Kriegsdienst verweigern

Nein sagen, sowohl zum Kriegsdienst beim Militär als auch bei der Steuerzahlung für Militär, Rüstung und Krieg. Für Martin Rambow gab es schon bei der Musterung zur NVA nur eins. Heute will der Pfarrer im Ruhestand andere dazu bewegen, den Kriegsdienst mit der Steuer zu verweigern.

Auch von Thüringer Boden geht Krieg aus! Seit das Logistikkommando der Bundeswehr von der Erfurter Löberfeld-Kaserne aus die weltweiten Einsätze koordiniert, gehören Uniformen wieder zum Stadtbild wie in preußischen Tagen. In Waltershausen bei Multicar wird der Mungo-Panzer gebaut, bei Jenoptik jede Menge Bauteile von Drohnen bis zum Kriegsschiff. Wo noch überall Kriegsgüter produziert werden, ist im Rüstungsatlas der Rosa-Luxemburg-Stiftung (www.ruestungsatlas-thueringen.de) dokumentiert. 

 

Eine handvolle Leute

 

Kriege wie in Syrien oder Jemen sind spätestens mit Corona aus dem Blickfeld verschwunden. Dazu kommen die wachsenden Spannungen zwischen Russland und dem Westen und unberechenbare Psychopathen wie Trump oder Erdogan. Widerstand gegen Krieg und Rüstung regt sich dennoch nur wenig. Anders als bei Fridays for Future oder Black Lives Matter sind bei Friedensaktionen meist nur eine Handvoll Leute zu sehen. 

 

Jena neues Zentrum der Friedensbewegung 

 

In der Thüringer Kulturhauptstadt trifft UNZ den Friedensaktivisten Martin Rambow. Der Pfarrer im Ruhestand engagiert sich für das Netzwerk Friedenssteuer. In Weimar beteiligt er sich an kleinen, aber feinen Friedenshappenings, die die Weimarer Initiative Welt Ohne Waffen organisiert. Gegründet hat sie der emeritierte Ästhetik-Professor Olaf Weber. Dann gibt es noch nach Geraer Vollbild ein eigenes von der Weimarer Linkspartei veranstaltetes Friedensfest. Für Rambow ist aber nicht etwa Weimar, sondern Jena das Zentrum der Thüringer Friedensbewegung: „Das kommt daher, weil seit einigen Jahren die Rüstungssparte von Jenoptik in den Fokus geraten ist. Es gibt einige „Kritische Aktionäre“, Mitglieder und Sympathisanten der gleichnamigen bundesweiten Initiative.

In Jena hat sich 2012  der „Trägerkreis Jena entrüstet“ gegründet. Sein Symbol: Jenas Stadtengel St. Michael, aber ohne Schild und Schwert. In der Folge entstand 2015 das „Netzwerk Rüstungskonversion Thüringen“. als Zusammenschluss von ca. 20 Friedensinitiativen aus Gewerkschaften, Kirchen, lokalen Akteuren.

 

Nicht traurig sein, wenn es schwerpunktmäßig um Ökologie geht

 

Auffällig an dem bunten Gemisch der Friedensgruppen ist: Viele kommen aus kirchlichen Kreisen. Rambow war früher Pfarrer in Erfurt, wo auch der 2018 verstorbene Karl Metzner sich vor und nach der Wende für den Frieden engagierte. Ute Hinkeldein, die Thüringer Friedensfrau, ist ebenfalls evangelisch geprägt. Dazu kommen die „Offene Arbeit“ Erfurt oder auch die Junge Gemeinde in Jena. Was allen Gruppen fehlt, ist der Nachwuchs. Und seit dem Friedensnobel-Preis für die Anti-Atomwaffen-Kampagne ICAN 2017 gab es kaum mediale Aufmerksamkeit für Friedensinitiativen. 

 „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ist die Formel der kirchlichen Friedens- und Umweltbewegung seit den 1980er Jahren. In ihr stehen diese drei Themen gleichrangig nebeneinander. Da müssen wir nicht traurig sein, wenn es zurzeit eben mal schwerpunktmäßig um Ökologie geht“, meint Rambow mit Blick auf Fridays for Future.  

