Wie ersetzbar sind wir?

Die Soziologin Franziska Diller, Lehrbeauftragte an der Uni Erfurt über Künstliche Intelligenz, Robotik und das Verhältnis von Mensch, Natur und Technik.

Im Jahr 1999 steuerten die Soundpioniere „Kraftwerk“ mit  „Expo 2000“ den Soundtrack für einen „Planet der Visionen“ bei. 2016  besiegte „AlphaGo“ mehrfach den Europameister Fan Hui bei Go, einem der komplexesten Brettspiele. Die Lernkurve von Algorithmen und die Entwicklung in der Robotik hat in allen Bereichen seitdem kräftig Fahrt aufgenommen.

In immer kürzeren Abständen können beeindruckende Erfolge (beispielsweise von „Boston Dynamics“, die Roboter u.a. für das US-Militär entwickeln) verkündet werden. Für Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik eröffnen sich vielfältige Anwendungsgebiete in nahezu allen Bereichen moderner Gesellschaften. „Watson“ ist in den USA in der Krebsdiagnostik tätig. In Japan soll bis 2030 jeder Haushalt über einen Serviceroboter verfügen. In Baden-Württemberg unterstützte der Pflegeroboter „Marvin“ in einem Testprojekt das Personal in der Altenpflege. In Thüringen hat der Pflegeroboter „Emma“ bereits Alten- heime besucht. 

In der Öffentlichen Verwaltung, in der Wirtschaft, in der Justiz oder in der Kritischen Infrastruktur sollen zukünftig Prozesse weltweit verstärkt automatisiert werden, da enorme wirtschaftliche Chancen in KI als neuer Technologie gesehen werden. Doch wie steht es um die Risiken? Wer bestimmt und kontrolliert die Qualität der Trainingsdaten selbstlernender Maschinen? Nach dem Einsatz selbstlernender Algorithmen in Bewerbungsverfahren und in der Justiz ist es in den USA bereits zu Phänomenen algorithmischer Diskriminierung gekommen. Erste Fälle von Sabotageakten menschlicher Maschinenstürmer  haben sich ebenfalls ereignet. Wie ersetzbar macht sich der Mensch durch die von ihm entwickelte Technik? Welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Folgen haben automatisierte Altenpflege oder der Gebrauch von Sexrobotern für die Mensch-Maschine-Beziehung? Wie soll diese Technologie insgesamt kontrolliert werden und vor allem von wem – von privaten Unternehmen oder von politischen Ordnungen? 

Die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ im Bundestag hat am 7. November ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Auf fast 800 Seiten verliert er sich in Details. Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung wurden bisher nur andiskutiert. So werden mindestens so viele Fragen aufgeworfen, wie beantwortet. 

Das „Future of Life Institute“, ein Zusammenschluss von renommierten Mitgliedern aus Wissenschaft und Gesellschaft, hat sich bereits 2016 in einem Brief (über 8.000 Mal unterschrieben) „Forschungsprioritäten für stabile und wohltätige Künstliche Intelligenz“ an die Weltgesellschaft gewandt. Die Forderung: eine weltweite, gesellschaftliche Diskussion und Verständigung über Richtung, Einsatz, Kontrolle sowie moralische Aspekte und Missbrauch von KI. Der Wunsch: eine dystopische Wende der utopischen Potenziale dieser Technologie zu vermeiden. Diese Diskussion ist überfällig, denn die zweite digitale Revolution, die die Mensch-Maschine-Beziehungen  im 21. Jahrhunderts verändern wird, hat bereits begonnen!