Dann war dieser Tag nicht nur Kacke

Egotronic-Sänger Torsun Burkhardt im Interview über den Thüringer Dammbruch, Linksradikale, Antideutsche und ein Lied für Kemmerich.

 

 

Als du gehört hast was in Thüringen am 5. Februar los war, was hast du da als erstes gedacht?

Du meinst wegen den Wahlen? Ich kenne ja Katharina [König-Preuss] und DIE LINKE in Thüringen ist somit einer der wenigen Verbände, die ich wirklich so richtig unterstütze. Ich bin mit Katharina gut befreundet und ich weiß ihre politische Arbeit wirklich extrem zu schätzen und deshalb ist mein Verständnis von der LINKEN hier ein bisschen anders.  Da war die Hoffnung da, dass es reichen würde. Wenn ich hier wohnen würde, würde ich DIE LINKE wählen. Als es klar war, es gibt jetzt drei Wahlgänge, weil irgendwie alle waren sich ja einig, zumindest in Social-Media kam es so rüber, dass sich alle eigentlich sicher sind: Bodo Ramelow wird’s halt dann im 3. Wahlgang so werden. Ich  dachte mir die ganze Zeit: „Warum seid ihr da so sicher?“. Ich traue der FDP sowieso nicht über den Weg, auch normalerweise der SPD und  der CDU nicht. Als dann schon klar war, dass die AfD für den FDP’ler gestimmt hat und im ernst da habe ich gedacht: Das ist jetzt richtig, richtig finster, jetzt zeigen sie auch alle ganz unverblümt ihre Fresse. Ich meine, das muss man sich einmal vorstellen, wie man von einem Wählerauftrag quatschen kann, wenn man eine Fünf-Prozent-Partei ist und damit im Endeffekt dann den Ministerpräsidenten stellt?! Was dann einerseits losging war natürlich ein Shocking, weil die bürgerlichen Parteien, die sich „Mitte“ schimpfen, so einfach keine Probleme hatten mit den Faschos zu paktieren. Andererseits, das will ich jetzt eigentlich viel mehr in den Vordergrund heben, war ich total begeistert wie schnell sich total viel Widerstand sich Thüringen formiert hat. Dass es so ein großes antifaschistisches Bündnis gab, dass überall Leute auf die Straße gegangen sind und bundesweit, ist so ein Moment, bei dem sogar eher wieder Hoffnung aufkommt, dass die Leuten denken: Dagegen muss man auf die Straße gehen! Dann war dieser Tag nicht nur Kacke.

Wenn man sich euer letztes Album anhört, bekommt man inhaltlich mit Blick auf den 5. Februar in Erfurt ein Déja-Vu – zum Beispiel beim Video „Linksradikale“. Das ist von Mathias Matusseks Geburtstagsparty inspiriert ist, als man bereits als Leute aus der „bürgerliche Mitte“ zusammen mit FaschistInnen gefeiert haben  ...

Das war wirklich auch für mich ein tragendes Thema. Das ist ja das erste Mal, dass auf einem Album zwei Texte dasselbe Thema behandeln: Hufeisentheorie und dieses „Links gleich Rechts!“. Also dieser ganze Humbug. Jetzt kriegt man wieder jeden Tag bestätigt, was ich da gesungen habe. Klar passt da der Song, aber es ist natürlich super bitter.

Man merkt zunehmend, dass die „bürgerliche Mitte“ ins straucheln kommt mit der Rechtfertigung der Hufeisentheorie. Ist das nicht ein Fortschritt?

Sollte man meinen, aber ganz im Ernst: Selbst nach den Attacken in Hanau wird immer noch von der „linken Gefahr“ schwadroniert. Oder bei der CDU und FDP, um jetzt wieder auf die Wahl in Thüringen zurückzukommen, sie werden zum Beispiel den Ramelow jetzt nicht unterstützen oder so. Die sind immer noch auf diesem Punkt. Nach wie vor. Da können hier Anschläge und Morde passieren, das interessiert die ‘nen Scheiß, die gehen von dieser Theorie nicht weg. Das ist ja wirklich erschreckend. Als die erste Single herauskam, das war zu der Zeit als [Walther] Lübke erschossen wurde, haben wir zu der Zeit ein antirassistisches Konzert in Norddeutschland gespielt. Dann hat uns die AfD attackiert, was halt normal ist.  Aber dann ist die Junge Union uns auch irgendwie angegangen. Deren Parteikollege ist kurz vorher erschossen worden und auf der Internetseite war nicht ein Statement dazu. Wir spielen dort ein Konzert und dann posten die, dass man gegen Links vorgehen müsste. Dass sie so plump ein bisschen erschreckend.

