Autokonzerne müssen zahlen

„Wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden, könnte man den ÖPNV kostenlos machen und die Autokonzerne die Tickets bezahlen lassen“, findet der LINKE Bundestagsabgeordnete aus Jena, Ralph Lenkert. Solche Maßnahmen seien angesichts des Ausmaßes des Betrugs mehr als angebracht und die Fahrverbote wären damit auch vom Tisch.  

Seit einer gefühlten Ewigkeit wird über den Dieselskandal diskutiert. Warum wird die Autoindustrie nicht in die Pflicht genommen? 

 

Gegenfrage: Aus welchem Bundesland kommt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer? Aus Bayern! Dort hat BMW seinen Hauptsitz und Audi die wichtige Zentrale. Den Autokonzernen will Scheuer nicht wehtun, weil sie viele Steuern bringen. Auch die persönlichen Verquickungen sind viel zu stark.  

 

Könnte es sein, dass es um ein gigantisches Konjunkturprogramm für die Autoindustrie geht, indem man die Diesel eins zu eins durch Elektroautos ersetzen will?  

 

Durchaus und was mich so ärgert ist die Tatsache, dass die deutschen Autohersteller in den USA in der Lage sind, deutlich bessere Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Der Euro-6-Diesel darf 80 g Stickoxid pro Kilometer ausstoßen. In den USA schaffen es die deutschen Hersteller auf 43 g zu kommen. Sie können es! 

 

Warum geht das nicht in Europa?

  

Weil sie es nicht müssen! Es ist nur eine Frage der Gewinnmaximierung. Die Grenzwerte einzuhalten, kostet ein bisschen Geld, wofür sie aber beim Kunden nicht mehr verlangen können.  So würde die Gewinnmarge pro verkauftem Fahrzeug sinken. Deshalb versuchen sie alles, damit sie um diesen Grenzwert herumkommen. In den USA sind Grenzwerte deutlich strenger, werden aber seltsamerweise von den deutschen Autokonzernen eingehalten. Die Kosten für die Nachrüstung kann man den deutschen Autobauern durchaus zumuten. Sie haben in den Jahren 2016/17 insgesamt 55 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Da sind 10 Milliarden für das Nachrüsten der PKW nicht zu viel verlangt. Das Problem der Fahrverbote wäre damit schlagartig vom Tisch.  

 

Bei der Debatte um Grenzwerte und Fahrverbote gibt es viel Polemik. Wie gefährlich sind die Schadstoffe aus den Dieselmotoren wirklich?  

 

Es ist wie bei jedem Schadstoff: Er verkürzt das Leben. Ein Raucher lebt im Durchschnitt zehn Jahre kürzer. Bei den Stickoxiden (NOx) weiß man, dass pro 20 µg mehr in der Umwelt, sich die Lebenszeit um etwa ein Jahr verkürzt. Das ist aber ähnlich wie bei der Krankheit AIDS. Man stirbt nicht direkt daran, sondern an einer Lungenentzündung, einer Grippe, an einem defekten Immunsystem. So ist das auch bei den Stickoxiden. Sie schwächen das Immunsystem und führen zu anderen Krankheiten. Professor Dieter Köhler (Arzt, der medial lautstark Gesundheitsgefahren durch NOx bestreitet)  ist bekannt dafür, dass er verharmlost. Er hat nicht eine wissenschaftlich anerkannte Studie zu den Wirkungen von NOx veröffentlicht. Übrigens sollte man die NOx-Werte immer in Verbindung mit dem Feinstaub sehen. Beides zusammengerechnet haben wir sogar ein noch viel größeres Problem für die Gesundheit.   

 

Im Zuge der Debatte um Fahrverbote gab es kurz nach der Bundestagswahl den Vorschlag, kostenlosen ÖPNV zu testen. Was ist aus dieser Idee, welche DIE LINKE schon länger propagiert, geworden? 

 

Leider nicht sehr viel. Das wurde einmal als Sau durchs Dorf getrieben, um Fahrverbote zu umgehen. Ich sage ganz klar: Die Dieselfahrer sind nicht schuld, denn sie wurden beim Autokauf betrogen. Ob es denn immer für die Stadt ein SUV-Diesel sein muss, ist allerdings noch mal eine andere Frage. Klar ist, die Autokonzerne haben betrogen und dafür müssen sie zahlen. Und sie müssen sicherstellen, dass die Luft in den Städten sauber wird. So könnten wir auf Fahrverbote verzichten. Wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden, könnte man durchaus den ÖPNV kostenlos machen und die Autokonzerne die Tickets bezahlen lassen. Solche Maßnahmen sind angesichts des Ausmaßes des Betrugs mehr als angebracht und die Fahrverbote wären damit auch vom Tisch.  

Was mir in der ganzen Debatte immer zu kurz kommt, sind die Menschen, die krank sind. Für Menschen mit Asthma ist sehr wohl ein Problem, wenn der NOx-Grenzwert überschritten wird. Auch davon, dass Kinder 20 Prozent mehr Bronchitis haben, redet kaum jemand. Das wird hingenommen. Da lautet die Ausrede, es könnte vielleicht auch andere Gründe geben.  

 

Solche Ausreden kennt man auch von der Debatte um die Einführung eines Tempolimits. Da heißt es oft, es würde weder für die Umwelt noch für die Verkehrssicherheit etwas bringen.  

