Um Nazi-Events zu verhindern, bedarf es mehr aktiver Unterstützung

Unter dem Motto „Ab in die Provinz – den Eichsfelder Heimattag verhindern“ mobilisierte die Linksjugend ['solid] zu einer eigenen Demonstration gegen den Eichsfeldtag der NPD in Leinefelde. Über 150 zumeist junge Menschen folgten diesem Aufruf und zogen mit Transparenten und Fahnen vom Bahnhof in Richtung Veranstaltungsgelände der NPD. Die Kleinstadt Leinefelde glich einem Krisengebiet. Zahlreiche Polizeifahrzeuge und behelmte Polizeikräfte sowie die unweit abgestellten Wasserwerfer zeigten deutlich, welche Erwartungen die zuständigen Ordnungsbehörden gegenüber unserer Demo hatten. Die übertriebene Polizeipräsenz am Bahnhofsvorplatz schreckte sicher manch Eichsfelder Bürger und Bürgerin ab. Somit ging die erste taktische Überlegung der Polizei auf, indem sie eine visuelle Kriminalisierung des uns zustehenden Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit erreichte. Dennoch war der Platz fast schlagartig mit vielen, zumeist jungen Menschen, gefüllt. 

Pünktlich 14:00 Uhr wurden die Auflagen verlesen und unter leichtem Regen setzte sich die Demonstration in Bewegung. Entlang der gesamten Aufzugsroute tauchten immer wieder Neonazis auf, welche provozierten oder versuchten, Teilnehmer unserer Demonstration zu fotografieren. Der öffentlich gezeigte „Hitlergruß“ von einem Fenster aus stellte dabei den traurigen Höhepunkt der Selbstsicherheit der Neonazis dar. Die Polizei hingegen gab an, nichts gesehen zu haben. Ob es ein Verfahren gegen diesen Nazi geben wird, ist bislang unklar. Aber nicht nur die Neonazis versuchten zu provozieren. Die sächsischen Einsatzkräfte, welche uns am Sportplatz empfangen haben, setzten sich durch den bindenden Erlass des Thüringer Innenministeriums (1) hinweg und trugen Sturmhauben, um über ein martialisches Auftreten die Emotionen aufzuheizen. Auch das ständige illegale Filmen der Demonstration schien eine bewusste Taktik der Polizei zu sein, um Empörung hervorzurufen.

Weil immer mehr Neonazis in der Stadt unterwegs waren und um unseren Teilnehmern einen sicheren Weg durch Leinefelde zu ermöglichen, wurde am Ohne-Sportplatz eine Spontandemonstration zurück zum Bahnhof angemeldet. Auch diese verlief ohne erwähnenswerte Probleme. Am Bahnhof hielten es die Polizeikräfte für nötig, einzelne Personen aufgrund belangloser Vorwürfe aus der Demonstration zu greifen. Erneut wurde dieses Verhalten der Polizei als Provokation wahrgenommen. Wir interpretieren diese Aktionen als eine bewusste Gefährdung des friedlichen Demonstrationsablaufs. Scheinbar wollte die Polizei auf den letzten Metern eine Eskalation herbeirufen, um somit den überzogenen Einsatz von über 2.000 Beamten zu rechtfertigen. Glücklicherweise sind unsere Teilnehmer auf diese Provokation nicht eingegangen, und das Bild des „bösen schwarzen Blockes“ wurde nicht bedient!

Schwerpunkt der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem NPD-Fest und den Leinefelder Zuständen war der Heimatbegriff. Angestoßen durch eine Erklärung des Eichsfelder Landrates, Dr. Werner Henning, wurde ein intensiver Diskurs rund um diesen Begriff und dessen Interpretationen geführt. Kritik an der unpolitischen Betrachtung, welche Henning an den Tag legte sowie Meinungsäußerungen zu seinen Bedenken an der Legitimität von aktiven Protesten, fanden sich in den Redebeiträgen wieder. Weiterhin wurde auf kommende Anti-Nazi-Proteste in Thüringen hingewiesen.

Auch wir sind uns sicher, dass Thorsten Heise nicht das letzte NPD-Fest in Leinefelde angemeldet haben wird. Doch um eine Etablierung solcher Rechtrockevents im Eichsfeld zu verhindern, bedarf es mehr aktiver Unterstützung aus der Bevölkerung!

René Kotzanek


(1) Quelle: Haskala//Katharina König (MdL, DIE LINKE). Im nun eingegangenen Schreiben äußert Herr Staatssekretär Geibert: „Die Beschaffung sowie das Tragen von Sturmhauben (…) ausschließlich den Einsatzkräften des Spezialeinsatzkommandos (SEK) sowie des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) (…)“ zusteht und „(…) sowohl die Beschaffung als auch das Tragen von Sturmhauben für alle anderen PVB [Polizeivollzugsbeamten] (…) nicht vorgesehen und somit auch nicht gestattet (…)“ ist.