Vom Frieden reden

Während alle nur über noch mehr Waffen reden wird jeder als Putinversteher gebrandmarkt wird, der auch nur über Diplomatie nachdenkt. Dabei treiben die Menschen viele wichtige Fragen um, über die wir dringend reden müssen. So wie der Friedensforscher Jan van Aken in Thüringen.

Viele Sorgen treiben die Menschen in Thüringen um. Die größte Angst haben die meisten vor einem Krieg zwischen dem Westen und Russland oder sogar China. Da wundert es nicht, dass das Erfurter Haus Dacheröden aus allen Nähten platz, wenn der Friedensforscher Jan van Aken zu Gast ist. Der frühere Linke Bundestagsabgeordnete, UN-Biowaffen Inspekteur und Friedensforscher wurde mit Fragen geradezu bombardiert. Beim Thema Krieg und Frieden kochen die Emotion natürlich auch mal hoch. Aber van Aken arbeitete jede noch so kritische Frage ruhig und sachlich im Stile eines Erklärbärs ab. UNZ zeigt hier einen Auszug der wichtigsten Aspekte.

Was würde die Wiederwahl von Donald Trump für den Ukraine-Krieg bedeuten?

Vermutlich ein schnelles Ende. Aber es wäre ein Diktatfrieden auf Kosten der Ukraine. Und: Trump ist Nationalist wie Putin. Sobald sich deren Interessen überschneiden, kann das schnell Krieg bedeuten. Nationalisten machen Krieg, das ist immer so, der 1. Weltkrieg ist nur eines von vielen Beispielen.

Will die deutsche Wirtschaft mehr Krieg?

Klares Nein. Natürlich verdienen Rüstungskonzerne wie Rheinmetall immer mit. Sogar ein Jan van Aken, er hatten nämlich zwei Aktien, weil er damit auf deren Aktionsversammlung sprechen darf. Aber verglichenen mit Konzernen wie Siemens oder Volkswagen sind das die Rüstungsfirmen eher kleine Fische und ihr Einfluss auf die Bundesregierung gering. Rheinmetall und andere Rüstungskonzerne sind nicht mehr mit Thyssen und Krupp vor 100 Jahren zu vergleichen.

Welches Kriegsziel hat Russland eigentlich?

Das weiß wohl nur Putin selber. Für van Aken sind das aber gute Nachrichten. Theoretisch wäre es so möglich für Russland, den Krieg zu stoppen und propagandistisch zu sagen: „Die Nazis sind weg, die Brigade Asow besiegt usw., wir haben gewonnen“. Das macht eine Lösung einfacher, denn Friedensverhandlungen kann es nur geben, wenn am Ende alle als (vermeintliche) Sieger vom Platz gehen.

Nützt China der Ukraine-Krieg?

Auch hier klares nein. China hat hier gar nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Genau wie Deutschland kann China mit friedlichem Handel viel mehr verdienen. Und Chinas KP braucht einen stetig wachsenden Wohlstand auch als politischen Stabilitätsanker. China unterstützt Russland nicht militärisch. Das heiß aber nicht, dass es Russland demnächst in den Rücken fällt, wie sich das der Westen wünscht – das sind und bleiben stabile Partner.

 

Will die USA, dass der Ukraine-Krieg noch lange weiter geht?

Die USA haben diesen Krieg nicht losgetreten, aber es gibt sicherlich Akteure in den USA, die finden ihn nicht so schlecht. Was könnten Kanzler Scholz oder Außenministerin Baerbock für den Frieden tun? Öffentlich endlich auch über Diplomatie reden und mehrere Schritte auf China zugehen, um sie für eine Lösung zu gewinnen! Van Aken vermutet, dass Scholz oder Baerbock in Peking durchaus über Diplomatie reden, aber leider nur hinter verschlossenen Türen. Auch in den diversen TV-Talkshows wird immer nur über Waffen gesprochen. Wer von Diplomatie redet, wird als Putinfreund abgekanzelt. So lange das so bleibt, alte Feindbilder geschürt werden, kann sich aber niemand eine Lösung überhaupt vorstellen.

Warum hat der Westen Deutschlands so wenig Gespür für alles Russische?

Die Leistungen der Roten Armee und die 27 Millionen sowjetische Opfer im 2. Weltkrieg sind im Westen nicht präsent. Auch das alte Feindbild aus dem Kalten Krieg wurde nie ganz überwunden. Welche Rolle spielen moderne Waffen wie Drohnen und KI und autonome Systeme? Vollautonome Waffen, die komplett ohne menschliches Zutun selbständig über Leben und Tod entscheiden, sind bereits entwickelt, aber noch nicht im Einsatz. Auf ein Verbot konnten sich die Staaten noch nicht einigen. Die Drohnen – bei denen am Ende immer noch ein Mensch auf den Knopf drücken muss – verändern aber gerade die Art der Kriegsführung. Das sehen wir in der Ukraine gerade in Echtzeit. Mit billigen Drohnen für ein paar Hundert Euro können millionenteure Panzer besiegt werden. Was das für die Kriege der Zukunft bedeutet lässt sich heute noch gar nicht abschätzen.

Was bedeutet die Stationierung von Tomahwak Marschflugkörpern mit 2.500 Kilometern Reichweite in Deutschland?

Wenn wir in 50 Jahren in Frieden leben wollen, ist diese Stationierung ein großer Fehler. Denn sie wird die weltweite Aufrüstungsspirale nur noch weiter verstärken. Aber Russland wird dann immer noch unser Nachbar sein und nicht nur sie haben auch Atomwaffen.

Wie könnte ein Weg zum Frieden in der Ukraine aussehen?

Das Hauptproblem ist, dass es derzeit keine Vorstellung einer Friedenslösung gibt, weil alle nur über Waffen reden. Van Aken sieht die beste Option für Verhandlungen in der Achse Brasilien-Südafrika-China. Wie auch Bodo Ramelow begrüßt van Aken jede diplomatische Initiative, selbst von Autokraten wie Erdogan oder Orban, denn so wird wenigstens die Idee einer Lösung im öffentlichen Diskurs präsent.

Lohnt es sich noch, für Frieden auf die Straße zu gehen?

Auf jeden Fall! Van Aken erinnert an die Zeit der großen Friedensbewegung der 80er Jahren gegen den NATO-Doppelbeschluss. Die hatte die ganze Breite der Bevölkerung erfasst. Sogar ein CDU-Parteitag hatte plötzlich das Motto: „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“. Zwar wurde der NATO-Doppelbeschluss nicht verhindert, die gesellschaftliche Kraft dieser Friedensbewegung hat spätere Abrüstungsvereinbarungen aber überhaupt erst möglich gemacht. Leider gibt es derzeit (auch in Thüringen) nur kleine Gruppen, die für Frieden auf die Straße gehen. Aber irgendwer muss den Anfang machen, um die Militarisierung der Gesellschaft bis zur Kriegsfähigkeit zu stoppen. Die LINKE geht da voran.