Wichtig ist die Graswurzelarbeit

Ina Leukefeld hat den Staffelstab an Philipp Weltzien weitergegeben. Der 32-jährige Informatiker gewann bei der Landtagswahl in Suhl für DIE LINKE ein Direktmandat. Er ist einer von 10 neuen Abgeordneten der Linksfraktion.

 

 

Du hast ein Direktmandat im ländlich geprägten Süden gewonnen und  Politik bis jetzt als Hobby betrieben. Bist du in der Fraktion ein Exot unter den Berufspolitikerinnen und   -politikern? 

 

Ich denke nicht, dass ich wirklich Exot bin. In der neuen Fraktion gibt es viele Seiteneinsteiger. Ja, ich komme aus dem Arbeitsleben, aus der Praxis und habe keine klassische Laufbahn hingelegt. Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit im Suhler Stadtrat unterscheide ich mich aber gar nicht so sehr von anderen Abgeordneten.

 

Suhl galt immer, zuletzt vor allem dank Ina Leukefeld, als LINKE Hochburg. Inwieweit setzt du diese Tradition fort?

 

Von einer LINKEN Hochburg kann man, glaube ich, gar nicht mehr sprechen. Bei der letzten Kommunalwahl in Suhl wurde deutlich, dass das Stammwähler-Potenzial in der Menge nicht mehr vorhanden ist. Ich gehe davon aus, dass wir viele neue Wähler bei der Landtagswahl gewonnen haben. Aber um LINKE Traditionen aufrecht zu erhalten, braucht es eine Menge Handarbeit. 

 

D. h. dass auch für den Gewinn deines Direktmandates der Ramelow-Effekt eine wichtige Rolle spielte?

 

Natürlich gibt es den Bodo-Effekt, genauso wie den Ina-Effekt. Mein Erfolg fußt auch auf ihrer langjährigen super aktiven Arbeit vor Ort. Sie hat nicht nur unsere Fahne hochgehalten, sondern auch eine Vertrauensbasis gehabt und das ist ein Riesenvorteil. Aber ein kleines bisschen ist es natürlich auch mein Werk. Ein reiner Selbstläufer war der Bodo-Effekt auch nicht. Das sieht man daran, dass wir insgesamt nur elf Direktmandate geholt haben. 

 

Suhl gilt nicht gerade als boomende Stadt in Thüringen, eher im Gegenteil. Was kann ein Landtagsabgeordneter konkret machen, damit die Leute nicht noch weiter abgehängt werden?

 

Schulterzuckend daneben zu stehen, kann ich mir auf jeden Fall nicht leisten. Schließlich sitze ich selbst im Stadtentwicklungsausschuss. Die Frage ist: Wie organisieren wir Zuzug, insbesondere von jungen Familien? Wir als LINKE wollen dazu das richtige Umfeld schaffen. Das fängt bei den Kindergärten an, geht weiter über die Schulen bis hin zu Berufsausbildung und der Arbeitsmarktpolitik – das Feld hat Ina landauf landab beackert. Diese Punkte können wir beeinflussen. Wichtig ist immer die Graswurzelarbeit vor Ort. Das Thema Oberzentrum Suhl steht bei vielen im Mittelpunkt.  Wenn aber kein Konzept dahinter ist, dann bleibt das eine leere Worthülle. Es geht nicht darum, nur den status quo zu behalten. Ich würde mir wünschen, dass Suhl ein Hochschulstandort wird. Studentisches Leben gehört hierher. Das muss man auch gar nicht in einer Konkurrenzsituation zu Ilmenau oder Schmalkalden machen, sondern mit Fachrichtungen, die es anderswo nicht gibt.

 

An der Stelle könnte man lange über das Thema Gebietsreform bzw. Fusion von Suhl und dem Kreis Schmalkalden-Meiningen reden ... 

 

Das würde wirklich zu weit führen. Aber natürlich könnte man mit einer besseren finanziellen Ausstattung die Stadt attraktiver machen. Ich bin aber der Auffassung, dass wir uns trotz leerer Kassen in Sachen Angebote für die Bürgerinnen und Bürger sowie für eine lebenswerte Stadt nicht verstecken müssen. Aber es gab sehr vieles an Image-Arbeit, die in die Hose gegangen ist. 

 

Dazu gehört zum Beispiel, wenn die Landrätin von Schmalkalden-Meiningen einfach mal so 40 Busverbindungen von Suhl nach Zella-Mehlis streicht ...

 

Das muss man ganzheitlich betrachten. Der Landkreis hat eine riesige Lücke im Haushalt. Deshalb streichen sie erstmal sämtliche Aufgaben, die sie nicht wahrnehmen müssen. Darunter fällt auch der Finanzierungsbeitrag für die Buslinie Suhl-Zella-Mehlis. Es gibt eine Doppelstruktur der städtischen Verkehrsbetriebe (SNG) und der Meininger Busbetriebs GmbH (MBB). Zurzeit laufen Gespräche, neue Strukturen für den ÖPNV festzulegen und beide Unternehmen zusammenzuführen. Suhl als Gesell- schafter der SNG hat sich klar bekannt, dass die Linie Suhl-Zella-Mehlis auf jeden Fall erhalten wird. Zur Not müssen wir das erstmal aus eigener Tasche bezahlen. So wie das in der öffentlichen Darstellung rüber kam, ist diese Sache auf jeden Fall ganz blöd gelaufen. 

 

Wie siehst du deine Rolle in der Landtagsfraktion: Erst mal brav sein oder doch eher rebellisch?

 

Ich bin der Neue und muss erst mal das Laufen lernen. Trotzdem komme ich nicht aus dem politischen Nirwana. Wenn es um Dinge geht, die meinen Wahlkreis tangieren, dann werde ich auch meinen Mund aufmachen. Wo ich inhaltlich einsortiert werde, ist eine ganz andere Frage. Als Informatiker stehe ich natürlich für Themen wie Netzpolitik und Digitalisierung. Ich wäre aber auch für andere Felder zu haben wie Stadtentwicklung oder Kommunales. Mit mehr als zehn Jahren Erfahrung im Stadtrat maße ich mir an, in diesen Fragen gewisse Kenntnisse zu haben. Mein Themenangebot ist breit gefächert. Trotzdem werde ich mich erstmal zurückhalten, aber in der Sache auch  kritisch sein.

 

Was denkst du, welche Regierung wird uns erwarten?

 

Mein Gedanke geht in Richtung Minderheitsregierung. Aufgrund der inhaltlichen Distanz sehe ich eine Koalition mit der CDU absolut nicht kommen. Das würde beiden am Ende schaden. 

 

Bei einer Minderheitsregierung kommt auf jeden einzelnen Abgeordneten sehr viel Arbeit zu, weil man ständig mit anderen Partnern reden muss, auch mit CDU und FDP. Oder ist eine Konstellation vorstellbar, in der die AfD Partner sein kann?

 

Der Moment, in dem die AfD im Landtag unser Steigbügelhalter wird, ist der, bei dem ich jeden Glauben an Politik verlieren würde. Ich kann nicht guten Gewissens auf die AfD als Mehrheitsbeschaffer zurückgreifen. In Suhl  hatten wir im Stadtrat auch nie feste Koalitionen. Wer eine Mehrheit haben wollte, musste immer mit unterschiedlichen Partnern reden. Darin bin ich bestens geübt.

 

th