Windiges aus Ostthüringen

Politik im Land

Oder wie rechte Netzwerke mit mysteriösen Methoden gegen Linke kämpfen. Angesichts der sehr merkwürdigen Vorgänge um die rechtswidrige Absetzung eines LINKEN Jagdvorstandes im Kreis Greiz, könnte die externe Expertise nicht schaden. Auch, wenn es nicht wirklich Scully und Mulder von Akte X, sondern zwei Cosplayerinnen aus Jena sind, die hier für unser Foto ermitteln.

Provinzposse um den Vorstand einer Jagdgenossenschaft

Rechte Netzwerke mal anders: Hier wird nicht geschossen, aber mit fiesen Methoden gekämpft. Im Landkreis Greiz, wo die berüchtigte Landrätin Martina Schweinbsurg (CDU) regiert, läuft seit zwei Jahren eine Provinzposse um den Vorstand einer Jagdgenossenschaft. Angriffsziel von Klimawandelleugnern: der LINKE Karsten Halbauer. Er wurde rechtswidrig als Jagdvorstand abgesetzt und kämpft seit langem gegen das Unrecht. Seit Oktober 2020  ist er zwar wieder im Amt. Aber der Fall bleibt eine heiße Kiste, an dem sich selbst Politiker der Landesregierung, an die sich Halbauer gewandt hatte, nicht so richtig ran trauen.

UNZ hat ihn und seinen Kampf- und Leidensgenossen Peter Lückmann in Gera besucht, um sich die Sache genau erklären zu lassen.

Karsten Halbauer ist seit seinem 18. Lebensjahr Parteimitglied. „Die Leute, mit denen ich heute Schwierigkeiten habe, sind die Selben, die mir vor 30 Jahren vorgeworfen haben, dass ich nicht aus der SED ausgetreten bin“. Auch in der Gewerkschaft war er schon zu DDR-Zeiten. Feuerwehr, Kommunalpolitik im Kreistag und seit 13 Jahren Jagdvorsteher in der Gemeinde Hundhaupten-Makersdorf südwestlich von Gera. 

 

Das ist nicht irgendein Karnickelzüchter-Verein

„Das ist nicht irgendein Karnickelzüchter-Verein, sondern eine Körperschaft öffentlichen Rechts“, insistiert Halbauer. Heißt: Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass alle, die eine jagdbare Fläche haben, diese auch bejagen lassen müssen. Weil sie das in der Regel nicht selbst können, wird an einen Jäger verpachtet. Ähnlich wie bei der Industrie- und Handelskammer ist die Mitgliedschaft Pflicht. Den Vorsitz will selten jemand übernehmen. Weil Halbauer verwaltungsrechtlich gut ausgebildet ist, hat er ja gesagt. An sich problemlos: Einmal im Jahr eine Versammlung, Pacht von Jägern einnehmen und an die Mitglieder verteilen, Protokolle schreiben. Schon drei Mal, zuletzt 2017 gewählt. 

Windkraftgegner mit gutem Draht zur AfD

2016 kam unter der Schirmherrschaft von Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) ein 150-Seiten starker Regionalentwicklungsplan ans Licht der Öffentlichkeit, der u.a. auch Windvorrangflächen benennt. Im Kreis Greiz immerhin 966 Hektar. Natürlich dürfen Einsprüche erhoben werden. So entstand in Hundhaupten gleich eine Bürgerinitiative (BI). „Denen habe ich vom DGB-Büro sogar noch die ganzen Unterlagen gegeben und gesagt: Lest euch das durch, damit ihr wisst wie und wo ihr Einspruch erheben könnt“, erinnert sich Halbauer. Kurz danach entpuppte sich diese BI aber als reines Bündnis von Klimaleugnern mit besten Verbindungen zur AfD. Auch das EIKE-Institut hängt mit drin, eine pseudowissenschaftliche Lobbyorganisation aus Jena, die sowohl den Klimawandel als auch die Gefahren von Corona leugnet. Einen guten Draht dorthin haben auch prominente CDU-Politiker wie der Landtagsfraktionschef Prof. Mario Voigt. 

