Fake News beim Bürgergeld

Wie mit übelsten Lügen das Solidaritätsgefühl unserer Gesellschaft kaputt gemacht wird.

 

Hartnäckig wird die infame Lüge verbreitet, es würde sich dank der Bürgergeld-Erhöhung zum Jahresbeginn für Mindest- und Niedriglohnbeziehende nicht mehr lohnen, arbeiten zu gehen. Richtig ist aber: Arbeit bringt IMMER mehr ein. Das bestätigen nicht nur aktuelle Beispielrechnungen vom DGB! Nach der anstehenden Bürgergeld-Erhöhung sind die Haushaltseinkommen von Erwerbstätigen mit Mindestlohn (auch, wenn der dringend erhöht werden muss) immer noch deutlich höher als das Bürgergeld. Auch, weil Geringverdienende Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag und auch einen größeren Freibetrag bei ihrem Erwerbseinkommen haben. Die Absicht hinter dieser Legendenbildung ist so altbekannt wie spalterisch: Statt die Einkommen und berechtigten Forderungen nach besserer Bezahlung, insbesondere in Berufen mit niedrigen Einkommen zu thematisieren, wird versucht, Menschen mit niedrigen Einkommen gegen Beziehende von Bürgergeld auszuspielen. Olle Kamellen von der sozialen Hängematte werden bedient und Menschen mit niedrigem Einkommen wird der Arbeits- und Berufswille und vor allem Engagement und Leistungsbereitschaft abgesprochen. Dass u.a. von Anfang an Sanktionen gegen Arbeitslose verhängt werden, wenn sie ihre Mitwirkungspflichten verletzen, wird verschwiegen.

 

Lüge 1: Wer arbeiten kann, aber nicht will, wird durch das Bürgergeld von der Allgemeinheit finanziert.

Wer Bürgergeld beantragt, muss nach wie vor jeden Job, der von der Arbeitsagentur angeboten wird, auch annehmen. Das Gleiche gilt für Kurse, Bewerbungstrainings usw. Wer sich verweigert wird sanktioniert. Das heißt, die Leistungen (ab 1.1.24, 563 Euro im Monat) werden unter das Existenzminium gekürzt. Besonders schäbig: Es sind pro Jahr nur 3 Prozent, die überhaupt sanktioniert werden und die meisten davon haben nur einen Termin verschusselt oder standen bei einem Anruf gerade unter der Dusche.

 

Lüge 2: In anderen EU-Ländern arbeiten 60 Prozent der ukrainischen Geflüchteten. in Deutschland nur 19 Prozent. Das ist Sozialtourismus.

80 Prozent der aus der Ukraine geflohen sind Frauen, größtenteils mit Kindern. Wenn die arbeiten sollen, brauchen sie zuerst mal Betreuungsplätze für ihre Kinder. Die sind aber so gut wie nicht vorhanden. Außerdem beenden bald rund 200.000 Ukrainer*innen ihre Sprachkurse, was die Beschäftigungsquote deutlich erhöhen dürfte.

 

Lüge 3: Wer gesund ist und trotzdem dauerhaft Bürgergeld bezieht, ist doch nur zu faul zum Arbeiten!

Fast eine Millionen gehen arbeiten und müssen den Hungerlohn mit Hartz IV aufstocken. Hunderttausende sind in Ausbildung. Besonders eklig bei dieser Lüge: viele, die Angehörige pflegen, sind auf das Bürgergeld angewiesen. So wird das Solidaritätsgefühl durch Falschinformationen regelrecht kaputt gemacht.

 

Lüge 4: Wer arbeitet, hat doch am Ende weniger als beim Bürgergeld, weil Miete, Strom und Wasser auch vom Amt bezahlt werden.

Wer arbeitet hat immer mehr in der Tasche! So war schon Hartz IV mit seinen Freibeträgen gestrickt. Das jemand der Arbeit verweigert mehr hat, ist rechtlich ausgeschlossen. Für Auszubildende, Schüler*innen und Studierende, die Bürgergeld beziehen, gelten sogar höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung oder den Nebenjob. Dadurch hat man mit Arbeit immer mehr Geld als ohne. Wer plötzlich seinen Job verliert, bekommt lediglich eine Jahr lang die Miete bezahlt. Danach steht aber die Prüfung der „Angemessenheit der Kosten der Unterkunft“ an. Strom, Gas, Internet werden nie vom Amt übernommen. Diese Kosten sind in Regelleistungen des Bürgergeldes enthalten: siehe Grafik oben.

Lüge 5: Das Bürgergeld ist doch nichts anderes als ein Bedingungsloses Grundeinkommen!

Sozialleistungen sind in Deutschland immer an die Bedingung geknüpft, dass Menschen sich nicht selber helfen können. Ein echtes Bedingungsloses Grundeinkommen wird auch an Neugeborene und Millionäre ausgezahlt und würde sowieso nur weltweit funktionieren.

 

 

Von Hartz IV zum Bürgergeld

 

 

14. März 2003

Bundeskanzler Schröder präsentiert die „Agenda 2010“. Dazu gehören Flexibilisierungen beim Kündigungsschutz, Einschnitte beim Arbeitslosengeld und die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. 17. Oktober 2003 Rot-Grün verabschiedet das Gesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (Hartz IV).

1. Januar 2005

Hartz IV tritt in Kraft. Erwerbsfähige Langzeitarbeitslose erhalten anstelle von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe das Arbeitslosengeld II.

9. Februar 2010

Das Bundesverfassungsgericht rügt die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene und Kinder als verfassungswidrig. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2010 eine Neuregelung zu treffen. 26. September 2010 Die schwarz-gelbe Koalition beschließt, dass die Sätze von 359 auf 364 Euro monatlich steigen. Die Sätze für Kinder bleiben unverändert.

5. November 2019

Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Sanktionierung von Regelleistungen bis zu 100 Prozent für verfassungswidrig, aber nicht für unter 25-Jährige. Kürzungen bis zu 30 Prozent gibt es weiter.

1. Januar 2023

Die im Sozialgesetzbuch II geregelte Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslogeld II bzw. Hartz IV) wird in „Bürgergeld“ umbenannt. Bis zum 30. Juni 2023 konnte von den Behörden noch die bisherigen Begriffe verwendet werden.