„Integration, die schmeckt“
Basel Khankan und sein Bruder Majd sind Macher mit Hummeln im Hintern. Baklava, deutsches Brot, arabisches Catering Transport-Unternehmen, Werbeagentur und bald ein syrisches Bistro – ihr Arbeitseifer erinnert fast schon an preußische Tugenden.
„Erste ausländische deutsche Bäcker"
Das Bäckerhandwerk gehört zu den akut vom Aussterben bedrohten Berufen. Jeden Tag um 2 Uhr in der Frühe aufstehen, darauf hat heute kaum jemand Lust. Die Anzahl traditioneller Bäckereien, die nicht nur Rohlinge aus der Fabrik auftauen, wird nicht nur in Erfurt immer kleiner. Machen neue Bäckereien auf, sind das meist Filialen großer Ketten. Nicht so am Südende der Magdeburger Allee in Erfurt. Hier wird nicht nur Großteils selber gebacken, es ist auch der „erste ausländische deutsche Bäcker“. So nennt es jedenfalls Basel Khankan, der im Sommer der Migration 2015 mit seinem jüngerem Bruder Majd zu Fuß über die Balkanroute aus Syrien nach Thüringen fliehen musste. Für Assads Armee kämpfen und auf die eigene Familie schießen – für den Petroleumtechnik-Ingenieur unvorstellbar. Der lange Weg führte Basel zunächst nach Mühlhausen, wo er als Praktikant und kurz darauf als Sozialbegleiter für Geflüchtete Arbeit im Jobcenter fand. Es erfüllt ihn mit Stolz, noch nie auch nur einen Cent Sozialleistungen erhalten zu haben.
Preußische Arbeitsmoral
Basel Khankan stammt aus einer Bäckerfamilie und ist ein echter Macher mit Hummeln im Hintern, der sich höchstens fünf Stunden Schlaf gönnt. Deutsch hat er sich selbst beigebracht – für ihn eine Selbstverständlichkeit in einem fremden Land. Basels Verständnis von Arbeit ist so was von preußisch-calvinistisch, da würden selbst Luther oder Bismarck aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen. Logisch, dass so einen die Arbeit im Provinz-Jobcenter bald nicht mehr ausfüllte. Aber dafür lernte er dort seine Frau kennen. „Wir haben uns gesehen und es hat gefunkt“, schwärmt Nadine. Zusammen haben sie eine bald dreijährige Tochter.
Am Anfang war Baklava
Mit seiner Frau hat Basel auch die ideale Partnerin für alle seine sprudelnden Geschäftsideen. Im Sommer 2019 eröffneten die beiden in der Stauffenbergallee Nummer zwei „Mr. Baklava“, der die arabischen Süßigkeiten in besonders guter Qualität kredenzt. So gut, dass die Spezialitäten aus Teig mit Walnüssen, Mandeln oder Pistazien per Onlineshop nach ganz Deutschland geliefert werden.
Mit dem syrischen Wohnzimmer auf der Thüringen-Ausstellung
Kurz vor dem ersten Corona-Lockdown ergab sich die Chance, beim Basar der Kulturen in der Thüringenausstellung auf der Erfurter Messe mitzumachen. Der Clou: es wurde nicht nur Baklava gereicht, sondern gleich ein ganzes syrisches Wohnzimmer aufgebaut – vor allem für die Politiker*innen ein begehrtes Fotomotiv. Und da wird dann sehr viel versprochen: „Wir unterstützten euch, kommen vorbei, bestellen bei euch usw. Als kleines, naives Unternehmen macht man sich da viel Hoffnung. Aber da ist dann nicht ganz so viel passiert,“ konstatiert Nadine. Aber auf den Messen sind sie mit ihrem syrischen Wohnzimmer immer noch gern präsent. „Mal schauen, ob wir bei der nächsten Thüringenausstellung noch etwas an der Nachhaltigkeit feilen können“, gibt sich Nadine kämpferisch-optimistisch für die nächsten Politiker-Selfies.
Alltagsrassimuss beim Pakte ausliefern
Neben Mr. Baklava und der Ende 2021 eröffneten Bäckerei betreibt die Familie auch noch ein kleines Transport-Unternehmen. Fällt z. B. bei Amazon ein Fahrer aus, übernimmt Basel an oder sein Bruder Majd die Touren. Leider schlägt hier aber immer wieder voll der Alltagsrassismus durch, wenn sich auf den Dörfern Leute weigern, Pakete von ihnen anzunehmen. Aber damit kann Basel gut umgehen.
