Die Gesellschaft für Sport und Technik – gegründet vor 65 Jahren

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Manchmal war es schon erstaunlich, welche Aufmerksamkeit bundesdeutsche und Westberliner Medien Ereignissen in der DDR schenkten, obwohl die doch viel mehr nationale, aber kaum internationale Bedeutung hatten: „Diese Organisation sollte eher Gesellschaft für Schießen und Militärtechnik als Gesellschaft für Sport und Technik heißen!“, wetterten Berichterstatter in den abendlichen Fernsehnachrichten von ARD und ZDF.

Von Hans-Joachim Weise 

 

Manchmal war es schon erstaunlich, welche Aufmerksamkeit bundesdeutsche und Westberliner Medien Ereignissen in der DDR schenkten, obwohl die doch viel mehr nationale, aber kaum internationale Bedeutung hatten: „Diese Organisation sollte eher Gesellschaft für Schießen und Militärtechnik als Gesellschaft für Sport und Technik heißen!“, wetterten Berichterstatter in den abendlichen Fernsehnachrichten von ARD und ZDF. Anlass dafür war die am Ende eines Kongresses, des höchsten Gremiums der GST, durchgeführte Abschlussparade. Die Gründung der Gesellschaft für Sport und Technik am 7. August 1952 fiel in eine Zeit, in der die als Kalter Krieg geführte Politik des „roll back“ („Zurückrollens“) dessen, was in Washington und Bonn als Kommunismus verstanden wurde, in Europa einen vorläufigen und sehr gefährlichen Höhepunkt erreicht hatte: Mit der am 16. März 1951 begonnenen Aufstellung des Bundesgrenzschutzes (BGS) als einem unter anderem mit Schnellfeuerkanonen und schwere Maschinengewehre tragenden Schützenpanzerwagen sowie Granatwerfern ausgerüsteten 20.000 Mann zählenden paramilitärischen Verband hatte sich die BRD sowohl den Vorläufer als auch die Kaderschmiede einer späteren Aggressionsarmee geschaffen. Am 26. und 27. Mai hatte Bundeskanzler Adenauer gegen millionenfache Proteste im eigenen Staat die EVG-Verträge unterzeichnet und damit den Beitritt zur „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ (EVG) durchgesetzt. Die Mitgliedschaft in diesem, 1954 am Widerstand der Französischen Nationalversammlung zum Glück gescheiterten Militärpakt sollte die Hintertür sein, durch die Streitkräfte und Rüstungen erlangt werden konnten. In Korea tobte derweil schon seit einem Jahr ein Heißer Krieg, mit dem die USA und zahlreiche ihrer Verbündeten unter Missbrauch der UNO-Flagge die dortige Demokratische Volksrepublik zu beseitigen versuchten. Um die in den vorangegangenen Auseinandersetzungen zwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea (DRVK) und des von den USA geschaffenen Separatstaates Republik Korea auf ein kleines Gebiet im Südwesten der Halbinsel zurückgedrängte Herrschaft ihres Diktators Li Syng Man zu retten, wurde ein Krieg geführt, der in seiner Grausamkeit teilweise sogar den Zweiten Weltkrieg übertraf: Allein auf dem Gebiet der DRVK waren 8.700 Fabriken und Werkstätten, 5.000 Schulen, 1.000 Krankenhäuser und Ambulatorien, 263 Theater und Kinos sowie 28 Millionen m² Wohnfläche zerstört worden. Die „UNO-Streitmacht“ schreckte weder vor dem Einsatz von Brand- und Sprengbomben noch der Anwendung völkerrechtlich geächteter chemischer und biologischer Massenvernichtungsmittel zurück. Ja, General McArthur plante sogar den Einsatz von 30 Atombomben, um vor allem das Grenzgebiet zur Volksrepublik China vollständig zu verwüsten! Das ging selbst dem in der Wahl der Mittel – siehe die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki – nicht zimperlichen Präsidenten Harry S, Truman zu weit, weshalb er sich gezwungen sah, ihm umgehend den Oberbefehl zu entziehen. In Sintschhòn und anderen Orten wurden 35.383 Menschen, vor allem Frauen, Kinder und Greise, Opfer von irrationalem antikommunistischem Hass entsprungenen Massakern. Das vom ehemaligen Justizminister der USA, Ramsey Clark, geleitete „Internationale Tribunal zu Kriegsverbrechen in Korea“ („Korea International War Crimes Tribunal“) stellte in seinem Bericht vom 23. Juni 2001 fest, dass in diesem Krieg insgesamt 4,6 Millionen Koreaner ums Leben kamen, darunter in der DRVK 3 Millionen und im Süden 500.000 Zivilisten. Dass sich dieser verbrecherische Krieg nicht nur auf Asien, sondern auch auf Europa maßgeblich auswirkte, steht völlig außer Frage. Die nach wie vor unter dem Trauma des heimtückischen deutsch-faschistischen Überfalls vom 22. Juni 1941 leidende Sowjetunion unternahm, zusätzlich beeinflusst durch die maßlose persönliche Angst Josef Stalins vor einem neuen Krieg, verstärkte Anstrengungen zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft und verlangte solche auch von ihren Verbündeten.