Peter Lückmann verweist zudem auf den „Toilettenbeauftragten“ der Bahn. Gemeint ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, der sich erst weigerte Maske zu tragen und sich dann auf dem ICE-Klo einschloss. Er behauptete neulich in einem wirren Video, dass Windräder schuld daran sind, dass der Jetstream langsamer wird und so Katastrophen wie die Hochwasser in Westdeutschland verursacht hätten. 

Abstruste Vorwürfe, rechtswidrige Abwahl 

Darüber könnte man ja fast noch lachen. „Allerdings kam die BI alsbald auf die Idee, mich aus dem Amt zu schmeißen, weil ich nicht gegen die Windräder bin“, schätzt Karsten Halbauer ein. Erst wurde eine Abwahl beantragt, weil Halbauer „Neigungen“ habe, die nicht mit seinem Amt vereinbar seien und er außerdem für Windkraftfirmen arbeiten würde. Tatsächlich ist Halbauer schon länger als Messgehilfe für ein öffentlich bestelltes Vermessungsbüro in Sachsen tätig und hat auch mal ein Erdkabel für ein Windrad aufgemessen. Mal abgesehen von den abstrusen Vorwürfen, ist eine Abwahl rechtlich aber gar nicht möglich. Eine Ersatzwahl gibt es nur bei Rücktritt, Todesfall oder, wenn jemand nicht mehr in Besitz der Fläche ist.

Anwalt sieht "Urkundenfälschung" 

Die Bürgermeisterin Gerlinde Pätzold-Häselbarth, früher mal FDJ-Sekretärin, heute parteilos, veränderte für das Amtsblatt die Einladung zur rechtswidrigen Abwahl von Halbauer. Somit lag aber keine ordnungsgemäße Einladung vor und so können keine Beschlüsse gefasst werden. Ein Rechtsanwalt aus Erfurt sprang Halbauer bei und sprach sogar von „Urkundenfälschung“.

Halbauer: „Laut Landwirtschaftsministerium bin ich nie abgewählt gewesen“

Doch die Geschichte eskalierte weiter: Im Dezember 2019 verkündete Pätzold-Häselbarth im Amtsblatt, sie lade als Notjagdvorstand zu einer neuen Versammlung ein. Obwohl das Landratsamt sich hier sogar zunächst auf Halbauers Seite stellte, wurde er im Januar 2020 „abgewählt“ und  das Landratsamt bestätigte der Bürgermeisterin die Rechtmäßigkeit. Halbauers Widerspruch erfolgte nach der Veröffentlichung im Mai 2020. Es folgten Schreiben an die Kommunalaufsicht, das Landesverwaltungsamt, das Landwirtschafts- und Innenministerium und sogar an Mobit, Ezra und ver.di. Wirklich weiter helfen konnte oder wollte ihm niemand so richtig, auch die „eigenen Genossen“ nicht. Ergenbis der ganzem Bemühungen  im Jahr 2020: „Laut Landwirtschaftsministerium bin ich nie abgewählt gewesen“, so Halbauer. 

Der Kampf ist noch nicht zu Ende

Neueste Entwicklung: Anordnungsbescheid vom Landratsamt. Weil 2 Jahre keine Versammlung stattfand, muss nun bis 31. August eine aus dem Boden gestampft werden.  Auch dieser amtliche Bescheid aus dem Landratsamt enthält „Formulierungen wie aus Reichsbürgerkreisen“, wie Halbauer findet. Sachliche Fragen werden nicht beantwortet, aber der Bescheid aufrechterhalten. Der Kampf ist noch nicht zu Ende. Vermutlich werden es die gleichen Netzwerke sein, die versuchen werden, Halbauer einen Strick zu drehen. 

