höchsten jüdischen Feiertag in einer Synagoge nieder zu metzeln. Es gab vorher schon Antisemitismus. Es gab vorher ungeklärte Morde z.B. an einem jüdischen Ehepaar, bei dem die Indizien auf rechte Täter hindeuten. Es gibt antisemitische Äußerungen von der AfD und ihrem Umfeld. Nichtsdestotrotz ist dieses geplante Attentat eine Zuspitzung des Antisemitismus in Deutschland. Das eine ist, dass Neonazis darüber sprechen und das andere ist, dass sie es vollziehen. Dass der Vollzug im Fall Halle gescheitert ist, war pures Glück. 

 

Ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein rechtsextremer Attentäter ein großes Blutbad in einer Synagoge, Moschee oder bei einer antifaschistischen Demo verübt?

 

Leider ja. Zum Glück haben die selbst gebauten Waffen nicht so funktioniert wie er dachte. Zum Glück hat die Tür der Synagoge gehalten und Stephan B. war nicht so vorbereitet, um das, was er geplant hatte zu vollziehen. In seinem Manifest steht, dass er eigentlich ein Antifa-Zentrum oder eine Moschee angreifen wollte. Er hat sich dann entschieden, eine Synagoge anzugreifen, weil die Juden angeblich alles beherrschen. Das drückt exakt das aus, was Neonazis seit Jahrzehnten von sich geben und an verschiedenen Stellen bereits umgesetzt haben. Das trifft Menschen, die muslimischen Glaubens sind, Jüdinnen und Juden, Antifaschistinnen und Antifaschisten. Das ist die Ideologie der Neonazis. Deshalb müssen wir damit rechnen, dass es weitere Versuche geben wird. Dabei geht es nicht nur um Synagogen, es kann auch jüdische Schulen oder Kindergärten treffen.  Dasselbe trifft auch auf Moscheen zu. Bei antifaschistischen Zentren müssen wir überlegen, wie diese geschützt werden können. Polizei davor zu stellen, ist keine Möglichkeit. Aber es gab bereits Fälle, bei denen versucht wurde, linke Treffpunkte zu zerstören. 

Neonazis sagen eindeutig in Reden, Veröffentlichungen, Liedern etc., was sie vorhaben. Der Schritt vom Wort zur Tat ist nicht weit. Auch der NSU hat immer gesagt: „Taten statt Worte“. In der Neonaziszene laufen die Vorbereitungen auf den sogenannten „Tag X“. Sie besorgen sich Waffen und Munition und sie üben wie man damit umgeht. Sie fahren zu Schießtrainings und sie trainieren unerkannt in Schützenvereinen.  Es gibt Neonazis, die warten, dass eine Führungsperson festlegt, wann es losgeht. Es gibt andere wie Stefan B. oder den mutmaßlichen Mörder von Herrn Lübcke, Stephan E., die für sich entscheiden, wann „Tag X“ ist. 

 

Der Verfassungsschutz hat mehrfach sein totales Versagen offenbart. Trotzdem wird reflexartig mehr Überwachung gefordert. Auch die Gaming-Szene soll ins Visier genommen werden. Trifft das wieder vor allem antifaschistische Strukturen?

 

Überwachungsstrukturen sind nie auf eine politische Gruppe begrenzt. Sie richten sich gegen die demokratische Gesellschaft insgesamt. Es geht um Bürgerrechte. Das trifft natürlich auch antifaschistische, alternative oder ökologische Gruppen. Mit zusätzlicher Überwachung wird man solche Täter wie Stephan B. nicht finden. Man wird es nur verhindern können, wenn man die Maßnahmen ergreift, die schon seit Jahren auf der Hand liegen.

 

Welche sind das?

 

Als erstes, mit Verboten den Strukturen Geld und die Möglichkeit der Vernetzung zu entziehen. Bei „Combat 18“ stellt sich für mich ganz klar die Frage, warum sie immer noch nicht verboten wurde. Natürlich wird damit nicht die Ideologie verschwinden. Aber wir wissen, wer diese Leute sind und mit einem Verbot könnten wir auch gegen sie  vorgehen.  Im Nachgang des NSU wurden dem Verfassungsschutz weitreichende Kompetenzen zugestanden. Das hat nichts dazu beigetragen, rechtsextreme Aktivitäten zu verhindern. Deshalb sage ich ganz klar: Die Polizei stärken. Sowohl beim BKA als auch bei den Landeskriminalämtern brauchen wir Einheiten, die sich nur mit Neonazistrukturen  befassen. Dort sollten die Straftaten bearbeitet, aber auch Gefahrenanalysen erstellt werden. Wir wissen seit Jahren, dass Sprengstoff in der Neonazi-Szene kursiert, dass sie sich Waffen besorgen. Um aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen, brauchen wir eine fitte Einheit bei der Polizei, die nur die rechte Szene im Blick hat. Damit erreichen wir viel mehr als mit dem Ausbau des Verfassungsschutzes. Der Polizei geht es im Gegensatz zum Verfassungsschutz darum, Straftaten zu verhindern oder diese aufzuklären. 