Die noch bis 1955 unter sowjetischem Besatzungsrecht stehende DDR antwortete in dieser von hektischen Rüstungsanstrengungen und von maßloser antikommunistischer Hetze geprägten aufgeheizten politischen Atmosphäre zunächst mit der schlagartigen Aussiedelung von Personen, die sich bereits als Gegner erwiesen hatten oder als unzuverlässig galten bzw. Straftaten begangen hatten, aus dem Grenzgebiet. Dabei fiel der Termin dieser in das Leben vieler Familien rigoros eingreifenden Maßnahme keineswegs zufällig mit der Unterzeichnung der EVG-Verträge durch die BRD zusammen. Am 1. Juli folgte die Gründung der Kasernierten Volkspolizei (KVP), mit der ebenfalls der Vorläufer einer späteren Armee geschaffen wurde. Die dafür als notwendig erachtete frühzeitige vormilitärische Ausbildung sollte die Gesellschaft für Sport und Technik übernehmen, die sich hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Tätigkeit an ähnlichen Organisationen wie der sowjetischen DOSAAF, dem tschechoslowakischen SVAZARM und der polnischen „Liga für Landesverteidigung“ (LOK) orientierte. Grundlage für ihre Schaffung war ein Beschluss des Politbüros des ZK der SED vom 6. Mai 1952, der zunächst den Aufbau einer „Schutz der Heimat“ genannten Organisation vorgesehen hatte. Ministerpräsident Otto Grotewohl erließ schließlich am 7. August 1952 die Verordnung über die Bildung der Gesellschaft für Sport und Technik, die hinsichtlich ihrer Tätigkeit vom Ministerium des Innern, ab 1962 vom Ministerium für Nationale Verteidigung anzuleiten war. Die in der Zeit zwischen den Kongressen von einem Zentralvorstand geleitete GST gliederte sich in Bezirks-, Kreis- und Grundorganisationen. Letztere umfassten auch die Sektionen genannten Fachbereiche Allgemeine vormilitärische Ausbildung, militärischer Mehrkampf, Schießsport, Motorsport, Amateurfunk und Nachrichtenwesen, Flug- und Fallschirmsport sowie See- und Tauchsport. Dazu kamen, vor allem als sinnvolle Freizeitbeschäftigung für Jugendliche, Flugzeug-, Schiffs- und Automodellbau. Auf allen diesen Gebieten nahmen Mitglieder der GST zudem erfolgreich an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil. Außerdem war sie Dachverband für weitere Sportorganisationen - Tauchsportverband der DDR, Seesportverband der DDR, Flug- und Fallschirmsportverband der DDR, Deutscher Schützenverband der DDR, Militärischer Mehrkampfverband der DDR, Radiosportverband der DDR. Der Schützenverband war mit 247.000 Mitgliedern die stärkste Organisation innerhalb der GST und gehörte seit 1960 der Internationalen Schützenunion UIT an. Zu den weltweit erfolgreichen Sportschützen, die olympische Medaillenplätze errangen, gehörten Ralf Schumann, Bernd Hartstein, Hellfried Heilfort, Thomas Pfeffer, Harald Vollmar, Axel Wegner und Jürgen Wiefel. Die Schiffsmodellsportler waren seit April 1961 Mitglied des Europäischen Schiffsmodellsport-Verbandes NAVIGA. Von diesem wurden sie mit der Ausrichtung der Zweiten Europameisterschaft betraut, die unter Teilnahme von Modellsportlern aus Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Schweiz, der BRD und der DDR vom 11. bis 13. August 1961 in Karl-Marx-Stadt ausgetragen wurde. Weitere Sektionen, deren Tätigkeit sich unter dem Dach der GST als unzweckmäßig erwiesen hatte, Pferdesport, Dienst- und Gebrauchshundewesen, Jagdwesen und Sporttauben, wurden zwischen 1960 und 1961 ausgegliedert und in eigenständige Verbände umgewandelt. Personeller Grundstock für die GST waren die 45.000 Mitglieder der Interessengemeinschaften der FDJ, die in die neue Organisation übernommen wurden. Hatte sie Ende 1952 etwa 350.000 Mitglieder, waren es 1979 gut 530.000 in über 9.800 Grundorganisationen und 1988 rund 670.000. Die nicht sehr attraktive, aus khakifarbener Jacke und Hose sowie olivgrünem Hemd bestehende GST-Uniform wich mit dem IV. Kongress 1968 einer besser aussehenden, die aus graugrüner Jacke und Hose, gleichfarbiger Feldmütze und grauem Hemd bestand. Auf den Schulterklappen konnten Dienststellungskennzeichen (zum Beispiel für Mitglieder von Vorständen und Vorsitzende von Grundorganisationen, Kreis- und Bezirksvorständen sowie Zentralvorstand) aufgesteckt werden. Für die zur GST gehörenden Sportorganisationen gab es zudem deren Bedingungen angepasste eigene Bekleidung. Für in der Ausbildung erreichte gute Ergebnisse vergab die Organisation Leistungsabzeichen, unter anderem das für „Vormilitärische und Technische Kenntnisse“ in Bronze, Silber und Gold, sowie Qualifizierungsabzeichen. Die höchste Auszeichnung war die „Ernst-Schneller-Medaille“ in den Stufen Bronze, Silber und Gold, zu letzterer konnte noch eine Ehrenspange verliehen werden. Weitere Auszeichnungen waren die Medaille „Hervorragender Ausbilder“ in Bronze, Silber und Gold sowie das Abzeichen „Für Aktive Arbeit“. Das Emblem der Organisation war ein in Rot gehaltener ovaler Schild, der oben mit einem halben goldenen Lorbeerkranz und unten mit einem halben schwarzen Zahnrad, das den in Gold gehaltenen Schriftzug „GESELLSCHAFT FÜR SPORT UND TECHNIK“ trug, belegt. In der Mitte befanden sich auf rotem Grund ein silberner Anker, auf dem sich ein gleichfarbiger Propeller und ein Gewehr kreuzten. Die Fahne der Organisation bestand aus rotem Tuch und trug in der Mitte das Emblem.

