Wiederentdeckung des politischen 1. Mai durch die Pößnecker Jugend

Vor allem junge Menschen finden die 1.Mai-Veranstaltungen eher dröge und bleiben deshalb am Tag der Arbeit eher zu Hause. Nicht so in Pößneck, wo vor allem junge Menschen den politischen 1. Mai wiederbelebt haben.

Im Jahre 2012 n. Chr. wird ganz Deutschland vom Neoliberalismus regiert. Ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Revoluzzern bevölkerte Kleinstadt hört nicht auf, dem menschenverachtenden Zeitgeist Widerstand zu leisten ...

2009 hatten diese gewagt, den politischen 1. Mai mit Kundgebungen und Demonstration im thüringischen Pößneck neuzubeleben. Trotz diverser Um- bzw. Widerstände gelang es, in der traditionellen Industrie- und Arbeiterstadt ein ganztägiges Angebot zu schaffen, welches allerdings nur 35 Leute wahrnahmen. Lächerlich sei es gewesen, meinten die einen, mutig ist so etwas, dachten die anderen. Am Ende war es immerhin der Grundstock für alle weiteren sozialen Proteste im Provinzstädtchen.

 Ein Jahr später folgten bereits zweimal so viele Menschen dem Aufruf. Kurz darauf fand in Pößneck die erste Krisendemo Thüringens unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ mit 120 Teilnehmern statt. Vom Sparkurs betroffene Rentner, Schüler und Studenten sowie Hartz-IV-Bezieher reihten sich ebenso ein, wie Gewerkschafter und Linke unterschiedlichster Organisationen.

Von Beginn an gab es ein solidarisches Miteinander vom DGB über DIE LINKE bis zur DKP. Gestützt wird das Bündnis auch von Freidenkern, der Initiative für soziale Gerechtigkeit Gera und ganz stark durch die linke Landtagsabgeordnete Heidrun Sedlacik.

Im Kern des Ganzen steht die Gruppe re[d]solution. Diese existiert seit 2007 und wird mindestens ebenso geschätzt wie gehasst. „Seit re[d]solution aktiv ist ...“ so ein Bürger der Stadt, „...fühlt sich Pößneck besser an!“ Und tatsächlich hat re[d]solution zu vielen Themen nicht nur eine Meinung, sondern auch die passenden Aktionen auf Lager. Ob es um den 1. Mai geht, um alternative Freiräume, um Anti-Atom-Protest, den Bildungsstreik, die Occupy Bewegung, Friedensaktionen und vieles mehr. Mit kreativem Straßentheater, Mahnwachen oder Unterschriftensammlungen ist die Gruppe ständig in der Öffentlichkeit präsent. Zwei bis drei Bildungsveranstaltungen aber auch mindestens ein kulturelles Angebot pro Jahr, runden die Aktivitäten ab. So positionierte sich re[d]solution mit einer Diskussionsveranstaltung zur Regierungsbeteiligung kritisch gegenüber eben dieser; ging der Frage nach, wie sozialistisch die DDR eigentlich gewesen war oder greift immer wieder die Debatte zum Nahostkonflikt auf. 

Der 1. Mai ist weiter gewachsen. 2011 beteiligte sich die lokale SPD aktiv an der Demonstration und der Bürgermeister der Stadt richtete ein Grußwort an die Versammlung. Für 2012 kündigten nun auch die Grünen ihre Beteiligung an.

Unterdessen machten sich aber auch Befürchtungen breit, dass der 1. Mai in Pößneck zunehmend den Charakter der üblichen Feiern des DGB annehmen könnte. Deshalb wurde durch linke Akteure das „Alternative 1. Mai- Komitee“ für einen revolutionären 1. Mai in Pößneck ins Leben gerufen. Nicht etwa als Konkurrenz, vielmehr als Ergänzung zum DGB. Mit dem Fokus auf eine an örtliche Bedingungen orientierte und langfristige Mobilisierung sowie einen antikapitalistischen Block in der Demo. 

Dies ist es auch, was Pößneck von den umliegenden Städten Saalfeld oder Jena unterscheidet. Vielleicht ein Anreiz für Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen am 1. Mai nach Pößneck zu kommen. 

Zusätzlichen Anreiz bietet das Rahmenprogramm. 

Bereits am 28. April wird es in der Stadtbibliothek Bilke ab 14:00 Uhr eine Diskussion mit dem Berliner Historiker Ralf Hoffrogge zum 1. Mai geben. Dabei wird den historischen Hintergründen des Tages sowie der Geschichte der Arbeiterbewegung nachgegangen und die Bedeutung des 1. Mai als Tag der Arbeiter in unserer Zeit erarbeitet werden. 

Am 30. April gibt es im Pößneck Alternativen Freiraum (PAF) die Warm -Up-Party. Die „Kapelle Vorwärts“ aus Bielefeld interpretiert alte Arbeiterkampflieder im Punk-Rock-Stil. Außerdem werden lokale Bands wie „SOK Mafia“ und „Intellektueller Dünnschiss“ spielen. Das PAF bietet auch einige einfache Schlafplätze für Gäste von außerhalb an. 

Am 1. Mai selbst gibt es um 9:30 Uhr das inzwischen traditionelle Open-Air-Frühstück bei Gute-Laune-Musik am Textilarbeiterdenkmal. Ein solidarisches Buffett soll für den Tag stärken. Jeder darf geben und nehmen. 

Um 10:00 Uhr am gleichen Ort, eröffnet der DGB die Pößnecker Kundgebung. Anschließend führt die Demonstration zum Marktplatz und endet schließlich im Park am Schützenhaus mit re[d]solution-Rednern. 

Ein Familiennachmittag lädt dann in jenen Park zu Spiel und Spaß für die ganze Familie ein. Gewerkschaften und Parteien bieten Informationen. Für Verpflegung ist gesorgt. Zeitgleich öffnet das PAF seine Pforten zur After Work Party mit Chillen, Grillen und Informationen zum Freiraum Projekt.

Alle wichtigen Informationen gibt es unter: erstermaiinpoessneck.jimdo.com


Marco Görlach