Mit Gras aus dem Supermarkt gegen die Pharmalobby

Land & Leute

Ein „Nahkauf“ bietet Cannabis-Blüten ohne THC an. Das berauscht nicht, wirkt entspannend und könnte vielen Kranken helfen. Warum das der Pharmaindustrie nicht passt und was das für die Legalisierung bedeutet.

 

Ist CBD legal?

 

CBD-Blüten hier erhältlich, ist auf einem Schild im Erfurter Nahkauf Franz zu lesen.  Und tatsächlich: Für 12,50 Euro gibt es ein Gramm getrocknete Blüten der Cannabis-Pflanze, fast wie in einem Amsterdamer Coffeeshop. Eigentlich ist der Verkauf von Pot, Weed, Ganja oder Gras, wie die Blüten auch genannt werden, in Deutschland gemäß Betäubungsmittelgesetz (BTMG) illegal. CBD, die Kurzform von Cannabidiol, macht aber weder „high“ noch „stoned“ wie der Wirkstoff  THC. Davon ist laut Packungsangabe weniger als 0,2 Prozent enthalten. Aber ist das wirklich legal und vielleicht sogar der Einstieg in die Cannabis-Legalisierung? 

 

Skepsis und Razzien

 

In Werners Headshop, wo alles Mögliche rund um Cannabis verkauft wird, winkt man ab: zu viel Grauzone, zu gefährlich. Zu groß ist die Angst vor einer Razzia. So wie im Hanf-Kosmetik-Shop-„Green Star“, wo letzten Dezember die Polizei anrückte und die CBD-Blüten beschlagnahmte. Gleichzeitig freut man sich über den Mut des Einzelhändlers und hofft, dass die Polizei bei einem seriösen Supermarkt vielleicht doch nicht anrückt. Bis jetzt gab es jedenfalls keinen Ärger, dafür aber eine umso höhere Nachfrage, erklärt eine Verkäuferin. 

Auf unsere Nachfrage versichert die Herstellerfirma „Hugos Hemp“ aus Wiesbaden, dass häufig kontrolliert wird und es bislang keine Beanstandungen gab. Sie wissen aber auch, dass Mitbewerber schon reichlich Ärger mit den Behörden hatten und einige deswegen dicht machen mussten. 

 

Cannabis ist der Pharmaindustrie ein Dorn im Auge 

 

Wie legal ist CBD nun? „Die Rechtslage ist relativ umstritten, da es nicht um das BTMG geht, sondern um neue Lebensmittel (so genannte Novel Foods). Das ist eine offene Rechtsfrage, weil die EU die Genehmigung verweigert“, erklärt der Polizist Frank Tempel. Thomas Schneider, Vorsitzender der Grünen Hilfen Thüringen sieht das etwas anders: „Natürlich ist das legal, wenn es kein THC enthält. Problem ist, dass die Polizei es trotzdem beschlagnahmt und erst zurück gibt, wenn sie feststellen, dass kein THC enthalten ist“. In Wirklichkeit gehe es nur darum, ein Produkt, das im niederschwelligen Bereich medizinisch angewendet werden kann, zu verhindern“, stellt Frank Tempel klar. „Leider entblöden sich auch die Behörden in Thüringen für gar nichts“, schimpft Thomas Schneider. Damit machen sich zum Büttel für die Pharmaindustrie, der Cannabis als billiges Konkurrenzprodukt schon immer ein Dorn im Auge war.

 

Haschisch gegen Hühnerhaugen 

 

„Dabei wurde noch bis ins frühe 20. Jahrhundert Cannabis gegen alle Wehwehchen von Kopfschmerzen bis Hühneraugen verschrieben“, weiß Schneider. Tempel sieht das genauso und schätzt ein, dass diese Verhinderungstaktik nicht ewig funktionieren wird. „Es wird aber noch eine Weile dauern, bis sich das einpegelt. Bis dahin wird es Razzien und Beschlagnahmungen geben“. 