An der Spitze der GST standen in den ersten 15 Jahren ihres Bestehens antifaschistische Widerstandskämpfer, die in Zuchthäusern und KZ des „Dritten Reiches“ eingesperrt gewesen waren, in den Internationalen Brigaden die Spanische Republik verteidigt oder in Partisaneneinheiten gekämpft sowie an Antifa-Schulen gewirkt hatten: Oberst Arno Berthold (1908 bis 1984) war sozialdemokratischer Widerstandskämpfer gewesen, gehörte der Volkspolizei an und war ab Juli 1952 Mitglied des Initiativausschusses zur Gründung der GST. Von 1952 bis 1955 war er ihr erster Leiter. Ihm folgte für die Zeit von 1955 bis 1963 der Spanienkämpfer Richard Staimer (1907 bis 1982), später Generalmajor der NVA. Von 1963 bis 1968 stand der in griechischen und albanischen Partisaneneinheiten gekämpft habende Generalmajor Kurt Lohberger (1914 bis 2008) als Vorsitzender des Zentralvorstandes an der Spitze der GST. Der IV. Kongress wählte mit Generalmajor, ab 1975 Generalleutnant, Günther Teller (1925 bis 1982) einen schon in der DDR ausgebildeten Kader zum Vorsitzenden. Auf dem VII. Kongress am 27. Juli 1982 ein zweites Mal wiedergewählt, verstarb er einen Tag später an einem Herzinfarkt, weshalb Generalmajor Kurt Krämer (1934) bis November 1982 als Vorsitzender amtierte. Dann übernahm Vizeadmiral Günter Kutzschebauch (1930 bis 1996) diese Funktion, die er bis zum 28. Januar 1990 ausübte. Er gehörte zu den Opfern der angeblichen „friedlichen Revolution“, mit der die Auslieferung der DDR und der kapitalistische Umsturz eingeleitet wurden. Die Zerstörung auch seines Lebenswerkes nicht verwinden könnend unternahm er einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen er verstarb.

