Das Soziale im Mittelpunkt

Interview

Die Kommunal- und Europawahlen waren für DIE LINKE kein besonders guter Tag. Aber es gab auch Erfolge. So wurde in Artern Torsten Blümel zum neuen Bürgermeister gewählt. Er setzte sich mit 50,5 Prozent gegen Christine Zimmer (CDU) durch. Die Wahl war wegen einer Gebietsreform, die Neubildung der Stadt Artern aus 4 Ortschaften, nötig geworden. 

 

 

Wie erklären Sie sich diesen Erfolg, der dem generellen Trend in Thüringen deutlich widerspricht?

 

  

Ich denke, und das ist in der Kommunalpolitik oft so, dass es schon viel mit mir als Person und mit meiner langjährigen Arbeit im Stadtrat zu tun hat. Aber hauptsächlich ist es natürlich unsere gute Arbeit, die wir als LINKE gemeinsam im Stadtrat geleistet haben. So ein Wahlsieg beruht nicht allein in erster Linie auf acht Wochen Wahlkampf, sondern auf der harten Arbeit von vielen Jahren.  

 

Artern galt lange Zeit so ein bisschen als das Armenhaus Thüringens. Wie hat sich die Stadt weiter entwickelt?  

 

 

Als Armenhaus haben sich die Arterner nie gesehen. Man merkt aber schon, dass es bei vielen Menschen eine große Unzufriedenheit gibt. Es gibt Stillstand, es stehen viele Geschäfte leer. Das stört die Menschen. Deshalb ist es wichtig, dass gerade wir als LINKE uns einbringen und das Soziale in den Mittelpunkt stellen. Zum Beispiel kochen wir als Fraktion zweimal im Jahr in der Arterner Suppenküche oder organisieren das Osterfeuer. Das sind Aktionen, die kommen bei den Leuten gut an. Der Stadtrat versucht, trotz aller politischen Differenzen,  mit dem wenigen, was vorhanden ist, etwas zu erreichen. Unser größtes Problem ist, dass wir seit über 20 Jahren einen so hohen Schuldenstand haben, dass wir keine neuen Kredite aufnehmen können. Deshalb sind wir praktisch bei allen Projekten auf Fördermittel angewiesen, damit wir überhaupt noch handlungsfähig sind. Wir wollten zum Beispiel gerne einen neuen Radweg nach Voigtstedt, einen der neuen Ortsteile, bauen. Das scheiterte aber daran, dass der Eigenanteil der Stadt zu hoch war und wir uns das deshalb noch nicht leisten konnten. Da will ich auf jeden Fall schauen, wie wir das gemeinsam mit dem Stadtrat schnellstmöglich umsetzen können.

 

 

Wie funktioniert linke Politik überhaupt in einer Stadt wie Artern?

 

 

 Mit bisher sieben Stadträten haben wir als LINKE nur ein Drittel der Stimmen im Stadtrat gehabt, konnten aber deutlich Themen dominieren. Es geht also immer nur gemeinsam im Konsens, mit Kompromissen und vor allem mit Fachwissen. Dazu sind wir immer bereit und in der Lage und dass hat sicherlich mit zu unserem Wahlerfolg geführt. Schließlich haben wir auch bei der Stadtratswahl in Artern 31 Prozent der Stimmen bekommen und sind damit stärkste Fraktion. 

 

 

Werden Sie als Bürgermeister auf Koalitionen oder Kooperationen setzen oder je nach Sachfrage nach neuen Mehrheiten suchen?

 

 

Das wird auf jeden Fall nicht so einfach werden. Bisher gab es im Stadtrat nur drei Fraktionen: LINKE, SPD und CDU. Jetzt sind noch weitere Wählergruppen dazu gekommen, so dass sich eine komplett neue Konstellation ergibt. Wir haben nur einen Sitz abgeben müssen, CDU und SPD die Hälfte ihrer bisherigen Sitze. Da hoffe ich, dass CDU und SPD jetzt in keine Blockadehaltung verfallen. Ich will mit allen Fraktionen zusammenarbeiten, gehe aber davon aus, dass ich Mehrheiten eher bei den anderen Fraktionen finden werde. 

