Demokratischer Sozialismus als gemeinsames Ziel für eine andere Gesellschaftsordnung

Auf dem harmonischen Parteitag der Thüringer LINKEN nahe dem Kyffhäuserdenkmal fand der Programmentwurf, trotz kleiner Meinungsunterschiede, deutliche Zustimmung. Höhepunkt war aber die Ehrung von Christa Steppat, für ihr langjähriges seniorenpolitisches Engagement.

Ungewöhnlich warm, aber dennoch unangenehm regnerisch, war es am 13. November, als DIE LINKE. Thüringen die zweite Tagung des zweiten Landesparteitages auf dem Burghof Kyffhäuser abhielt. Gleich zu Beginn, bei den Grußworten der Gäste, wurde sofort deutlich, wo die Wurzeln der Partei liegen. Nicht Lobbyisten von Großunternehmen oder marktradikale Wirtschaftsprofessoren waren auf dem Kyffhäuser zu Gast, sondern die Interessenvertreter von sozial benachteiligten Menschen, wie Behinderten und Senioren. Dazu passte das Parteitagsmotto: „Sozial geht nur mit uns“, das verdeutlichte, für wen und was sich die Linkspartei in erster Linie einsetzt: für alle diejenigen, die sonst keine Stimme haben.


Passend zur großen Demonstration des DGB in Erfurt übergab Hans-Hermann Hoffmann die ersten 2.880 Unterschriften für eine Petition gegen den Sozialabbau durch das Sparpaket, die Kersten Steinke in ihrer Funktion als Vorsitzende des Petitionsausschusses im Bundestag dankend entgegen nahm. Ebenfalls aus Berlin angereist waren Steinkes Thüringer Kollegen Ralph Lenkert und Frank Tempel sowie als besonderer Gast der Bundesgeschäftsführer, Werner Dreibus. Der Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, fehlte entschuldigt, weil er in Berlin weilte und in den Bundesvorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung gewählt wurde.


Der erste Höhepunkt des Parteitages war die Rede des Landesvorsitzenden Knut Korschewsky. Er zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf des Jahres 2010. Allerdings handele es sich hier bei um Erfolge, die eigentlich zur Normalität gehören sollten, indem das KOPOFOR, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Linksjugend ['solid] die Fördermittel erhalten, die ihnen zu stehen. Aber weder darauf, noch auf den positiven Wahlergebnissen von 2009 dürfe man sich ausruhen, rief Korschewsky in seiner engagierten Rede den Delegierten zu. Mit Blick auf die Programmdebatte zeigte sich der Landesvorsitzende ebenfalls zufrieden. Es sei zwar noch ein Jahr Zeit, mit dem Zwischenstand in Thüringen könne aber bereits ein starkes Signal an die Bundesebene gesendet werden. Korschewsky verleugnet nicht, dass es auch noch Probleme gibt und ermahnte die Mitglieder, dass die Programmdebatte nicht von den Strömungen der Partei definiert werden dürfe. „Erfolgreich sind wir nur als eine plurale LINKE, die unterschiedliche Strömungen in sich vereint. Strömungen müssen zu einem gemeinsamen, starken Fluss werden.“ Das gemeinsame Ziel einer anderen Gesellschaftsordnung ließe sich schließlich am Begriff des Demokratischen Sozialismus festmachen. 

Ein Jahr nach dem gescheiterten Politikwechsel für Thüringen stellte Korschewsky auch sein Strategiepapier vor, das bereits auf den Wahlzyklus 2012 – 2014 gerichtet ist. Diskussionen mit anderen Parteien, um etwaige Gemeinsamkeiten auszuloten, müssten schon weit vor den nächsten Wahlen geführt werden. 2009 sei man unvorbereitet in die Sondierungsgespräche gegangen, zeigte sich Korschewsky selbstkritisch. Die LINKE könne aber kein Anhängsel einer anderen Partei sein. Es gehe nicht darum, sich auf SPD oder Grüne zuzubewegen, sondern um den Politikwechsel für Thüringen und dafür brauche man Partner. Mit Blick auf aktuelle Umfragewerte warnte Korschewsky die SPD, dass es in Thüringen zum ersten echten „Rot-Grün“ kommen könnte, wenn Linkspartei und Grüne weiter zulegen. Am 28. Mai 2011 soll das Strategiepapier nach einer intensiven Diskussion auf einem Parteitag in Sömmerda beschlossen werden und ein durchgängiges Handlungskonzept bis zur Landtagswahl 2014 bilden.