Einen recht breiten Raum nahm die politisch-ideologische Arbeit ein, galt es doch, die Mitglieder zur Bereitschaft zu erziehen, ihren Staat auch militärisch zu schützen und bei Notwendigkeit zu verteidigen. Dass dabei, vor allem in den leider oftmals von Überspitzungen und Übertreibungen geprägten 1950er Jahren, aber auch später, Fehler, Fehlleistungen und Fehleinschätzungen vorkamen, gehört zu den Schwächen dieser Seite der Tätigkeit der GST. Ein Beispiel dafür zeigte sich im Sommer 1969 im Ausbildungslager „Wilhelm Pieck“ in Breege auf Rügen: Dort war offenbar noch nicht angekommen, dass die von Erich Honecker auf dem unrühmlich in die Geschichte eingegangen 7. Plenum des ZK der SED vorgenommenen Rundumschläge gegen Rock- und Popmusik inzwischen stillschweigend zurückgenommen worden waren. So wies der Lagerleiter Major d.R. Steitmann eines Abends den Lagerfunk an, einige Titel abzuspielen und dazu eine Lautsprechersäule anzuschalten. Vom Fenster aus beobachtete er mit wachsendem Missvergnügen, dass nun zahlreiche Jugendliche zu dieser Stelle strömten. Wütend ließ er die Säule ab- und eine weiter entfernt stehende zuschalten und musste beobachten, dass alles dorthin rannte. Dieses Spiel wiederholte sich sodann noch ein- oder zweimal. In der abendlichen Lagerleitersitzung erregte er sich nun maßlos über die nach seiner Meinung ideologische Zurückgebliebenheit, politische Unreife und moralische Verkommenheit vieler Jugendlicher. Mit solchen, ab etwa 1970 nicht mehr zu hörenden falschen Ansichten wurde der politisch-ideologischen Arbeit der GST ein Bärendienst erwiesen.

