„Wir haben Lust drauf“
Mitten in der Pandemie gründen Wiebke Maria Lohmann und Fred Lohmann ein neues Restaurant in Erfurt. Dort gibt es nicht nur gutes und gesundes Essen, sondern auch politischen Anspruch und die Hoffnung, dass mehr junge Menschen sich bewusst entscheiden zu bleiben, statt nach Berlin oder Leipzig zu gehen.
Wer in der Landeshauptstadt in eines der großen italienischen Restaurants geht, könnte anschließend denken, dass Pasta das italienische Wort für Tapetenkleister sein muss. Tiefkühlkost aus der Mikrowelle ist leider keine Seltenheit. Aber natürlich gibt es in Erfurt auch richtige gute Lokale von thüringisch bis koreanisch.
Ein Laden hat sogar im Januar erst aufgemacht. Was hier kredenzt wird, ist so gut und modern, dass es gar nicht nach Erfurt zu passen scheint. „Hummus & Homies“ heißt der Laden unweit des Talknotens. Hummus ist eine orientalische Spezialität, die aus Kichererbsen, Sesammus, Olivenöl, Zitronensaft und Gewürzen zubereitet wird. Homies war früher Ghetto-Slang für Kumpel und wird von jungen Leuten wie so viele Anglizismen ganz selbstverständlich gebraucht. Passender könnte der Name dieses hippen Lokals kaum sein. Bestellt wird per Webseite, Instagram oder Whatsapp, bezahlt ausschließlich bargeldlos.
Die Auswahl scheint überschaubar. Nur Wraps (gerollte Teigtaschen) und Bowls (Schüsseln) sind im Angebot. Die können aber individuell zusammengestellt werden: Reis als Grundlage, vier Toppings, wie Kichererbsen, Granatapfel, Sesam und Rote Bete, dazu eine von vier Sorten Hummus und ein veganes „hühnerfreundliches Huhn“. Oben drauf eine der fantastischen Soßen wie „Goudas Glorie“. Kosten: sozialverträgliche 7,80 Euro. Die Kombination aus Aromen und Gewürzen ist derart genial, dass selbst Herbert Roth die Bratwurst beiseite legen würde. Geöffnet ist derzeit Freitag bis Sonntag von 17:00 Uhr bis 21:00 Uhr. Das Ganze kommt auch noch mit politischem Anspruch, daher und die Geschäftsführerin Wiebke Maria engagiert sich ehrenamtlich bei der Friedrich-Ebert-Stiftung für politische Bildung und gegen rechte Stammtischparolen. Grund genug für UNZ, mal in dem Lokal in der Geberstraße vorbeizuschauen.
Mitten in der Pandemie ein Restaurant aufzumachen, ist schon sehr optimistisch. Oder gab es die Pläne schon vor Corona?
Wiebke Maria Lohmann: Die Idee kam tatsächlich während Corona auf, aber auch aus dem Antrieb, dass die Pandemie irgendwann zu Ende sein wird. Wir dachten, dass wir eine willkommene Abwechslung im Corona-Alltag sein können. To-Go-Essen sollte von Beginn an unser Schwerpunkt sein. Es dürfen zwar weniger Leute in den Laden. Das ist schade für die Teamatmosphäre, und natürlich müssen wir hier und da Abstriche machen, aber das Kerngeschäft wird nicht durch Corona begrenzt. Deswegen haben wir uns getraut, es trotzdem durchzuziehen. Aber ehrlich gesagt haben wir schon gehofft, dass Corona Anfang des Jahres vorbei ist.
Gastronomie in Erfurt, das ist viel Massenabfertigung mit einer Hand voll Highlights. Hat das überschaubare Angebot moderner, frischer Küche ohne Mikrowelle und Kühltruhe zur Unter- nehmensgründung beigetragen?