 

Die Ärzte spüren auch den Druck der Pharmalobby,

 

Viele kranke Menschen, denen Cannabis – ob THC oder CBD – das Leben sehr erleichtern kann, müssten nach einer Gesetzesänderung von 2017 eigentlich leicht an ihre Medizin kommen. Leider weit gefehlt. „Es gibt praktisch keine Ärzte die sich da ran trauen, weiß Schneider.  Und: „Parlamentarisch ist leider momentan überhaupt kein Druck dahinter“, sagt Tempel. Dazu kommt: „Die Ärzte spüren auch den Druck der Pharmalobby, ihre Produkte zu verwenden und durch das lange Verbot gibt es eine große Hemmschwelle bei Cannabis.“

 

CBD im Seniorenheim 

 

Tempel sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht Druck zu machen, so dass die medizinische Anwendung von Cannabis mehr in die Öffentlichkeit rückt. Da hilft auch der Blick in andere Länder. Immer mehr US-Bundesstaaten, Kanada und was das Medizinische angeht, allen voran Israel, sind von den kontraproduktiven Verboten längst abgerückt. „Uruguay hat sogar extra einen Lehrstuhl mit drei Professoren nur für medizinisches Cannabis eingerichtet. In Israel ist es völlig normal, in Seniorenheimen als Schmerzmittel oder zur   generellen Verbesserung der Lebensqualität CBD zu verabreichen“, weiß Tempel zu berichten. 

 

Ein Medikament, das vielen helfen kann 

 

„Für eine Legalisierung braucht es viele kleine Mosaiksteinchen und wenn ein Supermarkt mitmacht, ist das sicher ein größerer Stein als wenn es ein Headshop tut. Frank Tempel wünscht sich generell mehr öffentliche Debatten und freut sich immer, wenn in der Apothekerzeitung etwas über Cannabis als Medizin erscheint. „Ich bin überzeugt, dass sich Cannabis als Medikament, was vielen helfen kann, eines Tages durchsetzen wird.“ 

 

Über 180.000 Verstöße gegen das Cannabis-Verbot allein 2019 

 

Was die generelle Freigabe auch als Rauschmittel betrifft, das nachweislich weniger schädlich ist als Alkohol, tut sich in Deutschland leider fast gar nichts. Und dass obwohl Polizei und Justiz chronisch überlastet sind. Über 180.000 Verstöße gegen das Cannabis-Verbot gab es allein 2019. Während kleine Kiffer im Schnellverfahren verknackt werden, warten gewalttätige Neonazis bis zur Verjährung auf ihren Prozess. 

 

„Die schicken ihre Weinköniginnen in den Bundestag und bremsen“ 

 

Zu dem Irrsinn passt die totale Inkompetenz der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU), über die Thomas Schneider nur den Kopf schütteln kann. Cannabis sei kein Brokkoli und verboten, weil es illegal, so ihre pampige Antwort auf eine Frage nach der Legalisierung. „Bei CBD ist es die Pharmalobby und bei THC die Alkoholindustrie, denen das an die Karre fährt“, meint Schneider. „Die schicken dann ihre Weinköniginnen in den Bundestag und bremsen, bremsen, bremsen. Es geht auch deshalb nichts vorwärts, weil die Schiss haben“. Schneider verweist auf die USA, wo in den Gebieten, wo Cannabis legal ist, der Gebrauch von schweren Schmerzmitteln um 20 Prozent zurück gegangen sei. 

 

 

„Über den Klimawandel lacht sich der Hanf kaputt“

 

Und die verbotene, älteste Kulturpflanze kann noch viel mehr. „Über den Klimawandel lacht sich der Hanf kaputt. Und, wenn wir nur auf drei Prozent der Brachflächen in der EU Hanf anbauen würden, bräuchte kein Baum mehr für Zellstoff gefällt werden.“ 

Das ruft dann nach Pharma- und Alkoholindustrie den nächsten mächtigen Cannabis-Gegner auf den Plan: die Chemieindustrie. Allen voran der US-Gigant DuPont forcierte nach dem 2. Weltkrieg das Cannabisverbot mit unfassbaren Lügen (Einstiegsdroge „Mörder der Jugend“ usw.), die sich bis heute halten. Und das nur, weil die Hanffaser ein unliebsames Konkurrenzprodukt zum Nylon darstellte. Aus Hanf können Benzin, Möbel, Häuser und sogar Autos gebaut werden. Mit Hanfsamen ließe sich der Welthunger beenden. Und, und, und. All das wissen leider zu wenige. 

 

Cannabis-Verbot auch rassistisch motiviert

 

Genauso wenige wissen, dass das Cannabis-Verbot auch rassistisch motiviert war. Daher auch das Wort Marihuana – erfunden in den USA in den 1920ern, weil es fremd und bedrohlich klingt: Mexikaner und Schwarze rauchen das „Mörder-Kraut“, spielen ihren „Teufelsjazz“ und vergewaltigen dann weiße Frauen – so die Propaganda. 

Stark vereinfacht könnte man sagen: Wer total gegen Cannabis ist, muss entweder  desinformiert, raffgieriger Lobbyist oder ein Nazi sein.

 

Thomas Holzmann