Einen großen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit erlangte sie durch die Herausgabe der 32 Seiten umfassenden Zeitung „Sport und Technk“ sowie der Fachzeitschriften „Funkamateur“, „Flieger-Revue“, „modellbau heute“, „Visier“, „Poseidon“, „Motorsport“ und der Funktionärs-Zeitschrift „konkret“. Während „Sport und Technik“ auf normalem Zeitungspapier gedruckt wurde, erschienen die Fachzeitschriften in sehr ansprechender Aufmachung. Ihre drucktechnische Qualität war weitaus höher als beispielsweise die der von der sowjetischen DOSAAF herausgegebenen Publikationen. „Sport und Technik“ (Kurzform „S + T“) informierte über die Arbeit von Grundorganisationen und Sektionen, brachte Beiträge zur aktuellen politischen und militärpolitischen Lage sowie zu Militärtechnik und Militärgeschichte. Hierzu gehörten unter anderem recht tiefgründige Betrachtungen zu Aggressions- wie auch zu Befreiungskriegen sowie Berichte über die gnadenlose Bekämpfung der DDR durch vor allem in den 1950er Jahre gehäuft aufgetretene Spionage- und Sabotageaktionen, den antifaschistischen Widerstandskampf und über Nazi- und Kriegsverbrecher, darunter solche, die von der Justiz unbehelligt ihren Lebensabend in der BRD genießen konnten. Doch auch Humor, Unterhaltung und Spaß kamen nicht zu kurz, wofür gekonnt in Szene gesetzte Aktfotos, Rätsel und vor allem die von Achim Purwin gezeichneten lustigen Bildgeschichten von „Knote und Karli“ stehen. Gerade letztere fanden viel Anklang, nahmen sie doch zuallererst menschliche Schwächen wie Angeberei und Überheblichkeit sowie Schummelei und Mogelei bei Wettkämpfen aufs Korn. Dabei erscheint es durchaus erstaunlich, mit welcher Intensität sich bundesdeutsche DDR-Astrologen auch mit den von ihnen als „hochpolitisch“ eingeschätzten Publikationen der GST beschäftigten und was sie da so alles heraus- und hineinlasen: Ein ewiges Rätsel blieb ihnen beispielsweise die Tatsache, dass Hauszeichner Achim Purwin mit den Geschichten von „Knote und Karli“ ungeniert und sehr freizügig der Lächerlichkeit preisgeben konnte, was die Arbeit der GST hemmte. Zu einer sachlichen, von antikommunistischen Vorurteilen freien Betrachtung und Bewertung so unfähig wie unwillig und zwecks schlichten Gemütern zwar eingängiger, aber unzulässiger Vereinfachung erfand man also kurzerhand die Mär von der „Narrenfreiheit“. So verstiegen sich die Autoren von www.ddr-comics.de/knote.htm zu folgender messerscharfer „Schlussfolgerung“: „Nur mit Purwins Job als Kulturredakteur mit relativer Narrenfreiheit ist erklärlich, dass in einer Zeitschrift mit hochpolitischem Wehrsportcharakter ein derartig humorvoller, unpolitischer und ganz klar auf Slapstick und Klamauk ausgelegter Comic erscheinen konnte. In im Laufe der Jahre wachsender Qualität erlebten 'Bert und Ernie der DDR' amüsante Missgeschicke im Zusammenhang mit diversen Sportarten.“ Dabei sahen auch relativ unbedarfte Gemüter, dass die von Achim Purwin gekonnt und unterhaltsam aufs Korn genommenen Dinge die Tätigkeit der GST betrafen, womit „Knote und Karli“ keineswegs ein unpolitischer Spaß und schon gar kein Klamauk war. Selbstverständlich hatten die Verfasser noch zu nörgeln, dass die „Sport und Technik“ - dafür war sie schließlich eine Zeitung! - auf „billiges Zeitungspapier“ gedruckt wurde.