 

Alles bringt nicht viel und deswegen machen wir am liebsten gar nichts, das ist die Methode des Verdrängens. Sollen wir den Klimawandel einfach so hinnehmen? Ich bin der Meinung, wir müssen dagegen ankämpfen, auch mit einem Tempolimit. Das wäre das Einfachste und am wenigsten komforteinschränkende Mittel, um unseren Energieverbrauch etwas zu reduzieren. Bis zu 200 Todesopfer pro Jahr sind nur durch extreme Geschwindigkeit auf freien Autobahnen zu verzeichnen. Allein das wäre der Grund, ein Tempolimit einzuführen. Es gibt übrigens auch noch einen anderen Effekt: Dann lohnt es sich viel weniger, einen 300-PS-Wagen zu kaufen.

  

Noch effektiver für den Klimaschutz wäre ein schnellstmöglicher Kohleausstieg. Der wurde jetzt für 2038 beschlossen. Doch wie sicher ist, dass es dabei bleibt?

 

Rechtlich ist es nicht sicher, denn es wurde im Bundestag noch nichts beschlossen. Es ist erst mal nur eine Empfehlung der Kohlekommission. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir bis 2038 keine Kohle mehr verbrennen werden. Das Klima wird es uns entsprechend gelehrt haben.  

 

Weil es zur totalen Klimakatastrophe kommt? 

 

Ja, zum Beispiel durch Hitze-Sommer oder Kälte-Winter wie wir sie bisher noch nie erlebt haben. Die Kosten für den Wiederaufbau nach Überschwemmungen, Dürren oder Stürmen werden auf jeden Fall exorbitant steigen. Ja, an der Braunkohle hängen mit der Zulieferindustrie in Deutschland etwa 60.000 Arbeitsplätze. Aber mal zum Vergleich: An der Windkraftenergie hängen 180.000 Arbeitsplätze, darunter auch viele in Thüringen. 

 

40 Prozent betrug der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix in Deutschland im letzten Jahr. Zeigt das nicht, dass die Energiewende funktioniert und wir dafür auch die Monsterstromtrassen nicht brauchen?  

 

Darauf können wir in der Tat verzichten. Ich höre immer wieder als Gegenargument: Wir hätten keine Speicher. Das ist eine Lüge! Das Erdgasnetz ist jetzt bereits in der Lage die Energiemenge für ein Vierteljahr zu speichern. Es müsste dazu nur Gas- und Stromnetz verknüpft werden. Power to Gas, also Strom zu Gas zu machen ist natürlich nicht optimal. Wir haben aber eine Unmenge an Biogasanlagen, die konstant Gas erzeugen. Es wäre klug, dieses Gas ins Gasnetz einzuspeisen. Dann wäre es für eine Zeit, in der die Sonne nicht scheint und der Wind nicht  weht, verfügbar. Gaskraftwerke, am besten in kommunaler Hand, könnten dann die Energieversorgung lokal sicherstellen. Doch stattdessen werden zum Beispiel in Bayern gerade die modernsten Gaskraftwerke Europas stillgelegt, um die Stromtrassen bauen zu können. Ich frage mich immer: Welchen Strom sollen die Trassen leiten, wenn im Winter kaum Sonne scheint und auch längere Zeit kein Wind weht. Dann brauchen wir doch wieder Speicher.   

 

Neben der Klimakatastrophe werden die Massen an Plastikmüll zu einem immer größeren Problem.

 

 Es geht nicht nur um Plastik, sondern um alle Ressourcen, die verschwendet werden. Deswegen brauchen wir auch eine generell längere Haltbarkeit von Produkten. Mein Lieblingsbeispiel ist die Ikea Nachttischlampe, die nach zwei Jahren und ein paar Tagen kaputtgeht und so gebaut ist, dass sie nicht repariert werden kann. So etwas muss verboten sein. Mir erschließt sich auch nicht, warum inzwischen jede Gurke oder jeder Bleistift in Plastik eingeschweißt sein muss. Online werden Produkte bestellt von der Größe eines Briefumschlages, die in der Verpackung eines Staubsaugers geliefert werden. DIE LINKE schlägt deshalb eine Ressourcenverbrauchssteuer vor. Das Phänomen mit den Verpackungen ist rein betriebswirtschaftlich begründet. Das heißt, ein großer Standardkarton ist billiger als unterschiedliche Größen vorrätig zu haben. Wenn es sinnvolle Alternativen gibt, dann hilft es auch, bestimmte Produkte zu verbieten. Leider wird das Verbot der Plastiktüte in Europa nur halbherzig umgesetzt. Auch zahlreiche Einweggetränkeverpackungen landen immer noch in der Natur. Mit dem Ausbau des Mehrwegsystems auf sämtliche Getränkeverpackungen könnte man dem einen Riegel vorschieben.   

 

Klimaschutz oder Plastikmüll sind Themen, die immer mehr junge Menschen bei den „Fridays for Future“ auf die Straße treiben. Darf man leise hoffen, dass daraus eine ganz neue und einflussreiche Umweltbewegung entstehen könnte?  

 

Das hoffe ich und vor allen Dingen wünsche ich mir, dass diese jungen Menschen nicht so schnell aufgeben. Mir fällt auf, dass sich unsere 15- und 16-Jährigen mehr Gedanken über die Zukunft machen als ihre Eltern. Die Eltern jammern wegen Fahrverboten, die Kinder werden aktiv fürs Klima. Die Kinder erkennen, dass der Trott, das Hamsterrad in dem ihre Eltern gefangen sind, ihnen Zukunftschancen raubt. Deswegen nehmen sie das jetzt selbst in die Hand, und ich hoffe, sie halten durch!                                                

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