 

Lebensentscheidung Kriegsdienstverweigerung 

 

1946 geboren, hat er sich Schritt für Schritt zum Pazifisten entwickelt. Der Vater wurde im 2. Weltkrieg verwundet, und auch sonst waren in den Nachkriegsjahren die Kriegsfolgen in der Öffentlichkeit sehr präsent. Angesichts der Wiederbewaffnung und der Gründung der beiden Armeen in den 1950er Jahren nahm die Zahl von Wehrdienstverweigerern in der DDR – trotz der Standard-Strafe von 20 Monaten Knast – zu. Viele verließen vor 1961 noch die DDR, um dem Dienst in der NVA zu entgehen. Aber auch nach dem Mauerbau wuchs die Zahl der Verweigerer. So führte die DDR 1964 die unbewaffneten „Baueinheiten“ als Teil der Armee ein und hoffte dabei, die Kriegsdienstverweigerer-Szene auszutrocknen. Rambow gehörte aber zu denen, die dabei blieben: „Ich werde kein Mitglied dieser Armee, auch nicht der Baueinheiten.“ So kurz nach der Einführung der Bausoldaten, als er gemustert wurde und verweigerte, war man darauf nicht gefasst und orientierungslos, vermutet Rambow. „Einen Tag vor meinem Musterungstermin war ein Wehrdienstverweigerer direkt bei der Musterung verhaftet worden. Damit musste ich auch rechnen.“ Sein Glück: Die Zulassung zum Studium in der Tasche, hieß es bei der Musterung in Radebeul: „Gehen se erstma heme“. Damit war das Thema NVA erledigt. „Das war eine Lebensentscheidung und für mich der Beginn des Weges als bekennender Pazifist.“ 

 

Ich für den Frieden 

 

Die Idee mit der Friedenssteuer war bereits Anfang der 1980er in der Bundesrepublik entstanden. „In der DDR waren wir ja auch gar nicht in der Situation, kritisch zu reflektieren, was mit unserem Steuergeld passiert.“  Zu dieser Zeit, noch in der DDR, lernte er auch den Gründer der konsequent pazifistischen Basisbewegung „Ohne Rüstung Leben“ kennen. „Da hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Deren beide Leitsätze beginnen mit „Ich“. Sei es bei Frieden, Ökologie oder Menschenrechten – ich muss Ich sagen, muss selber handeln und nicht auf die anderen schimpfen.“ Das gilt für Aktivitäten in Thüringen, aber auch für den Konflikt zwischen dem Westen und Russland wie überall, wo beim Thema Krieg-Frieden auf militärische statt auf zivile Konfliktlösungen gesetzt wird. So setzt sich das Netzwerk Friedenssteuer für eine gesetzliche Regelung ein, die es ermöglicht, aus Gewissensgründen die Zahlung von Steuern für Rüstung, Militär und Krieg zu verweigern. Damit eines Tages wirklic kein Krieg mehr von Thüringer Boden ausgeht. 

 

Thomas Holzmann

 

 

Etwas für den Frieden: Diese Gruppen gibt es in Thüringen 

 

Aktionskreis für Frieden e.V

Gegründet am 18.1.90., ging aus dem „Neuen Forum“ hervor. Ist  eine der ältesten Friedens- und soziokulturellen Vereine Thüringens. Ansprechpartnerin: 

Ute Hinkeldein: 

E-Mail: aktionskreis-frieden-erfurt@gmx.de 

 

Netzwerk Rüstungskonversion

Seit 2012 als Trägerkreis Rüstungskonversion in Jena aktiv. 2015 zur Initiative für einen Thüringer Rüstungskonversionsfonds und 2019  zum Netzwerk Rüstungskonversion Thüringen ausgebaut.

www.ruestungskonversion-

thueringen.de

Ansprechpartner: 

Prof. Dr. Joachim Misselwitz

 

Welt ohne Waffen e.V.

Partei-unabhängige, Politik-nahe Denk- und Aktionsgruppe für

Frieden und Abrüstung in Weimar.

Ansprechpartner: 

Prof. Dr. Olaf Weber

Info@weltohnewaffen.de

www.weltohnewaffen.de

 

Netzwerk Friedenssteuer

Kriegsdienstverweigerung per Steuer. Schwesterorganisationen in vielen Ländern verfolgen dieses Ziel ebenfalls. Ein Zivilsteuergesetz wurde formuliert. Dazu gibt es zwei Gutachten. Alles fachjuristisch einwandfrei. Es werden Militärsteuer-Verweigerungsprozesse geführt bis das Zivilsteuergesetz beschlossen und umgesetzt ist.

Ansprechpartner: 

Martin Rambow

martin-rambow@web.de

netzwerk-friedenssteuer.de

 

LAG Frieden und Internationale Politik DIE LINKE. Thüringen.

Ansprechpartnerin: Karin Schrappe

E-Mail: fip@die-linke-thueringen.de