Sexkaufverbot und Strafen für Freier?

Zur Sache

Auf dem Parteitag der Thüringer LINKEN wurde intensiv über das Für und Wider diskutiert. Beste

Absichten und gute Argumente haben beide Seiten.

Pro

Das System Prostitution ist rassistisch und sexistisch  

 

Im Jahr 2002 trat das Prostitutionsgesetz (ProstG) im Bund in Kraft. Liberal, selbstbestimmt und sozialversichert – das war das Ziel.

Statt wie erhofft, die Prostitution aus dem kriminellen Milieu zu holen und die Prostituierten zu stärken, ermöglichte es die Eröffnung von Flatratebordellen und Gang-Bang-Puffs, in denen Frauen wie Billigwaren angeboten wurden.

Bei Zimmermieten von 120 Euro und mehr pro Tag bereichern sich Bordellbetreiber:innen an der Prostitution der Frauen, während diese gezwungen sind ausreichend Freier zu bedienen, um von den Einnahmen leben zu können.

Gestärkt und geschützt werden durch die legalisierte Prostitution vor allem Bordellbetreiber:innen und Freier. Auch das 2017 eingeführte Prostituierten-Schutz-Gesetz brachte entgegen seinem Namen keinen Schutz, dafür umso mehr Repressionen. Die Strafen zur Regulierung treffen die Frauen hart und erschweren den Ausstieg zusätzlich. 81 Proznet der Frauen, die in Deutschland anschaffen, sind Migrant:innen. Beworben werden sie u.a. mit „Schoko-Maus“ und „junge Russin“. Prostitution ist Ausdruck einer rassistischen Gesellschaft, die sich die Ungerechtigkeit und Perspektivlosigkeit von Menschen aus sozial schwachen Ländern ausnutzt.

Wie patriarchal das System Prostitution ist, lässt sich an den Machtverhältnissen leicht ablesen. Denn am Ende bestimmt der Freier wofür er zahlt. Dies zeigt sich auch in Aussagen von Männern, die Prostitution als Möglichkeit sehen, ihre Vorlieben auszuleben, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse seines Gegenübers achten zu müssen. Das ist das Gegenteil von sexueller Selbstbestimmung der Frau, die wir uns wünschen. Denn ein Freier kann nicht erkennen, ob die Prostituierte freiwillig und selbstbestimmt arbeitet. Somit nimmt er immer billigend in Kauf zu vergewaltigen.

Als linke, feministische Partei müssen wir diese Machtstrukturen radikal aufbrechen, indem die Prostituierten entkriminalisiert, hingegen die Freier, sowie jede Person, die sich an der Prostitution anderer bereichert, bestraft werden.

Sexkauf ist Gewalt und muss auch endlich so kommuniziert, statt weiterhin normalisiert und zementiert werden. 

Franziska Klotz, 

Christiane Schütze, 

Kathrin Nartschinski

 

Kontra 

Prostitution wird durch Kriminalisierung nicht  verschwinden

 

Positionierungen zu Sexarbeit und Prostitution sind kompliziert und es gibt guten Grund dafür, denn es geht um Körper. Und Körper – besonders die Körper, die mit reproduktiver Arbeit belastet werden–, sind ein zentraler, wenn nicht der zentrale Zugriffspunkt des Kapitalismus. Und, weil der Kapitalismus unsere Sicht auf die Welt, aber auch die Kämpfe, die wir gegen ihn führen so stark prägt, stehen bei der Frage um unsere Körper emanzipatorische Bestrebungen neben Zwang, steht Selbstermächtigung neben Ausbeutung und Solidarität neben Diskriminierung. 

Das heißt: Ja, es gibt Zwang, Gewalt und schlechte Arbeitsbedingungen denen Prostituierte und Sexarbeiter-*innen ausgesetzt sind. Und ja, es gibt das Verständnis von Sexarbeit als Erwerbsarbeit und Beruf, Zufriedenheit mit der eigenen Tätigkeit sowie die Forderungen auf rechtmäßige, sicher und faire Arbeitsbedingungen.

Unsere Aufgabe als LINKE kann es nicht sein, unser Gehör nur einer Seite der Auseinandersetzung um den Zugriff des Kapitalismus auf unsere Körper zu schenken. Denn das zeigt uns nicht das ganze Bild und verdeckt dadurch auch politische Ansätze und Lösungen. 

Für uns bedeutet das: Wenn wir nur auf das Nordische Modell und Kriminalisierung von Sexarbeit und Prostitution setzen, dann ignorieren wir eine Vielzahl von Menschen mit ihren Positionen und ihren Kämpfen. Sexarbeit und Prostitution wird durch Kriminalisierung nicht verschwinden, sondern zu unsicheren und schlechteren Arbeitsbedingungen und zu einer Erhöhung von Gewalt und Zwang führen. Um Lösungen für den Zugriff des Kapitalismus auf unsere Körper zu finden, braucht es statt Illegalisierung: Solidarität, das Überwinden von Geschlechterrollen, das Überwinden des Stigmas Sexarbeit zu leisten, kostenfreien Zugang zu gesundheitlichen Beratungen und medizinischen Leistungen, Beratungsstellen, Interessenvertretung und staatliche Zugriffe bei Menschenhandel und Gewalt. 

Ganz konkret für Thüringen heißt das, dass wir endlich eine Fachberatungsstelle für Sexarbeiterinnen und -arbeiter und Betroffene von Zwangsprostitution brauchen, die sich dem Schutz, der Stärkung und der Selbstbestimmung dieser Personen verschreibt.

Dr. Jennifer Petzen, 

Stephanie Borck