 

 

Rechtsextreme Gewalt gab es auch schon in den frühen Neunzigern. Wie hat sich das durch das Internet und  die aktuell stark diskutierte Welt der Online-Computerspiele verändert? 

 

Vernetzung und Kommunikation gehen heute viel schneller als in den Neunzigern, wo man sich zumeist persönlich treffen musste. Natürlich gibt es Neonazis, die Onlinegames spielen und in der Gamer-Szene vertreten sind. Das Problem ist aber nicht die Gamer-Szene, sondern die Neonazis. Was die Szene hinbekommen muss ist  z.B., dass Clans, mit denen zusammen gespielt wird, bestimmte Namen nicht mehr tragen dürfen. „Adolf hatte Recht“ usw. – es gibt unzählige Beispiele und da müssen die Szene und die Betreiber einschreiten. Das Grundproblem ist aber nicht das Internet oder die Computerspiele, sondern die Ideologie der rechten Szene. Neonazis entscheiden sich nicht Neonazis zu werden, weil sie Counterstrike spielen. 

 

Nach Anschlägen wie in Halle gibt es stets große Solidarität. Darf man hoffen, dass gerade jetzt eine neue zivilgesellschaftliche Bewegung von antifaschistischen Gruppen über die Fridays-for-Future-Bewegung bis hin zu den Omas gegen Rechts entsteht?

 

Es ist dringend notwendig, dass die Strukturen, die bereits jetzt zusammenarbeiten weiter gestärkt werden. Bewegungen wie „unteilbar“ zeigen, wie es innerhalb einer demokratischen Gesellschaft laufen kann. Auch wenn man in bestimmten Bereichen mit einer Gruppe oder einer Partei ein Problem hat, kann man trotzdem zusammenstehen – sei es gegen Angriffe von rechts oder staatlicherseits. Wir werden keine andere Möglichkeit haben, diesem nach rechts gerückten Deutschland, etwas entgegenzusetzen als ein solidarisches Miteinander. Das müssen wir definitiv noch ausbauen. Es gibt vielmehr Möglichkeiten, vielmehr Gruppen, die wir mit einbinden sollten, um für eine offene und freie Gesellschaft zu streiten. 

 

Am 27. Oktober ist Landtagswahl in Thüringen. Was unterscheidet eine rot-rot-grüne Regierung für dieses solidarische Miteinander von jeder anderen Konstellation?

 

Das Entscheidende ist, dass sich Rot-Rot-Grün selber als Teil dieser solidarischen Bewegung versteht. D. h. nicht, dass Rot-Rot-Grün alles nur an dieser solidarischen Bewegung ausrichtet. Aber die Abgeordneten, die Minister, Ministerinnen und der Ministerpräsident stehen für eine unteilbare Gesellschaft. Das ist der alles entscheidende Unterschied. Davon leitet sich ganz praktische Politik ab. Dass es in Thüringen ein sehr gut ausgestattetes Landesprogramm gegen rechts gibt, hat etwas mit Rot-Rot-Grün zu tun. Dass es in Thüringen sehr gut ausgestattete Jugendarbeit und Schulsozialarbeit gibt, entzieht in der Konsequenz Neonazis Räume. Das hat etwas mit Rot-Rot-Grün zu tun. Da sind mehrere Millionen in den letzten Jahren zusätzlich hineingeflossen. Dazu gehört auch, dass es einen Krankenschein für Geflüchtete gibt. Das zieht sich an unterschiedlichen Stellen quer durch das komplette Regierungshandeln. Man muss sich bewusst machen: Jede andere Regierung würde sofort anfangen zusammen zu streichen oder zum Beispiel Projekte gegen Linksextremismus zu fördern. Wenn man will, dass es in Deutschland eine offene freie und unteilbare Gesellschaft gibt, dann muss man sich dafür einsetzen, dass Rot-Rot-Grün in Thüringen weiterregieren kann. Dazu brauchen wir auch SPD und Grüne. Aber ich sage ganz klar: je stärker DIE LINKE, desto größer ist die Chance, dass es mit Rot-Rot-Grün weitergeht.                                               

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