Antifeminismus lässt sich nicht wegdiskutieren

Durch AfD und Rechtsruck hat Frauenfeindlichkeit wieder stark zugenommen. Die LINKE Politikerin Lena Saniye Güngör erläutert die Handlungsmuster und will Frauen zum Widerstand anstacheln.

Antifeminismus ist ein zentraler Bestandteil von nationalistischen Ideologien

 

Das Ende der alten weißen Männer ist vielmehr das Ende ihrer Deutungshoheit und ihrer Überzahl in Machtpositionen.  Leider schmilzt die nicht einfach so wie ein Schneemann in der Sonne. Doch für einige ist dies nicht nur eine pointierte Darstellung von gleichberechtigten Kräfteverhältnissen, sondern ein identitärer Angriff. Denn der Antifeminismus ist ein zentraler Bestandteil von nationalistischen Ideologien, wenn auch er in der öffentlichen Wahrnehmung zunächst weniger sichtbar erscheinen mag. Dieser prägt Einstellungs- und damit auch Handlungsmuster. Neben einem grundlegenden Blick ins Wahlprogramm der AfD, zeigt das auch ihr Antrag im Thüringer Landtag zur Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten. Die Angriffe der AfD richten sich auf Strukturen sowie auch auf konkrete Personen. 

 

69 Prozent erleben frauenfeindlichen Hass

 

Eine kürzlich im Spiegel erschienene Umfrage macht dies im parlamentarischen Alltag sichtbar: So gaben 69 Prozent der Politikerinnen an, frauenfeindlichen Hass als Bundestagsabgeordnete zu erleben. 64 Prozent bekommen entsprechende Nachrichten, häufig über Social Media. 36 Prozent erleben Angriffe auf sich, ihre Büros oder ihren Wohnsitz.

 

AfD-Fraktion als Quelle von Anfeindungen

 

Die Zunahme einer frauenfeindlichen Stimmung wird besonders auch in der Debattenkultur des Plenums sichtbar, allein die unterschiedlichen Geräuschpegel und die Anzahl von Zwischenrufen sind Symptome eines geringeren Respekts bei einer Frau am Mikrofon. Während die AfD-Abgeordneten nicht an der Spiegel-Umfrage teilnahmen, verwiesen die meisten Befragten in ihren Antworten explizit auf die AfD-Fraktion als Quelle von Anfeindungen. 

 

Respektloses Verhalten im Plenum gegenüber Frauen

 

Analoge Erhebungen auf Thüringer Landesebene liegen nicht vor, es ist jedoch anzunehmen, dass sich ein vergleichbares Bild zeigt. Insbesondere, was respektloses Verhalten im Plenum gegenüber Frauen angeht. Das ist gerade auch vor dem Hintergrund der Geschlechterverteilung in Parlamenten relevant, bei der Parität weiterhin lediglich von LINKEN, SPD und Grünen gelebt wird. 

Was Realität werden kann, wenn Antifeminismus von Nationalisten in Regierungsverantwortung mündet, zeigt der Blick nach Polen eindrücklich. Die dortige Abtreibungspolitik wird immer weiter verschärft und ist Zeugnis der Unterdrückung von feministischen Kämpfen. Doch auch, wenn die Regierungsverantwortung in konservativer Hand liegt, wird Feminismus als Antwort auf täglichen Frauenhass unsichtbar gemacht. 

 

Femizide müssen endlich als solche anerkannt werden

 

Immerhin: Aktuell läuft im Bundestag die Debatte zur Untersuchung, Benennung und Verhinderung von Femiziden. Die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechtes soll als Femizid bezeichnet werden. Femizide müssen in Deutschland endlich als solche anerkannt werden, denn sie gehören zur extremsten Form der geschlechtsspezifischen Gewalt.

 

Tötungen im Kontext einer Abwertung und Unterdrückung von Frauen

 

Tötungsdelikte an Frauen dürfen nicht weiter als Affekthandlungen aus Eifersucht oder Beziehungsuneinigkeiten verharmlost oder gar gerechtfertigt werden, denn „all diese Tötungen passieren im Kontext einer Abwertung und Unterdrückung von Frauen“ wie DIE LINKE Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring treffend unterstreicht. Sowohl das Benennen und Definieren von Femiziden, als auch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur  Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen) in Deutschland sollen Strukturen erzeugen, in denen von geschlechterspezifischer Gewalt betroffene Personen ausdrückliche Rechte zum Schutz erhalten. Nur durch die Benennung von Femiziden, können diese als solche anerkannt und erforderliche Präventionsarbeit geleistet werden.

 

 

Zu sagen: bei uns ist es doch ganz gut, ist naiv und gefährlich!

 

Die Vielzahl von Auswirkungen von frauenfeindlichen Einstellungs- und Handlungsbögen zeigen uns als Gesellschaft damit deutlich, dass wir Antifeminismus nicht einfach wegdiskutieren können, wenn wir davon sprechen, dass es „bei uns“ doch eigentlich ganz gut sei mit den Frauenrechten, dass ein paar anzügliche Sprüche eine Frage des Humors und nicht der Haltung wären. Denn so zu argumentieren ist nicht nur naiv, sondern auch gefährlich. 

 

Ihr seid nicht allein!

 

Deshalb lasst uns auf der Straße und in den Parlamenten weiter für einen feministischen Antifaschismus kämpfen! Lasst uns Sexismus in all seinen Facetten entschieden entgegentreten! Und lasst uns alten weißen Männern zeigen, dass das Ende ihrer Deutungs- und Machthoheit auf dem Weg zu einer gerechten Gesellschaft eine wichtige Errungenschaft für alle ist. Ihr seid nicht allein! Überall, auch in Thüringen, vernetzen und engagieren sich Frauen gegen das letzte Aufbäumen des Patriarchats.  

Mein Tipp: Pünktlich zum Frauen*kampftag am 8. März  fand das Release von Atalante statt, einer Webseite (https://atalante-thueringen.de), die die feministische und frauenpolitische Landschaft Thüringens abbildet und damit eine Vielzahl von feministischen Kämpfen sichtbar macht. 

 

Lena Saniye Güngör