Lützerath ist überall

Politik im Land

Auch in Thüringen steht der Braunkohletagebau für den „fossilen Kapitalismus“: Nur für den Profit des Konzerns RWE knüppelt die Polizei Baggern den Weg frei. Das bringt vor allem die Jugend auf die Palme.

Früher hieß es in Thüringen oft: „Bischofferode ist überall“. Das, was die Konzerne BASF, Kali & Salz und die Treuhand Anfang der 90er Jahren mit den Kali-Kumpeln im Eichsfeld machten, war ein Paradebeispiel wie der Kapitalismus für Profit ganze Regionen in den Abgrund reißt. Auch ein Hungerstreik der Kali-Kumpel und Kritik vom Papst änderten nichts. Heute erinnert nur noch ein Museum an das Bergwerk, wo einst 2.000 Menschen malochten.

 

Gedruckmaschine Kraftwerk

 

Für die Umweltfolgen des Kali-Bergbaus, so genannte Altlasten, darf Thüringen (und der Bund) aber natürlich bis zum Sankt-Nimmerleinstag selbst blechen. Gewinne privatisieren und Verluste vergesellschaften: Dieses Geschäftsmodell beherrscht auch der Energie-Riese RWE aus dem Effeff. Seine Atomkraftwerke sind wahre Gelddruckmaschinen. Die Kosten des Rückbaus und der ungeklärten Endlagerung (vielleicht bald in Thüringen) dürfen die Steuerzahler*innen übernehmen.

 

Lützerath-Kohl für Energiesicherheit nicht nötig

 

Dabei sind sich bei Atomkraft und Braunkohle fast alle Expert*innen einig: Beides ist für die Energiesicherheit Deutschlands nicht nötig. Und schon gar nicht die Braunkohle, die unter dem Dorf Lützerath liegt. Es geht allein um den Profit von RWE!

Ob es sinnvoll ist, sich am Rande eines Tagebaus festzuketten, darüber darf man unterschiedlicher Meinung sein. Aber die Wut ist groß und die Proteste notwendig. Ganz im Gegensatz zu selbsternannten Friedensaktivisten mit Russlandfahnen oder die letzten Reste der Corona-Leugner.  

 

Profite mit dreckiger Braunkohle

 

Auch in Thüringen gingen im Januar in den größeren Städten hunderte, vornehmlich junge Menschen, für „Lützi“ auf die Straße: „Bundesregierung und NRW-Landesregierung prügeln Menschen aus einem Dorf, damit ein Milliardenkonzern weiter Profite mit dreckiger Braunkohle machen kann. Auch die Grünen machen mit“, prangerte Annika Liebert von Fridays for Future in Erfurt an.

 

Mit Vollgas in die Klimakrise

 

„Wenn die Kohle unter Lützerath verfeuert wird, heißt es für Deutschland: Mit Vollgas in die Klimakrise. Verantwortliche Politiker*innen sollten dann nicht mehr das 1,5°C-Ziel in den Mund  nehmen“.Die Klimaaktivist*innen  befürchten,  dass die gleiche Kohlemenge wie ursprünglich bis 2038 geplant nun schon bis zum Jahr 2030 verbrannt werden könnte.  Selbst das neoliberale Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ist sicher: Die Nutzung der unter Lützerath befindlichen Kohlemenge hätte zur Folge, dass Deutschland mehr Emissionen ausstoße als für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zulässig.

Neben Fridays for Future beteiligten sich u.a. auch  die Natur-Freunde-Jugend, das feministische Forum Erfurt und sogar Jusos Thüringen und Grüne Jugend. Alle waren  sich einig: Lützerath ist vor allem ein Symbol dafür, wie die Zukunft des Planeten zugunsten von Konzerninteressen verschleudert wird. Da hilft leider auch kein grüner Klima-Minister. Aber neben Wut und Fassungslosigkeit, ist auch gewisser Optimismus spürbar.

 

"Wir ziehen uns alle zusammen raus aus diesem Loch"

 

Spontan packen einige Aktivist*innen vom Klimacamp Gitarre, Banjo und Geige aus und musizierten: „Wir sind eine Stimme, komm' noch dazu, Wir ziehen uns alle zusammen raus aus diesem Loch“ so der Refrain. Eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen, auch darin waren sich alle, auch die wenigen Älteren, die bei eisigem Wind eine Stunde auf dem Fischmarkt standen, einig.

 

Vielfältige Proteste, sind wichtig: „damit Leute dazu kommen können“.

 

Und selbst, wenn die Welt nicht allein durch den Erhalt von Lützerath gerettet wird: Vielfältige Proteste, sind wichtig: „damit Leute dazu kommen können“.  Das hilft, neue zivilgesellschaftliche Bündnisse zu schmieden, die auch bei anderen Krisen funktionieren können. So wie beim Tabubruch von Erfurt 2020. Damals waren es vor allem junge Menschen aus dem Umfeld von Fridays for Future, die Bodo Ramelow und Rot-Rot-Grün mit tagelangen Dauerprotest den Hintern gerettet haben. Immer Verlass dabei war auch auf Gruppen wie die Omas gegen Rechts.

 

Proteste bringen nichts? Doch, siehe Fall Brent Spar!

 

Wer immer noch denkt, dass solche Proteste sinnlos sind und nichts bewirken, sollte sich noch mal mit dem Fall Brent Spar beschäftigen. Der Ölkonzern Shell wollte seine Öl-Plattform 1995 einfach in der Nordsee versenken, inklusive 100 Tonnen Rohöl.  Es folgten weltweite Proteste und ein Boykott. Shell lenkte unter dem gewaltigen Druck ein und schleppte seine Plattform zum Zerlegen an Land. 1998 wurde sogar ein  Versenkungsverbot für Ölplattformen im Nordatlantik beschlossen.

 

Thomas Holzmann