Hetzjagd gegen Täve Schur

Thema

Wieder wurde Anlauf genommen, Täve Schur, Friedensfahrtsieger, Weltmeister im Straßenradsport, mit der Olympiamannschaft Gewinner der Bronze- und der Silbermedaille, in der „Hall of Fame“ genannten „Ruhmeshalle des deutschen Sports“ zu verewigen.

Von Hans-Joachim Weise 

 

Wieder wurde Anlauf genommen, Täve Schur, Friedensfahrtsieger, Weltmeister im Straßenradsport, mit der Olympiamannschaft Gewinner der Bronze- und der Silbermedaille, in der „Hall of Fame“ genannten „Ruhmeshalle des deutschen Sports“ zu verewigen. Abgesehen davon, dass es für die Zeit nach 1945/49 korrekt um den bundesdeutschen Sport geht, wogegen Täve ja für die DDR als staatliche und gesellschaftliche Alternative zur kapitalistischen BRD gefahren und auch politisch tätig gewesen ist, hat jener Antrag zu einem Kesseltreiben gegen ihn geführt, das einfach eine Schande ist.

 
Auch einstige Sportler und Trainer aus Thüringen sind leider daran beteiligt. Was sie allerdings gegen ihn vorzubringen haben, sind keine sachlichen Argumente, sondern wütende Rundumschläge mit schweren Koffern voller politischer Rüpelhaftigkeiten. Ungeachtet dessen genießt Täve Schur nach wie vor hohes Ansehen und er hat sich eine von Ehrlichkeit, Überzeugung und Lebenserfahrung geprägte politische Haltung bewahrt, die Achtung abnötigt. Da kann er über solche von antikommunistischer Paranoia geprägte blinde Wut völlig erhaben sein. Im übrigen hat er eine Aufnahme in jene Ruhmeshalle gar nicht nötig, zumal sie letztlich auch seine Vereinnahmung für den bundesdeutschen Sport bedeuten würde. Fragwürdig wird sie auch wegen der ab 1990 betriebenen Verleumdung der Friedensfahrt als „politisch belastet“ und den damit zusammenhängenden Machenschaften, die zu ihrem Ende beitrugen. Was jene, vor allem die Kinkelsche „Delegitimierungs“-Politik bedienenden Dopingjäger anbetrifft, so war die Reaktion auf die Studie des Sporthistorikers Giselher Spitzer bezeichnend genug: Im August 2013 vom MDR mit der von ihm nachgewiesenen Tatsache des seit Gründung der BRD auf regierungsamtliche Weisung betriebenen Dopings konfrontiert, folgte der anfänglichen Verlegenheit der „obersten Dopingjägerin“ das Ausweichen auf das Argument, jetzt sei es nötig, statt in die Vergangenheit in die Zukunft zu schauen. Offenbar nicht einmal zur Kenntnis genommen wird von diesem Personenkreis, dass dieses bundesdeutsche Staatsdoping sogar zu Todesfällen geführt hat. So war bei Wikipedia über die Siebenkämpferin Birgit Dressel zu erfahren, dass ihr seit 1981 Dopingmittel, darunter das Anabolikum „Stromba“, sportärztlich verordnet worden waren. Infolgedessen verstarb sie vor 30 Jahren, am 10. April 1987, in Mainz an explosionsartigem Multi-Organ-Versagen. 

 

Staatsdoping im Westen


Ebenfalls dort war zu lesen, dass Hans-Dietrich Genscher als damaliger Bundesinnenminister in Vorbereitung der Olympiade in München 1972 von namhaften Sportmedizinern verlangt hatte, mit allen Mitteln für überragende Erfolge der bundesdeutschen Mannschaft zu sorgen. Was unter „mit allen Mitteln“ zu verstehen war, kann man sich an den fünf Fingern abzählen.
Der Grund für jene ministerielle Forderung war sehr einfach: Die DDR nahm erstmals völlig gleichberechtigt, also mit Staatsflagge und Nationalhymne, an den Spielen teil – für hartgesottene Kalte Krieger ein ihnen schlaflose Nächte bereitet habender Alptraum! Also sollte die Flagge so wenig wie möglich gehisst und die Nationalhymne so wenig wie möglich gespielt werden müssen. Diese Rechnung ging bekanntlich nicht auf. Giselher Spitzer wurden übrigens nach Veröffentlichung der Studie gemäß dem Grundsatz, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf, sämtliche weiteren Mittel gestrichen und der Zugang zu noch nicht gesichteten Akten gesperrt. Nun liegt mit einer Promotionsarbeit neuerlich ein unumstößlicher Beweis für das bundesdeutsche Staatsdoping vor. 

 

Es geht um „Delegitimierung“ der DDR


Doch auch dazu wird geschwiegen, um zu vertuschen, dass Erforschung und Anwendung sogenannter unterstützender Mittel in der DDR erst dann einsetzten, nachdem Sportverbände kapitalistischer Staaten allen Verordnungen, Versicherungen und Versprechungen zum Trotz das zuvor schon betriebene Doping fortgesetzt hatten. Jede Chancengleichheit war dadurch unmöglich gemacht worden. Da Doping in Täves aktiver Zeit  in der DDR noch so gut wie keine Rolle spielte und er daran auch gar nicht beteiligt war, drängt sich der Verdacht geradezu auf, dass dieses Thema nur als Aufhänger dient: Es geht um die „Delegitimierung“ der DDR und in der Person Täve Schurs. Es geht gegen den Abgeordneten der Volkskammer, der in der Fraktion der FDJ und dann der SED seinen Einfluss und seine Popularität für die Förderung der Jugend sowie von Körperkultur und Sport genutzt hat.


Es geht ebenso gegen den Bundestagsabgeordneten der PDS, dessen Wissen und dessen Ansehen dazu beigetragen hatten, dass linker Politik eine nicht zu ignorierende Stimme verschafft worden war. Im übrigen sollten sich jene „Dopingjäger“ doch besser an die alte Volksweisheit, wonach nicht mit Steinen werfen soll, wer selbst im Glashaus sitzt, halten.