Es verschmilzt immer mehr

In immer mehr Thüringer Städten wird der Christoper Street Day zelebriert. In Jena oder Erfurt ist daraus eine große Party mit Politik geworden. Sogar in Altenburg fand im Juli erstmals ein CSD statt. Der offenbarte aber auch wie gefährlich das für die Macher*innen sein kann. UNZ sprach mit einem der Organisatoren, Torge Dermitzel.

In Erfurt gibt es den CSD schon seit über 10 Jahren. Waren es v früher je nach Wetterlage zwischen 50 und 500 Leuten, hatte sich die Zahl der Teilnehmenden 2018 und 2019 auf mehrere tausend gesteigert. Mittlerweile wird der Tag auch in Jena, Gera und Weimar zelebriert. Und sogar im ostthüringischen Altenburg fand im Juli erstmals ein CSD statt. Maßgeblich organisiert hatte ihn Torge Dermitzel. Obwohl die „Skatstadt“ in Ostthüringen nicht gerade die Hochburg der progressiven Zivilgesellschaft ist, kamen 600 Menschen.

 

Leider blieben unschöne Begleiterscheinungen, mit denen die progressive Zivilgesellschaft im ländlichen Raum oft Probleme hat, auch hier nicht aus.  Als das Vorhaben öffentlich wurde, gab es zunächst nur vereinzelt unschöne Kommentare. Ab Januar kamen die Querdenker-Gruppen, die zur Intervention aufriefen. Im März folgte eine beispiellose Welle des Hasses. „Bei Facebook und Instagram hatte ich ca. 200 Nachrichten, durchzogen mit Mordphantasien, Volksverhetzung und den typischen Beleidigungen aus dieser Szene. Natürlich hatte ich da Schiss angegriffen zu werden. Zumal eine der Nachrichten lautete: 'Ich schlag dich so hart zusammen, dass du erst im Krankenhaus wieder aufwachst'. Da dreht man sich auf dem Heimweg schon mal um“, sagte Torge unverblümt. Zumal diese Drohungen auch noch von einem Demo-Aufruf der Nazipartei „III. Weg“ begleitet wurden. Die rückten dann aber doch nicht an, obwohl es im nahen Plauen und Zwickau eine große rechtsextreme Szene gibt. 

 

Von den 600 Teilnehmenden könnten sicher einige aus dem mit der S-Bahn gut zu erreichenden Leipzig dabei gewesen sein. Torge schätzt aber, dass mehr als die Hälfe aus Altenburg und Umgebung kam. „Ich sehe  jetzt auch in der Stadt oft Leute, die ich auf dem CSD getroffen habe. Viele, mit denen ich geredet habe, kamen sogar aus den umliegenden Dörfern“. 

 

Torge ist eigentlich Krankenpfleger, aber derzeit passenderweise beim Landtagsabgeordneten Ralf Plötner (DIE LINKE) beschäftigt. Der ist auch gelernter Pfleger. Torge kam erst letztes Jahr aus Norddeutschland nach Thüringen. 

In Kiel, Lübeck und Flensburg gibt es den CSD schon seit mehreren Jahren. Diese Städte haben aber alle über 100.000 Einwohner*innen, Altenburg nur knapp über 30.000. Entsprechend schwieriger fällt in der Provinz die Mobilisierung. Der Rechtsruck der letzten Zeit macht es auch nicht gerade leichter. „Das Thema hat schon einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft bekommen. Aber ich sehe auch eine immer stärkere Polarisierung – durch die AfD und die Radikalisierung der so genannten Mitte nimmt die Akzeptanz stellenweise sogar wieder ab“, schätzt Torge ein.

 

Außerdem existieren teils krasse Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Gleichgeschlechtlich Hand in Hand durch die Jenaer Innenstadt zu laufen ist heute ein weniger großes Problem, aber in einem Dorf im tiefsten Thüringer Wald, könnte das noch immer gefährlich werden. 

„Dazu kommen Gesetze, die strukturell benachteiligen: Das Blutspendeverbot für homosexuelle und transgender Menschen oder die Kornversionstherapien, so genannte Homoheilungen, die immer noch von der Krankenkasse bezahlt werden“, kritisiert Torge. 

 

Besonders schlimm findet er das uralte Transsexuellengesetz, dessen Reform im Bundestag erst kürzlich von Union und SPD verhindert wurde. „Fremde Personen bestimmen, ob du trans* bist oder nicht. Die Diagnose transsexuell wird dann bescheinigt, obwohl es keine Krankheit ist. Und jedes Gutachten muss nochmal extra vom Gericht bestätigt werden.“ Skurril sind nicht diese Menschen, sondern nur die Methode, wie mit ihnen umgegangen wird. Beispiel: „Die müssen ihren Pullover ausziehen und dabei Bälle auffangen, um die Motorik zu überprüfen. Oder es wird gefragt ob man als Frau Fußball spielt. Da wird fast nur von Klischees ausgegangen. Diese unsäglichen Gutachten kosten mehrere tausend Euro, alles nur damit die Leute endlich eine Hormontherapie anfangen können“, fasst Torge zusammen.  

Im Thüringer Landtag liegen dazu derzeit zwei Anträge vor: Von der FDP und von Rot-Rot-Grün. Torge hoffte, dass beide Anträge zusammengefügt werden und es so auch eine Mehrheit im Parlament gibt, Bundesratsinitiative inklusive.

 

Neben der Notwendigkeit von Gesetzesänderungen wird die Schlacht für Vielfalt aber vor allem auf der Straße gewonnen. Und das zeigt sich eben in Erfurt, Jena oder – wie geschildert sogar im provinziellen Altenburg – eine positive Entwicklung. „Die progressive Zivilgesellschaft wächst aktuell stark zusammen. „Da laufen queere Leute auch bei Fridays for Future mit so wie die Klimaaktivist*innen uns unterstützen. Viele Heterosexuelle, vor allem aus antifaschistischen Bewegungen, unterstützen uns und sagen: Wir wollen auch das Patriarchat zerstören. Es sind nicht mehr nur versprengte Gruppen, es verschmilzt immer mehr“, so Torges optimistischer Blick in die Zukunft. 

 

Thomas Holzmann