Neues DENKEN braucht das Land

Zur Sache

Ein Zwischenruf von Regina Pelz nach dem Dammbruch von Erfurt.

Es ist schon ein Novum, was sich rund um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen abspielte. Ein FDP-Mann (es sitzen gerade 5 Abgeordnete dieser Partei im Landesparlament) hat sich selbst vorschlagen lassen und die Wahl angenommen, obwohl er nicht nur von den Abgeordneten der FDP und der CDU gewählt wurde, sondern er ließ sich wissentlich hofieren von der kompletten AfD-Fraktion. Diese hatte zwar einen eigenen Kandidaten aufgestellt, gab ihm  aber keine einzige Stimme im dritten Wahlgang. Man muss sich das mal vorstellen: Nur um Bodo Ramelow zu verhindern. Was für ein miserables Spiel. DIE LINKE wurde in Thüringen bei der letzten Landtagswahl mit 31 Prozent der Wählerstimmen stärkste Kraft. Das Regierungsbündnis von Rot-Rot-Grün hatte zwar seine Mehrheit eingebüßt, weil die Kooperationspartner der Regierung – SPD und Grüne –schwächelten. Dennoch wollte Rot-Rot-Grün in einer Minderheitsregierung weitermachen (es fehlten 4 Stimmen zur Mehrheit im Landtag), um die vielen Dinge, die in der ersten Legislatur begonnen wurden, fortzuführen. Und das war durchaus im Interesse der Wähler, wie aktuelle Umfragen ergaben. Über 60 Prozent der Befragten votierten für Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten. 

Die Geschehnisse nahmen ihren Lauf: Das Ganze war selbst den Parteioberen der Bundesparteien von CDU und FDP zuviel. Sie kamen im Eiltempo nach Erfurt, um die katastrophale Lage zu beraten. Tausende Thüringer gingen indes in verschiedenen Städten auf die Straße. Vor der Staatskanzlei, im Zentrum Erfurts, am Landtag demonstrierten sie gegen die Parteienpraxis von CDU und FDP im Bund mit der AfD. Dass so viele ihrem Willen Ausdruck verliehen: Keine Zusammenarbeit mit der Höcke-AfD, förderte das Nachdenken. So trat der neugewählte Ministerpräsident Thomas Kemmerich binnen 24 Stundend zurück, auch andere Politiker mussten ihren Hut nehmen. 

Aber all das ist meiner Meinung nach nur die halbe Wahrheit, die eigentlichen Ursachen für das Ungeheuerliche liegen tiefer. Nicht nur, dass der Thüringer Vorsitzende der Landes-CDU unmittelbar nach der Wahl Gesprächsbereitschaft mit Bodo Ramelow signalisierte und nur wenige Stunden später völlig anderer Meinung war. Er wurde offenbar von der Parteispitze in Berlin, die sich so betroffen zeigte, zurückgepfiffen.

Wie auch immer. Das ganze Szenarium erinnert viele Menschen in Thüringen und anderswo an die 30er Jahre. Vor einigen Tagen wurde der 75. Jahrestag der Berfreiung des Vernichtungslagers Auschwitz begangen. Auch in Thüringen – mit dem KZ Buchenwald und den einstigen Herstellern der Verbrennungsöfen „Topf und Söhne“ – waren hochbetagte Antifaschistinnen und Antifaschisten zu Gast. Noch einmal wollten sie diese Stätte des Schreckens besuchen und der Ermordeten gedenken. Der Schwur der Buchenwaldhäftlinge nach ihrer Befreiung 1945 ist aktueller denn je: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Nicht nur, dass die Gleichsetzung von rechts und links, durch die sich demokratisch nennenden Parteien jeden LINKEN tief verletzt, denn mit Faschisten haben LINKE nichts am Hut. Die DDR, die nach dem verheerendem Zweiten Weltkrieg für viele eine erstrebenswerte Alternative darstellte, ist gescheitert und seit dreißig Jahren Geschichte. Was dieses Land Menschen bedeutete, darüber gibt es je nach eigenem Erleben ganz unterschiedliche Sichten. Aber heute immer noch den Antikommunismus der alten BRD hoch zu halten und so zu tun, als habe sich die Welt nicht gedreht, als hätten wir jetzt nicht ganz andere Herausforderungen, ist einfach ein alter Zopf, der endlich abgeschnitten werden muss. LINKE haben landauf und landab bewiesen , dass sie sich mit anderen gesellschaftlichen Kräften und vielen Bürgern im Mühen um Gerechtigkeit, für eine gute Bildung, höhere Löhne und Renten, eine leistungsfähige Industrie, bezahlbare Mieten im Einklang befinden. DIE LINKE ist auch die Friedenspartei in Deutschland. „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts“ hat mal der Sozialdemokrat Willy Brandt gesagt, dessen Namen der Erfurter Bahnhofsvorplatz trägt. Deshalb: Es geht um gemeinschaftliche Lösungen der vielen Probleme in Thüringen über Parteigrenzen hinaus. Dafür braucht das Land keine rückwärtsgewandten Politiker, dafür ist neues DENKEN angesagt.

Regina Pelz