Döner oder Bratwurst - Hauptsache bezahlbar

Konservative versuchen die EU nach rechts zu verschieben. Martin Schirdewan, Spitzenkandidat der Linken zur Europawahl, hält dem seine niemals erlöschende Vision von einem solidarischen Europa entgegen. Das geht nur mit Links.

 

Du bist gerade wieder viel in Thüringen unterwegs. Was war in den vergangenen fünf Jahren dein schönstes Erlebnis in Thüringen?

 

Ich bin viel im Land unterwegs und freue mich immer sehr, auf die Gespräche mit den Menschen vor Ort. Ich genieße den Austausch, denn ich will ja wissen, was sie bewegt und ihre Lebensverhältnisse verbessern. Das war in den vergangenen Jahren bei den von meinem Team organisierten Nachbarschaftstreffen in Stadtroda, Apolda, Gera oder Sömmerda, wo wir uns mit Bierbänken, Bratwurst und guter Laune mit den Anwohnerinnen und Anwohnern zusammensitzen. Oder im Restaurant der Herzen in Bad Salzungen. Oder zuletzt beim Skatturnier im Altenburger Land mit der Freiwilligen Feuerwehr. Es ist mir wichtig das Ehrenamt, Vereine oder Initiativen in Thüringen zu unterstützen. Deshalb spende ich seit über einem Jahr meine Diätenerhöhung an solche Projekte

 

Nah am Menschen ist auch eine Dönerpreisbremse. Diese linke Forderung hat sich schnell in ganz Europa verbreitet, kostet aber Milliarden, wie ernsthaft ist die Forderung?

 

Es geht erst einmal um ganz konkrete Probleme, mit denen die Menschen im Alltag konfrontiert sind. Die Lebensmittelpreise sind im Schnitt um über 32 Prozent gestiegen in den vergangenen drei Jahren. Die Löhne im gleichen Zeitraum nur um 5 Prozent. Das führt ja ganz logisch zu Schwierigkeiten am Ende des Monats, alles zahlen zu können. Dinge, die für einige eine erfreuliche Ausnahme waren, werden so zu unbezahlbarem Luxus. Da passt der Döner als Beispiel. Wir wollen nicht Milliarden in die Produktion von Dönerfleisch stecken, aber wir brauchen die Überschrift, damit sich in Deutschland wieder Menschen trauen, diese Missstände zu benennen. Ich möchte, dass die Leute wieder im Supermarkt einkaufen und ja sich auch mal einen Döner oder eine Rostbratwurst leisten können.

 

Du bist ja auch viel im Wahlkampf unterwegs. Wie gehst du im Wahlkampf mit Pöbeleien und Schlimmerem um?

 

Ich nehme eine Verrohung der Verhältnisse wahr. Als Linker werden meine Büros seit Gründung in Weimar, vorher in Gera von rechten beschmiert. Zurzeit müssen wir täglich Anzeigen stellen. Demokratinnen und Demokraten vieler Parteien überlegen sich gerade dreimal, zu wie vielen oder ob sie überhaupt plakatieren gehen sollen. Das kann doch nicht wahr sein. Die Innenministerien in den Ländern sind gefordert. Wenn die Einschüchterung und persönliche Angriffe wie vor hundert Jahren zum Alltag gehören, müssen alle Demokraten zeigen, dass sie aus der Geschichte gelernt haben und zusammenstehen. Wir wollen ein Zeichen setzen: Ihr könnt uns nicht einschüchtern.

 

Schauen wir mal nach Brüssel. Da tut sich gerade viel in der rechten Ecke?

 

Jüngst hat die Front National von Marie Le Pens mitgeteilt, dass sie nicht mehr mit der AfD zusammen in einer Fraktion arbeiten wird. Es scheint, dass die faschistischen Ausfälle der AfD selbst ihren rechten Schwesterparteien in ganz Europa Angst machen.

 

Wie wird die Fraktion der Linken künftig aussehen?

 

Wir hoffen, dass wir größer werden. Im Vergleich zu dieser Wahlperiode werden wir deutlich mehr Abgeordnete aus den nördlichen Ländern stellen. Auch in einigen osteuropäischen Ländern ist Bewegung drin und besonders freut mich, dass wir, Stand jetzt, auch wieder Genossinnen und Genossen aus Italien in meiner Fraktion begrüßen können.

 

 

Konntet ihr denn noch konkrete Verbesserungen für die Menschen in den letzten Monaten vor der Wahl erreichen?

 

Da sind sogar einige zu nennen. Wir haben mit der sogenannten Plattformdirektive für Verbesserungen für Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter gesorgt, die künftig nicht mehr scheinselbstständig sind und leichter Betriebsräte gründen können. Das trifft vor allem auf Mitarbeiterinnen im Post- oder Taxigewerbe oder in Städten auch bei Essenslieferanten zu. Das Gesetz wurde spannender Weise von der deutschen Bundesregierung versucht, zu verhindern. Selbst bei der Schlussabstimmung hat sich Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD enthalten. Darüber hinaus konnten wir erreichen, dass künftig Asbest aus jedem öffentlichen Gebäude entfernt werden muss – in der ganzen EU. Es sterben jährlich 80.000 BauarbeiterInnen an den Folgen von Asbest. Beide Gesetze wurden von unserer Fraktion angestoßen und gemeinsam mit den Gewerkschaften umgesetzt. Das ist ein außerordentlicher Erfolg. Auch mit der Einführung des europäischen Mindestlohns konnten wir ein weiteres unserer Wahlversprechen einhalten. Dadurch wird der Mindestlohn in Deutschland um über 10 Prozent steigen, sobald die Bundesregierung beginnt, dieses Gesetz umzusetzen.

 

Wichtige Erfolge, also lebt noch die Utopie von einem leuchtenden Europa?

 

Dieses Licht wird nie erlöschen. Wir erleben gerade, dass Konservative einer Debattenverschiebung nach rechts folgen und damit rechte Politik und Gesinnung wieder hoffähig machen. Demgegenüber werden wir unser Konzept des solidarischen Europas stellen, in dem wir für Arbeitsplätze streiten und Unternehmen, die für Nachhaltigkeit sind. Wir müssen beides zusammendenken. Finanziert wird das Ganze mit dem unanständigen Reichtum, den sich die Milliardäre in den vergangenen Jahren angehäuft haben. Löhne von denen alle leben können, eine Umwelt in der alle es aushalten können und gerechte Steuern. So geht Gerechtigkeit und Gerechtigkeit geht nur mit Links am 9. Juni für Europa.