Blechen für den Klimaschutz?

Zur Sache

Die Klimakrise hat sich in diesem Jahr weiter beschleunigt. Daran ändert auch Corona nichts. Vom 1,5-Grad-Ziel sind wir meilenweit entfernt. Müssen wir jetzt zur Eindämmung der Klimakrise alle zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen – auch die C02-Steuer?

Laura Wahl, Thüringer Landtagsabgeordnete der Grünen meint ja, denn: „Eine Lenkungswirkung hin zu emissionsarmen Wirtschaftsprozessen, Mobilitätsformen etc. erreichen wir nur, wenn für alles endlich der wahre Preis – einschließlich der Umweltkosten – bezahlt werden muss.“ 

Paul Gruber, Landesprecher Linksjugend [‘solid] Thüringen, findet die CO2-Steuer dagegen ziemlich dystopisch und sieht in ihr auch „eine Ausweitung des kapitalistischen Marktes auf bisher noch nicht kapitalisierte Naturstoffe“. 

 

Klimaschutz verlangt Einschnitte 

von Laura Wahl

Ein ganz wesentlicher Punkt, warum die Klimawende noch nicht erreicht wurde, ist, dass klimaschädliches Handeln an vielen Stellen günstiger ist als klimafreundliches. Das setzt die falschen Anreize. Eine Lenkungswirkung hin zu emissionsarmen Wirtschaftsprozessen, Mobilitätsformen etc. erreichen wir nur, wenn für alles endlich der wahre Preis – einschließlich der Umweltkosten – bezahlt werden muss. Das funktioniert über die Einführung eines wirksamen CO2-Preises auf alle fossilen Brennstoffe. Da die Sektoren Wärme und Verkehr nicht dem europäischen Emissionshandelssystem unterliegen, haben wir als Bündnisgrüne vorgeschlagen, für diese Bereiche eine Klimasteuer von anfänglich 60 Euro pro Tonne zu erheben. Eine ökologische Lenkungswirkung kann eine CO2-Bepreisung natürlich nur dann entfalten, wenn der Preis im Zeitverlauf kontinuierlich erhöht wird. 

Die Einnahmen aus der Steuer wollen wir für den sozialen Ausgleich verwenden, indem beispielsweise die Stromsteuer gesenkt und für alle Bürger*innen ein Energiegeld eingeführt wird. Klar ist, dass es darüber hinaus auch verstärkte Investitionen in öffentliche Güter wie den Nahverkehr braucht. Denn Menschen können nur klimafreundlich handeln, wenn sie die entsprechenden Möglichkeiten dazu haben. 

Trotz dieser Maßnahmen und des Faktes, dass die zehn Reichsten Prozent der Bevölkerung in Deutschland für 26 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, besteht die Möglichkeit, dass die CO2-Steuer nicht 100%ig sozial gerecht ausgestaltet werden kannAllerdings halte ich es für unsinnig, das als Gegenargument für mehr Klimaschutz anzuführen. Denn erstens treffen gerade auch die Auswirkungen der Klimakrise vermehrt ärmere Menschen und zweitens müssen wir für mehr soziale Gerechtigkeit woanders ansetzen: bei einer Vermögenssteuer, höheren Mindestlöhnen oder kostenlosem Zugang zu Bildung. Luisa Neubauer hat es einmal so ausgedrückt: „Am Ende des Tages wird der Klimaschutz Einschnitte von uns verlangen. Die Zeit, in der wir die Sache easy hätten angehen können, haben wir längst verpasst.“

 

 

Die C02-Steuer trifft geringe Einkommen viel stärker 

von Paul Gruber

Grundsätzlich klingt eine CO2-Steuer ziemlich dystopisch. Diese Steuer stellt nichts anderes als eine Bepreisung von jeder ausgestoßenen Tonne CO2 dar. Es liegt nicht völlig fern, darin eine Ausweitung des kapitalistischen Marktes auf bisher noch nicht kapitalisierte Naturstoffe zu sehen. Die Idee, eine Marktlösung für den Klimawandel zu finden, ist nicht neu. Bereits der Handel mit Emissionszertifikaten stellt(e) eine solche Maßnahme dar. Die Hoffnung das eine kapitalistische Lösung den Klimawandel stoppen wird, ist eine Illusion. Der Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang, seinem Hunger nach Ressourcen und seinen ungleichen Eigentumsverhältnissen ist schlichtweg einer der Hauptursachen für die sich zuspitzende Klimakrise.

Die Forderung nach einer CO2-Steuer geht mit Konsumkritik einher und ist von der Annahme geprägt, dass uns die Veränderung der individuellen Konsumentscheidungen vor der Klimakatastrophe retten werden. Das Gegenteil ist der Fall.  Konzerne,  Vermögende und Besserverdienende tragen wesentlich stärker als die Durchschnittsbevölkerung zur Klimaerwärmung bei. Die Abschaltung der sechs ältesten Kohlekraftwerke in Deutschland würde soviel CO2 einsparen wie der gesamte Autoverkehr.

Wer die Treibhausgasemissionen wirksam senken will, muss die entsprechenden Strukturen radikal verändern: Verkehrswende, Energiewende und Agrarwende verlangen einen schnellen Ausstieg aus der Kohle und einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, der massiv ausgebaut werden muss. Wenn wir den Klimawandel stoppen wollen, muss die Macht der fossilen Energiekonzerne, der Automobilindustrie und der Agrarlobby gebrochen werden, statt ihre Produkte lediglich teurer zu machen.

Am Ende trifft die CO2-Steuer alle Menschen. Auch diejenigen, die wegen fehlender Bus- und Bahnanbindungen dazu gezwungen sind, mit dem Auto zur Lohnarbeit zu fahren. Das wird sich auch nicht von heute auf morgen radikal ändern. Eine CO2-Steuer wäre dann aber trotzdem fällig. Besonders Menschen mit geringem Einkommen wären viel stärker davon betroffen als Reiche. Eine sozial gerechte Klimapolitik sollte daher eher für ökologische Ordnungspolitik, Vergesellschaftung und strukturelle Veränderungen plädieren.