 

 

 Gibt es eine Erklärung, warum die AfD  in der Arterner Kommunalpolitik überhaupt keine Rolle spielt? 

 

 

Auch bei der Europawahl, bei der man sie natürlich in Artern wählen konnte, sind wir, wenn auch knapp, vor der AfD geblieben. Als ich die Thüringenkarte zur Europawahl gesehen habe, die überall nur schwarz und blau war, habe ich mich natürlich sehr über den kleinen roten Fleck am Rande gefreut. Wir sind sozusagen, in Anspielung auf einen bekannten Trickfilm, das „kleine, rebellische Dorf an der Grenze“ (lacht). Ich vermute, dass das schon mit der Stadtrats- und Bürgermeisterwahl zu tun hatte und die Leute gesagt haben, ich wähle sie hier, also gebe ich ihnen auch die Stimme für Europa. Anders kann ich mir das jedenfalls nicht erklären. Obwohl der Kreisvorsitzende der AfD selbst aus Arten kommt, sind sie für die Stadtratswahl gar nicht angetreten. 

 

 

 Können Sie als erfolgreicher Wahlkämpfer Erkenntnisse auf den anstehenden Landtagswahlkampf über- tragen?

 

 

 Das ist eine sehr schwere Frage. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, wenn auf Personen gesetzt wird, die vor Ort eine möglichst hohe Bekanntheit haben. Es wird ja oft pauschal über die Parteien geschimpft, berechtigt oder auch nicht. Aber Parteien bestehen aus Menschen und das muss man sichtbar machen. Das führt immer dazu, dass die Menschen die Politik konkret sehen. 

 

 

Also kommt es gar nicht so sehr auf Programme und Parteien, sondern in erster Linie auf die Personen an? 

 

 

Es wäre komfortabel, wenn dem so wäre. Bei Kommunalwahlen ist dem so, da kann ich ja direkt Personen ankreuzen. Und da gibt es die kuriosesten Gründe für eine Wahlentscheidung. Eine Frau hat mir gestanden, sie hätte mich beim letzten Mal nicht gewählt, weil ich nicht verheiratet bin. Allerdings hätte sie dieses Mal mein Einsatz für Artern so überzeugt, dass sie mich trotzdem gewählt habe. Für andere bin ich als Linker im wahrsten Sinne des Wortes ein rotes Tuch, da haben sie lieber den Wahlschein ungültig gemacht. Zur Europawahl gab es 50 ungültige Stimmen, zur Bürgermeisterwahl 155. Das ist sehr auffällig.  Dass wir in Artern bei der Europawahl immer ein paar Prozentpunkte schwächer als bei Kommunalwahlen sind, hängt aber sicher auch damit zusammen, dass bei der Europawahl eine Menge mehr Parteien wählbar sind. Beispielsweise „Die Partei“ dürfte auch bei uns aus dem linken Spektrum bei der Europawahl einige Stimmen bekommen haben. Bei der Stadtratswahl haben diese Leute kaum eine andere Option, außer DIE LINKE zu wählen.

 

 

Welches Projekt wollen Sie als Bürgermeister zuerst angehen?  

 

 

Das Wichtigste ist für mich zunächst, dass die vier Ortschaften wirklich zur neuen Stadt Artern zusammenwachsen. Das ist natürlich etwas, das nicht mit Zahlen so einfach messbar sein wird. Soweit ich das bis jetzt überblicken kann, muss auch die Verwaltung neu strukturiert, effizienter werden. Ein größeres Projekt, dass ich auf jeden Fall fortsetzen möchte, ist der Bau des geplanten Bürgerhauses. Auch der Bau einer neuen Turn- und Mehrzweckhalle durch den Landkreis steht ganz oben auf der Agenda. Ich werde sicherlich nicht alles radikal verändern, aber ich werde andere Schwerpunkte als meine Vorgängerin setzen.                            

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