Mit einigem Neid muss die Riege der DDR-Astrologen zugeben, dass die GST für viele Jugendliche attraktiv war, bot sie doch für einen geringen Mitgliedsbeitrag viele Möglichkeiten interessanter sportlicher Betätigung und Freizeitgestaltung. See- und Tauchsport, Fallschirm- und Flugsport zu betreiben oder als Amateurfunker tätig zu sein, ist im Kapitalismus bekanntlich nur denen möglich, die das nötige Geld dafür haben. Unter den ganz anderen gesellschaftlichen Bedingungen der DDR dagegen war das nicht erforderlich. Die GST bot jedem und jeder ernsthaft Interessierten diese Möglichkeiten. Jugendliche nutzten diese auch, um die Fahrerlaubnis für verhältnismäßig wenig Geld zu erwerben. Freilich lag das ebenso im Interesse von NVA und Grenztruppen, war doch somit ein alsbaldiger Einsatz als Militärkraftfahrer möglich. Schließlich war die GST auch eine „Schule der Soldaten von morgen“, ansonsten hätte es ja keiner speziellen Organisation für die vormilitärische Ausbildung bedurft. Mehr als 90 % der Jugendlichen begannen ihren Wehrdienst mit abgeschlossener vormilitärischer Ausbildung, was für die Streitkräfte letztlich eine große Zeitersparnis bedeutete. Dazu unterhielt sie insgesamt sechs Zentrale Ausbildungszentren (ZAZ) in Breege, Prerow, Scheibe-Alsbach, Schirgiswalde, Tambach-Dietharz und Storkow. Außerdem verfügte sie über 12 Schulen für Sportschießen, Motorsport, Nachrichtenwesen, Segelflug, Fallschirmsport, Tauchsport und Seesport, darunter die Marineschule „August Lütgens“ in Greifswald-Wieck als zentrale maritime Ausbildungsstätte, und eine Funktionärsschule in Blankenburg/Harz. Die GST besaß eine umfangreiche materiell-technische Ausstattung. Dazu gehörten Lastkraftwagen und Kräder (alle mit eigenem Kfz-Kennzeichen: Kennbuchstabe des Bezirkes und durch Bindestrich getrennte vierstellige Nummer in schwarzer Schrift auf gelbem Grund, zum Beispiel N 50-79) sowie Kleinkrafträder, Schulschiffe, Motorboote und Kutter, darunter das Segelschulschiff „Wilhelm Pieck“ und das Sporttaucherschiff „Artur Becker“, Motor- und Segelflugzeuge, Maschinenpistolen und Gewehre für Kleinkaliber, Luftgewehre, Waffenkammern, Schießbahnen, Nachrichtengerät und Flugplätze. Ein schwieriges Problem blieb der Motor- und Segelflug, gab es doch mehrere Fälle von eklatantem Vertrauensmissbrauch durch Republikflucht. Zwischen 1962 und 1978 war das fünfmal geschehen. Dabei wurde gleichzeitig der DDR gehörendes, für den illegalen Grenzübertritt missbrauchtes Fluggerät in die BRD bzw. nach Berlin-West entführt. Ein besonders schwerer Fall war der Vertrauensmissbrauch durch den mehrfachen DDR-Meister im Segelflug, Udo Elke, der am 22. Juni 1973 ein Segelflugzeug in die BRD entführte. Als sich 1979 – zur großen Freude bundesdeutscher Anti-DDR-Politik - solche Fälle häuften, musste zeitweilig ein absolutes Startverbot ausgesprochen werden. Die GST sah sich zur Schließung von nahe der Grenze zur BRD bzw. zu Berlin-West gelegenen Flugplätzen gezwungen. Die Täter wurden selbstverständlich nie ausgeliefert, sondern als „Helden“ gefeiert. Das Fluggerät freilich musste, da Eigentum der DDR, wohl oder übel zurückgegeben werden. Das war allerdings gar nicht so einfach, denn auf Grund der letzten noch bei den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges verbliebenen Vorbehaltsrechten war ein direkter Flugverkehr über die Staatsgrenze nicht möglich. Flugpersonal aus der DDR musste deshalb in die BRD fahren, die entführten Maschinen auseinandernehmen und in Einzelteilen zurücktransportieren. Auch hier gab es natürlich keine absolute Garantie dafür, dass jeder das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigte. Auswahl und Zulassung für den Flugsport blieb immer eine Gratwanderung, da niemand sicher sein konnte, dass die äußere Haltung auch vollständig mit der inneren übereinstimmte. Nicht in diesem Maße, aber von der Sache her galt das ebenso für den Amateurfunk: Bevor die Lizenz für eine Privatstation erteilt werden konnte, musste erst einmal längere Zeit an einer Klubstation mitgearbeitet und die eigene Integrität unter Beweis gestellt worden sein. Immerhin war der Missbrauch von per Amateurfunk hergestellten Verbindungen ins Ausland zu propagandistischen und nachrichtendienstlichen Zwecken möglich. Allerdings setzte dem die Funküberwachung sehr enge Grenzen.