Fred Lohmann: Wir sind viel unterwegs und haben gesehen, was es für tolle Angebote in einer Stadt geben kann. Zu Hause haben wir uns gefragt: Warum ist das hier nicht so? Wir waren uns aber nicht sicher, ob wir in Erfurt gründen oder unseren Lebensmittelpunkt an einen anderen Ort verlegen, wo schon mehr vorhanden und das Leben cooler ist. Am Ende haben wir uns für Erfurt entschieden, auch, weil wir etwas schaffen wollten, damit die Leute Bock haben, hier zu bleiben. Ja, es gibt einzelne tolle Sachen in Erfurt, aber wer an die Stadt denkt, sagt eher nicht: Oh, da ist ja richtig was los. Ich hoffe, wir sind da eine echte Bereicherung.
Wieviele Beschäftigte gibt es außerdem noch?
Wiebke: Pro Schicht brauchen wir vier bis fünf Menschen, um alles vereinen zu können. Alle arbeiten auf rein freiwilliger Basis. Wir schreiben niemandem die Arbeitsstunden vor. Damit trotzdem alles funktioniert, besteht das Team aus ingesamt 16 Leuten.
Kann man davon leben?
Wiebke: Noch lange nicht. Wir können die Einkäufe und die Miete zahlen. Aber bei den Löhnen müssen wir schon in die Kosten, die wir als Puffer geplant haben. Wir selbst verdienen keinen Cent. Aber so hatten wir kalkuliert, das entspricht genau unserem Businessplan. Im Sommer sollte es mehr werden, so dass es für einen kleinen Nebenverdienst reicht.
Manche hören es nicht gerne, aber Essen ist immer auch politisch: regional, wenn möglich bio, und immer vegan ...
Wiebke: Würden wir alle drei Punkte vereinen, wäre wir in einem Preissegment, bei dem wir die Studierenden nicht mehr sehen. Eigentlich sind genau das unsere Werte, aber als ich selber noch im Bachelor-Studium war, hätte mein Portemonnaie das auch nicht hergegeben. Wir wollen aber die Option für möglichst viele Leute schaffen, vegan zu essen. Wir haben da einen guten Mittelweg gefunden. Unser Fleischersatzanbieter kommt aus Leipzig. Das ist keine Großindustrie, die versuchen, alles nachhaltig und fair anzubieten. Manches Gemüse holen wir in der Metro, auch die kommen langsam auf den Trip, möglichst lokales Gemüse anzubieten.
Sehen sie sich als Vorbild für andere, in Thüringen zu bleiben und hier etwas aufzubauen?
Fred: Ich würde das nicht so krass formulieren. Nur allein durch uns wird nicht alles toll in Erfurt, aber gewisse Hoffnungen haben wir da schon.
Wiebke: Das ist auch noch nicht unsere letzte Idee, wir könnten uns noch weitere Dinge vorstellen, in Erfurt mitzugestalten. Wir haben Lust drauf, dass eine Community entsteht, die sich vegan ernährt, die feministisch ist und absolut nichts mit Rassismus zu tun hat. Dieses Wertekonstrukt spürt man in anderen Städten deutlicher und das hätten wir hier auch gern.
Der politische Anspruch gilt sicher auch für die Lieferung: sprich per Rad, statt per Auto?
Wiebke: Wir liefern hauptsächlich mit den Rädern. Das Auto mit dem kleinen Hybridmotor, versuchen wir nur für weite Strecken und Einkäufe zu nutzen.
Fred: Noch ist das Liefergebiet auf die Postleitzahlen 99084 bis 99086 beschränkt. Wir wollen organisch wachsen. Gerne hätten wir ein Elektro-Auto genommen, aber in der Nähe gibt es keine E-Tankstellen. Ohne Kompromisse geht es nicht. Das tollste Projekt nützt ja niemanden, wenn es pleite ist
So ging es auch dem Unverpackt-Laden „Luise genießt“. Zero Waste, das Null-Müll-Prinzip, bieten sie aber auch an.
Wiebke: Die Vytal-Bowls werden sogar besser angenommen als wir uns erträumt hätten. Kund*innen brauchen dazu nur eine App, um den QR-Code zu scannen. Die Schüssel kann dann innerhalb von 14 Tagen zurückgegeben werden. Die Kund*innen kostet das nichts und für uns ist es genauso teuer wie die Einwegverpackungen. Das ist für alle gut!
Thomas Holzmann