Dass Politiker*innen von CDU und AfD nicht gerade pro Windkraft sind, ist kein Geheimnis. Warum aber wird wegen eines linken Jagdvorstands so ein Aufwand betrieben, der an Verschwörungen wie in miesen Hollywoodfilmen erinnert? 

„Die leben Antikommunismus

Peter Lückmann, seit 50 Jahren Gewerkschafter und in Gera aktiver Genosse, meint: „Die leben Antikommunismus“. Ein „dicker Hals, Wut und Ohnmacht“, prägen oft seine aufopferungsvolle politisch Arbeit, insbesondere im Landkreis Greiz, wo Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) ein „Regime der Angst“ errichtet habe. Bis heute ist sie auch die Einzige, die ihren Auszubilden das von Rot-Rot-Grün eingeführte Azubi-Ticket verweigert. 

Fast wie Kemmrichs Coup, nur einer Nummer kleiner? 

Sowohl Lückmann als auch Halbauer vermuten, dass es politisch in erster Linie gegen Rot-Rot-Grün geht. So wie der Kemmerich-Coup vom 5.2.20 ein Test dafür war, wie weit CDU und FDP bei der Zusammenarbeit mit der AfD gehen können, ist der Skandal um Halbauers Absetzung im Prinzip das Gleiche, nur eine Nummer kleiner und fernab der Landeshauptstadt. 

"Der Karsten hat´s geschafft!"

Dieses „krude Spiel in Hinterzimmern“, laufe besonders intensiv, seitdem die AfD in Fraktionsstärke im Landtag sitzt. Aber: Widerstand, auch jenseits des Parlamentarischen, lohnt sich doch! „Ich habe allen sofort den OTZ-Artikel, der die „Wiedereinsetzung“ als Jagdvorstand verkündete, geschickt und dazu geschrieben: „Der Karsten hat´s geschafft! Es geht, wenn man will!“, sagt Lückmann kämpferisch. 

Wie Don Quichotte, aber für Windmühlen 

Diese gegenseitige moralische Unterstützung an der Basis ist extrem wichtig, auch für Lückmann selbst, der sich ständig mit „Hardcorenazis“ auseinandersetzt, wo nicht Juristen, sondern Fäuste sprechen. „Leider komme ich mir oft vor, wie Don Quichotte“, schnauft Lückmann, wobei der, wie Halbauer zu Recht einwirft „gegen und nicht für die Windmühlen gekämpft hat“. 

Gut, dass beide trotz der harten Kämpfe ihren Humor nicht verloren haben, denn der Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Noch immer kämpft die Bürgermeisterin gegen Windkraft. Eine Klage gegen das Windvorranggebiet ist wohl eher nicht so aussichtsreich, wenn sie von der BI oder der Gemeinde kommt. Besser wären die Aussichten, falls die Jagdgenossenschaft klagt. Die hätte dafür auch ein paar Euro auf der hohen Kante, wie Halbauer verrät. 

"... und dann geht die ganze Scheiße weiter“

„Es werden mit Sicherheit weiter juristische Fallstricke konstruiert werden und dann geht die ganze Scheiße weiter“, prophezeit Lückman, der das auch aus anderen Bereichen kennt. AfD-Juristen schauen nur zu gern, wo sie gemeinnützigen Vereinen im Bereich Demokratie und Antifaschismus wegen formaler Kinkerlitzchen die Fördermittel streitig machen. Lückmann vermutet, dass man im Fall Halbauer im ruhigen Hinterland ein solches Verfahren mal durchexerzieren möchte. Aber sie haben nicht mit der Hartnäckigkeit von Karsten Halbauer gerechnet. Auch das ist eine Parallele zum 5.2.20. Da haben viele ebenso nicht mit dem großen Widerstand auf der Straße gerechnet. Und auch da hat sich der Widerstand am Ende gelohnt.               

 

Thomas Holzmann