Ähnliche Reaktionen hatten wir auch in Thüringen nach der MP Kemmerichs. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen sagte, er sei kein Antifaschist. Andere CDU’ler die sagten, sie seien an erster Stelle Antikommunist und dann erst Antifaschist ... 

Die sind zumindest ehrlich. Aber wie man überhaupt den Ramelow irgendwie ‘nen Kommunisten schimpfen kann? Das ist ja absurd! Also naja „schimpfen“… ich würde mich ja wirklich freuen, wenn er einer wäre. Aber das ist ja völlig absurd. Man hat’s doch gesehen. DIE LINKE hat ja jetzt auch eine Legislaturperiode regiert und der Kommunismus, das wäre mir neu, dass der jetzt in Thüringen eingeführt worden.

Im letzten Album wurden ja auch zwei Songs Boris Palmer (Grüne, Bürgermeister von Tübingen) und Horst Seehofer (CSU, Bundesinnnenminster) gewidmet. Wie wäre es mit einem Lied für Kemmerich oder Höcke?

Höcke ist schon ein zu einfaches Ziel. Palmer, den Sarrazin von den Grünen, fand ich ganz gut zu treffen. Ich habe mir da schon wirklich ‘nen Spaß daraus gemacht. Ich singe: Schreib‘ im was nettes, er antwortet schnell. Dann haben wir das Musikvideo zur Platte rausgebracht und es hat original eine Stunde gedauert, bis Boris Palmer im Netz einen großen Text über diese Video und über Egotronic geschrieben hat. Es war so klar und diesen Witz wollten wir halt machen. Der Boris Palmer repräsentiert nun wirklich alles, was ich so verabscheue an den Leuten. Der nimmt sich sogar wahrscheinlich eher noch als links war, ist durch und durch Rassist, ein Ordungsfimmel-Typ, mit Law-and-Order-Selbstjustiz, der sogar Studenten durch die Fußgängerzone verfolgt. Und beim „Bis zur letzten Patrone“-Seehofer hat sich auch angeboten ihn so zu beleidigen. Früher hat Egotronic eher allgemein beleidigt, auf der Platte sind ja auch zum ersten Mal zwei persönliche Beleidigungen. Jetzt Kemmerich, da gäbe es bestimmt ein paar Kollegen, über die man durchaus was machen könnte. Gerade in Thüringen böte sich auch so mancher an.

Egotronic gilt als antideutsch. Wie würdest du es eigentlich definieren, ein Antideutscher zu sein? Was sagst du dazu, dass manche diese Strömung mittlerweile für tot erklären?

Manchmal ist es mir fast ein bisschen unangenehm, wenn ich weiß, was es da mittlerweile für einen Flügel gibt. Es gibt da eine bestimmte Zeitung, ich möchte sie gar nicht mit der Namensnennung adeln und ich denke jeder wird wissen welche ich meine, da werden Positionen vertreten, das ist ja mittlerweile nur noch rassistisch. Die Leute die da schreiben, das sind ja wirklich zum Teil Antifeministen. Feminismus wird  nur hochgehalten, wenn es gegen Migranten geht, wenn es gegen den Islam geht. Wenn es um Muslime geht, wird plötzlich bei denen der Feminismus hochgehalten und in allen anderen Situationen nicht. Damit will ich nichts zu tun haben. Mit solchen Leuten möchte ich nicht in einen Topf geschmissen werden. Dementsprechend sage ich mittlerweile manchmal lieber: „Hey Leute, ich bin Kommunist.“ oder so etwas, aber ich möchte dann mitunter gar nicht mehr Antideutscher genannt werden, auch wenn ich im klassischen und ursprünglichen Sinn ein Antideutscher bin. Manche Punkte die eben durchaus in der antideutschen Geschichte wichtig waren, wie zum Beispiel israelsolidarisch bin ich nach wie vor und auch kompromisslos. Eben ansonsten traditionell wäre ich es noch, aber ich glaube man muss da mittlerweile nach einer anderen Bezeichnung suchen.

Mittlerweile differenzieren sich ja auch schon Anhänger der Strömung in Linksantideutsche und Rechtsantideutsche bzw. bezeichnen sich letztere teilweise lieber als „Ideologiekritiker“.

Das ist mir dann ziemlich auf den Sack gegangen, dass das dann immer monothematisch war und sich das dann plötzlich Ideologiekritik nannte. Ich fand das Ganze dann einfach sehr obskur, da bin ich ein bisschen raus. Wenn du mich da in der Ecke labeln wolltest, dann bin ich eben halt der klassische Linksantideutsche.

 

Leon Walter