Ein Teller Baklava für den AfD-Rassisten
Auf der Thüringen-Messe giftete ihn ein AfDler an, er würde die Tage zählen, an denen Basel noch in Deutschland ist. Basels Reaktion: Er schenke ihm einen Teller Baklava. Der AfDler musste zähneknirschend annehmen, weil an dem Messestand alle Augen auf ihn gerichtet waren. Und immer wenn Basel ihn jetzt trifft, entgegnet er dem Rassisten mit seinem typisch herzhaften Lachen und sagt: „ Schau mal, ich bin immer noch da ...“
„Wir stehen für Multikulti und wollen auf uns aufmerksam machen“,
So belastend solche Vorfälle auch sind, keiner in der Familie lässt sich davon entmutigen. Im Gegenteil: „Wir stehen für Multikulti und wollen auf uns aufmerksam machen“, sagt Nadine. Aufgeben ist ein Wort, das weder sie noch Basel kennt. Da werden nächtelang deutsche Vorschriften und Gesetze gewälzt, sei es was das Unternehmen oder den Familiennachzug. Letzterer gestaltete sich zumindest insofern etwas einfacher, weil Basel und sein Bruder bei der Ausländerbehörde ihre Gehaltsnachweise vorzeigen konnten. So gab es ein Visum für die Familie und natürlich sind alle stolz, nicht „aufs Amt“ gehen zu müssen.
Alles, nur nicht blond färben
Aber trotzdem wiehert auch hier der Amtsschimmel. Basel soll nämlich von Amtswegen zum Deutschkurs. Dass er sich mit allen Sachbearbeiter*innen fließend deutsch unterhalten kann, interessiert auf der Behörde aber nicht. Aber irgendwie wird er auch dafür eine Lösung finden – nur die Haare blond und die Augen blau färben, geht ihm dann doch zu weit, scherzt Basel.
Mehr als nur Humus und "diese Bällchen"
Vor ein paar Jahren war Baklava in Thüringen ungefähr so bekannt wie ein Döner in der DDR. Jetzt kommen aber immer mehr Einheimische auf den Geschmack. „Viele kaufen erst Brot oder Brötchen und nehmen eine Kostprobe Baklava mit. Meistens kommen die dann schnell wieder, um mehr Baklava zu kaufen“, so Basels Beobachtung. Die syrische und arabische Küche ist aber viel mehr als nur Baklava, Humus und „diese Bällchen“, wie Kund*innen Falafel öfters bezeichnen. „Wir haben auch tolle Hähnchengerichte, auf traditionelle Weise zubereiteten Reis und alles duftet immer ganz wunderbar. So lassen sich Leute begeistern und gleichzeitig auch Interesse für die Kultur wecken. Immer mehr Leute sagen, sie wollen mehr davon in Erfurt“, fasst Basel zusammen. Ein syrisch-arabisches Bistro mit gehobener-traditioneller Küche hätten er und seine Familie am liebsten schon aufgemacht, aber die Behörden haben auch da noch ein Wörtchen mitzureden. Eine Lokalität im selben Haus, wo auch „Mein Bäcker“ und „Mr. Baklava“ zu finden sind, hat man sich aber schon gesichert. Angesichts des Erfurter Dönerallerleis und der Massen- abfertigungs-Italiener wird das mit Sicherheit eine echte kulinarische Bereicherung werden.
Es wird kein Essen weggeworfen!
Wer nicht so lange warten möchte, kann beim Bäcker schon mal ein syrisches Frühstück oder Brunch genießen. Basel ist auch da Perfektionist. „Wenn ich was mache, dann richtig oder ich lasse es bleiben“. Zu dieser Einstellung gehört auch, dass grundsätzlich kein Essen weggeworfen wird. Entweder wird es am nächsten Tag vergünstigt verkauft oder verschenkt. Geöffnet hat sowohl „Mein Bäcker“ als auch Mr. Baklava täglich von 8:00 bis 19:00 bzw. 22:00 Uhr. Bestellung für Firmen- oder Familienfeiern sind auch möglich.
UNZ empfiehlt schauen sie unbedingt mal vorbei, denn das Firmen- und Familienmotto „Integration die schmeckt“, ist wahrlich Programm.
Thomas Holzmann