Die wütenden Attacken selbsternannter „Bürgerbewegter“ vom Herbst 1989 machten auch vor der GST nicht Halt, kam doch nun ohne Rücksicht auf Verluste „alles dran“, was unter der sogenannten „SED-Diktatur“ entstanden war. Als ob es nie eine Bedrohung der DDR gegeben hätte, als ob das Ziel der BRD, sie „zum Verschwinden zu bringen“ nur eine Art Hirngespinst gewesen wäre, wetterten sie, unterstützt von den beiden großen Amtskirchen, über eine „Militarisierung“ der gesamten Gesellschaft. Ja, Pfarrer Eppelmann, von ARD und ZDF einst als „Vorzeige-Pazifist“ der DDR gefeiert, behauptet heute noch, sie sei der „am meisten militarisierte Staat in Europa“ gewesen. Das hindert ihn freilich nicht daran, als CDU-Hinterbänkler im Bundestag die Kriegsbeteiligung der BRD zu rechtfertigen und zu verteidigen. Damit gibt er allerdings unfreiwillig zu, dass sein früherer Pazifismus nur vorgetäuscht war, wurde er doch ausschließlich zur Bekämpfung der DDR benutzt und somit missbraucht. Am 27. Januar 1990 sah sich der Zentralvorstand schließlich zum Rücktritt genötigt. Die dem Druck der „Bürgerbewegten“ in der völlig illusorischen Hoffnung auf eine Beruhigung der Lage wieder einmal nachgebende Regierung Modrow hob am 14. Februar die staatliche Zuständigkeit für die vormilitärische Ausbildung auf. Damit wurde der GST der Boden unter den Füßen weggerissen. Auch die nach einem kurzen Zwischenspiel als „Gesellschaft für Sport und Technik – Vereinigung technischer Sportverbände“ am 28. April eilends vorgenommene Umwandlung in einen zivilen „Bund technischer Sportverbände“ unter dem Vorsitz von Dieter Sommer, womit zum ersten Male kein hoher Offizier der NVA an der Spitze der Organisation stand, rettete die GST nicht mehr. Zum Jahresende 1990 war endgültig Schluss und die meisten der diesem BTSV e.V. angehört habenden Gliederungen suchten nach dessen Auflösung im November 1990 ihr Heil in der Flucht in ähnlich gelagerte Organisationen der BRD. So ist es denn kein Wunder, dass seitdem auch einstige Sportschützen der DDR als Mitglieder sogenannter Schützenvereine in so albern wie lächerlich anmutenden operettenhaften Uniformen aufmarschieren und so mehr an die aus Kaiserzeit und Weimarer Republik bekannten militaristischen Kriegervereine unseligen Angedenkens denn an Schießsportler erinnern. Mancher seine Gesinnung schnell gewechselt habende Amateurfunker schrieb nun rührselige Leserbriefe über die ihm widerfahrenen Prüfungen und Kontrollen, bevor ihm die Genehmigung für eine Privatstation erteilt wurde. Dabei waren ihm die Gründe zur Genüge bekannt gewesen. Nun aber wurde die DDR-feindliche Politik der BRD ganz schnell verharmlost, beschönigt oder gleich als bloßes Hirngespinst abgetan. Selbstverständlich wurde auch die umfangreiche materiell-technische Ausrüstung der GST verscherbelt und mancher einstige Funktionär machte in Übereifer und vorauseilendem Gehorsam bereitwillig mit, um sich den wieder hereingebrochenen alten Verhältnissen anzudienen.. So rühmte sich noch 1994 ein ehemaliger Sportoffizier der Offiziershochschule der Grenztruppen in Suhl, immerhin Oberstleutnant gewesen, „im Auftrage“ der Breuelschen „Treuhand“ an dieser Drecksarbeit beteiligt gewesen zu sein. Selbstverständlich riss sich diese auch das Vermögen, sämtliche Liegenschaften und die materiell-technische Ausrüstung unter den Nagel. Zur Rechtfertigung dieser Machenschaften wurde die Legende in die Welt gesetzt, es sei nichts „materiell-rechtsstaatlich“ erworben worden. Das behauptete jedenfalls die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der damaligen PDS-Fraktion wider besseres Wissen. Derartige Verleumdungen zeugten nicht nur von Ahnungslosigkeit und Vorurteilen, sie waren untrennbarer Bestandteil jener Politik der „Delegitimierung“, die schon in vollem Gange war, bevor sie der seinerzeitige Justizminister Klaus Kinkel (FDP) auf einem Richtertag gefordert hatte.

 

Quellen:

 

Autorenkollektiv: „BI HANDLEXIKON IN ZWEI BÄNDEN“, Band 1 A bis Luffa, 1. Auflage, VEB BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT LEIPZIG 1982

Autorenkollektiv: „Kleines Politisches Wörterbuch“, 3., überarbeitete Auflage, DIETZ VERLAG, BERLIN 1978

Becker, Anne-Katrein: „Länder der Erde“ (Kleine LdE-Reihe) „Korea (KDVR“), 1. Auflage, Verlag Die Wirtschaft, Berlin 19881

„neues deutschland“ vom 12./13. August 2017

1989.dra.de/chroniken/sport.html?tx_weeaardra_pi1%5Byear%5D=1990

dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/054/1405435.pdf

https://www.ddr-museum.de/de/blog/archive/die-gesellschaft-fuer-sport-und-technik

https://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_für_Sport_und_Technik

www.ddr-comics.de/knote.htm

www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Gesellschaft_für_Sport_und_Technik

www.fallschirmjaeger-nva.de/.../verbandszeitschrift-fallschirmjaeger-traditionsverban.

www.poseidon-archiv.de/html/gst.html