Programmdebatte

Zum Einstieg in die Programmdebatte sprach der Vorsitzende der Thüringer Programmkommission, Dieter Hausold. Demokratischen Sozialismus definierte er als Zukunftsaufgabe, die bereits im Hier und Heute, bei der Stärkung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit beginnen müsse. Ziel sei eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, eine „im marxschen Sinne herrschaftsfreie Gesellschaft“. Einen Widerspruch zwischen dieser Zukunftsvision und dem Pragmatismus im politischen Alltag sah Hausold nicht, vielmehr sei der Pragmatismus Teil der Zukunftsvision. Eine sozialistische Gesellschaft definierte Hausold als emanzipatorische Gesellschaft, in der die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse in Frage gestellt werden müssen. Wenn man Mehrheiten für mehr soziale Gerechtigkeit erreichen wolle, brauche man dafür alle Schichten der Gesellschaft. „Wir müssen nicht alle zum Sozialismus bekehren, aber wir laden sie ein, um mit uns zu diskutieren. Wir haben unsere Vision Sozialismus genannt, aber jeder ist eingeladen sich zu beteiligen.“ Aus Hausolds Sicht gibt es aktuell eine breite, kritische Stimmung gegen den Finanzmarktkapitalismus, aber noch lange nicht genügend Protest für gesellschaftliche Veränderungen. Gerade dazu müsse eine sozialistische Partei aber beitragen, so Hausold. Er erinnerte an Dieter Strützel, der schon 1990 davon sprach, man müsse den Ring um die Partei sprengen, damit sie nicht erstickt. Kurzum heißt das, die Partei darf keine öffentliche Debatte scheuen und muss ihre Postionen jederzeit kritisch an der Öffentlichkeit prüfen.

Nach Hausolds Rede nutzen viele der Delegierten die Möglichkeit, sich an der Programmdiskussion zu beteiligen. Dabei wurde überwiegend Zustimmung deutlich. Kritik gab es nur  an einzelnen Aspekten. So bemängelte Ingeborg Giewald von Cuba Sí, dass der Begriff der Internationalität nicht mehr vorkomme. Dabei müsse gerade DIE LINKE der Globalisierung des Kapitalismus die Globalisierung der Solidarität entgegenstellen. Der Landessprecher der KPF, Henrik Volkert, bemängelte das Fehlen eines antikapitalistischen Leitfadens. Auch er sprach sich für die Aufnahme der Begriffe internationale Solidarität und Frieden in die Präambel aus. Meinungsunterschiede gab es außerdem  über das Thema „Geschlechterverhältnisse als Produktionsverhältnisse“. Während sich Bundesvorstandsmitglied Gabi Ohler deutlich für die Beibehaltung dieser „modernen“ Passage einsetzte, wurde sie vom Erfurter Stadtratsmitglied, Dr. Reinhard Duddek als „polit-ökonomischer Unsinn“ abgelehnt. Am Ende der Debatte wurde der eingereichte Antrag des Landesvorstandes zur Programmdebatte mit Änderungen beschlossen und ist damit Grundlage der weiteren Diskussion. 

Seniorenpolitik

Nach der intensiven Programmdebatte konzentrierte sich der Parteitag auf das Thema Seniorenpolitik. Mit dieser Fokussierung richtete DIE LINKE nicht nur ihr Augenmerk auf ein klassisches Klientel der Partei, sondern auch auf entscheidende Zukunftsfragen, in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Die Sprecherin für Familienpolitik und Senioren der Landtagsfraktion, Margit Jung, stellte die seniorenpolitischen Leitlinien der Partei vor. Deren wichtigster Grundsatz ist die Barrierefreiheit. Dabei geht es um Alltagsverbesserungen, die vor Ort in den Kommunen erfolgen müssen. „Kommunale Seniorenpolitik braucht einen anderen Stellenwert und muss sich in LINKER Kommunalpolitik niederschlagen. Die Potentiale des Alters werden nicht genutzt und Seniorenpolitik wird nur auf Alterssicherung und Pflege beschränkt“, so Margit Jung. Wirkliche Meinungsunterschiede über die Seniorenpolitik gab es keine, dementsprechend wurde der Antrag bei nur vier Enthaltungen, ohne Gegenstimme, angenommen. Christa Steppat, die Sprecherin der Thüringer Senioren AG freute sich über das Ergebnis: „Heute ist ein guter Tag für alle Senioren, denn die Seniorenpolitik ist nun Teil der Gesamtpolitik unserer Partei. Aber wenn es am schönsten ist, soll man gehen“, sagte die 83-jährige. Der Parteitag würdigte ihr langjähriges Engagement mit stehenden Ovationen, den längsten an diesem Tag.

So ging der Parteitag harmonisch zu Ende, sogar schneller als vom Ablauf vorgesehen. Auch bei der Nachwahl zur Landesschiedskommission gab es keine Überraschungen. Thomas Böhme erhielt 90 Prozent der Stimmen. 

In weiteren Beschlüssen forderte DIE LINKE. Thüringen den Ausstieg aus der Atomkraft und unterstützt die Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch im Februar 2011 in Dresden.


Foto und Text: Thomas Holzmann