Für eine Handvoll Euro

Zur Sache

Nach drei Monaten ist die Bilanz des 9-Euro-Tickets in Thüringen eindeutig positiv. Ein echter Nachfolger ist aber noch nicht in Sicht. Stattdessen wird Bahnfahren in Thüringen teurer, vor allem ab 50 Kilometern, wenn das Hopper-Ticket nicht mehr gilt. Und die Initiative 9-Eurofonds klingt zwar spektakulär gut, birgt aber ein sehr hohes Restrisiko.

Nachfrage bei Bus und Bahn mehr als verdoppelt 

 

Das 9-Euro-Ticket war ein voller Erfolg. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Berufsverkehr Züge teils derart überfüllt waren, dass Personen auf dem Bahnsteig zurückblieben. Nach Einschätzung des Landesamtes für Bau und Verkehr hat sich die Nachfrage im Thüringer Schienenverkehr nahezu verdoppelt. Bei Bussen und Straßen- bahnen sei das Interesse der Fahrgäste sogar noch deutlich höher gewesen. 

 

VMT: Schon im Juni fast 150.000 9-Euro-Tickets verkauft

 

Die im Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) zusammengeschlossenen Verkehrsbetriebe und Busunternehmen haben allein im Juni fast 150.000 9-Euro-Tickets verkauft. Bei dieser Zahl sind die regulären Abos, die auf 9-Euro-Ticket umgestellt wurden, noch nicht mal mitgerechnet. Im Vergleich dazu wurden im Mai 2022 nur 40.000 reguläre Abos geordert. 

 

Run vor allem auf länderübergreifende Verbindungen

 

Laut Thüringer Verkehrsministerium war der Run vor allem auf länderübergreifende Verbindungen wie Nürnberg-Jena-Leipzig, Erfurt-Würzburg, Erfurt-Göttingen, Leipzig-Gera-Hof, Nordhausen-Halle oder Erfurt-Kassel groß. Mit Geld aus der Landeskasse sei versucht worden, auf einzelnen, besonders belasteten Strecken wie Leipzig-Jena-Nürnberg Entlastungszüge einzusetzen oder Züge mit zusätzlichen Wagen zu versehen. Hier zeigen sich die Konsequenzen des jahrelangen Kaputtsparens der Bahn überdeutlich: Marode Schienen, Personalmangel, zu wenige Züge und a flächendeckendes WLAN im Regionalzug brauchen wir gar nicht zu reden. 

 

Auf den Schneekopf wandern, um günstiger von Erfurt nach Suhl zu fahren? 

 

Jetzt ist das 9-Euro-Ticket Geschichte. Einfach mal kurz von Erfurt nach Weimar fahren und am selben Tag wieder zurück: Das kostet 12,80 Euro für gerade zwei Mal 30 Kilometer. Wer Bahn fährt, weiß natürlich, dass es in Thüringen ein Hopper-Ticket gibt. Damit kostet die Hin-und Rückfahrt immerhin „nur“ 9,90 Euro. Allerdings gilt es maximal 50 Kilometer. Das reicht z.B. von Erfurt nach Jena-West, aber nicht von Erfurt bis Suhl oder Ilmenau. Denn das sind ein paar Kilometer mehr. 15,90 für eine Zugfahrt von Erfurt nach Suhl war auch schon vor der Einführung des 9-Euro-Tickets ein absurder Preis. Theoretisch könnte man 50 Kilometer bis Gehlberg mit dem Hopper-Ticket fahren (Einfache Fahrt: 6,10 Euro) und dort ein normales Ticket für 5 Euro kaufen. Das spart 4,80 Euro.  Das ginge aber nur bei Erfurter Bahn, Südthüringen Bahn und Abellio, denn bei der DB Regio ist kein Automat im Regionalexpress an Board. Problem: Die Verkehrsverbünde sagen: Das ist nicht erlaubt! Sie müssen quasi erst auf den Schneekopf wandern, um die „Reisekette“ zu unterbrechen, dann könnten sie für 4,80 Euro günstiger nach Suhl weiter fahren. Kurzum: Das 9-Euro-Ticket hat viele nicht nur finanziell entlastet, es hat auch den ganzen Tarifdschungel gelichtet. Das macht Bahn fahren attraktiv.  

Und jetzt? Zurück zum Status quo im Autoland? Es gibt zwar viele Versprechen und die FPD entblödet sich sogar ihren Verkehrsminister Volker Wissing als Erfinder des 9-Euro-Tickets zu feiern, aber sonst tut sich wenig.

 

Kommt das Klimaticket? 

 

 

Thüringens Verkehrsministerin Susanna Karawanskij (LINKE) hatte sich in den vergangenen Wochen mehrfach dafür ausgesprochen, das 9-Euro-Ticket Ende August nicht wie geplant abzuschaffen. Sie plädierte für ein Nachfolgeangebot und schlug ein Klimaticket vor – beispielsweise als ganzjähriges 365-Euro-Ticket. Realität ist in Thüringen aber, dass der größte Verkehrsverbund VMT schon zum 1. August die Preise erhöht hat. Angesichts galoppierender Energiepreise dürfte das nicht die letzte Erhöhung sein.  Im Gespräch ist noch ein 49-Euro-Ticket, mit stark begrenzter Reichweite – besser als gar nichts, aber gewiss kein großer Wurf. 

 

Initiative 9-Euro-Fonds mit Restrisiko

 

Ein kleiner Lichtblick ist da die Initiative 9-Euro-Fonds. Seit 1. September kann jede und jeder für 9 Euro pro Monat Mitglied werden. Wird ein Mitglied bei einer Kontrolle ohne gültigen Fahrschein erwischt, zahlt  der Fonds das erhöhte Beförderungsentgelt von in der Regel 40 Euro.  Es muss nur die Zahlungsaufforderung des jeweiligen Verkehrsunternehmens zugesendet werden. Klingt nach einer Superidee. Es gibt aber ein Restrisiko: Das Fahren ohne gültiges Ticket ist eine Straftat – auch, wenn das erhöhte Beförderungsentgelt bezahlt wird.

 

Übergewinnsteuer könnte 9-Euro-Ticket finanzieren

 

Die Verkehrsbetriebe bringen die Straftat nach Zahlung bislang aber meistens nicht zur Anzeige. Darauf verlassen kann man sich aber nicht. Dazu kommt die Gefahr, dass Betroffene am Ende mit einem negativen Schufa-Eintrag dastehen. Und das ist richtig übel. Ziel der Initiative ist auch, dass in den nächsten Wochen tausende Menschen öffentlich das 9-Euro-Ticket „selbst machen“,  und so der Druck auf die Ampel massiv erhöht wird. Wenn im „Heißen Herbst“ noch Druck für Übergewinnsteuer gemacht, wäre auch die Finanzierung gesichert. 

 

Thomas Holzmann