Davonrennen? Auf gar keinen Fall!

Der Osten ist verloren, glauben immer mehr Menschen, vor allem im Westen. Dabei gibt es viele junge Menschen, die nicht aufgeben werden und weiter gegen den Rechtsruck kämpfen. Das dafür nötige Selbstbewusst hat Felizila Möhle und sieht geht ihren Weg,ob auf der Straße in Thüringen oder als ZDF-Fernsehrätin.

Du hast wie viele andere wochenlang gegen das Erstarken der AfD gekämpft. Wie fühlst du dich nach der Landtagswahl? Jetzt erst recht oder möchte man lieber davonrennen?

 

Davonrennen auf gar keinen Fall! Für mich ist das eher ein Zeichen gerade jetzt, hier in Thüringen aktiv zu sein und aktiv zu bleiben. Wir dürfen uns nicht verdrängen lassen und den Rechten das Feld überlassen. Für mich war vorher klar, dass die Ergebnisse so aussehen würden. Für viele mag das ein Realitätsschock gewesen sein. Für mich war es leider nur eine Bestätigung von dem, was ich ohnehin wahrgenommen habe.

 

Auch andere Engagierte haben das Desaster kommen sehen, waren sich aber sicher, dass gerade dann die Zivilgesellschaft stärker werden könnte. Müsst ihr jetzt die parlamentarische Demokratie retten?

 

Das ist vielleicht etwas zu optimistisch gedacht. Sicher haben jetzt gerade sehr viele Menschen einen starken Impuls, dringend etwas verändern zu wollen. Aber ich befürchte, dass wird schnell wieder Abflachen. Beim CSD in Erfurt waren wir ca. 1.000 Leute weniger als im letzten Jahr. Und das, obwohl es jede Menge Aufrufe gab, auch in die westdeutschen Bundesländer: Kommt, gerade jetzt nach den Wahlen! Ich persönlich kann gut nachvollziehen, dass ein Fünftel der Menschen in Thüringen sagt: Wir müssen gehen, wenn die AfD hier an die Macht kommt: Für die Zivilgesellschaft wäre es aber furchtbar, wenn wir so viele Menschen verlieren, auch wenn die Gründe dafür noch so nachvollziehbar sind.

 

In der rechtsextremen Szene kursieren ja schon länger irgendwelche Todeslisten: Steht zu befürchten, dass dein Name drauf steht, gerade, weil du ja in allen möglichen Bereichen engagiert bist?

Ich sehe es persönlich fast schon als ein positives Zeichen, wenn ich auf so einer Liste stehe. Dann weiß ich, dass ich etwas Wichtiges tue, dass ich genau den rechten Nerv treffe. Als ich beim ZDF Fernsehrat angefangen habe, hat mich gleich eine rechte Plattform bei X (früher Twitter) mit einer übelsten Hetzkampagne überzogen. Mich hat das nicht abgeschreckt. Für mich war das genau die Bestätigung, dass ich richtig handle. Diese Leute, die gegen mich hetzen, haben nicht die Stärke, sich mit ihrem eigenen Leben auseinanderzusetzen, zu versuchen es glücklich zu gestalten. Sie müssen ihren Hass auf andere projizieren. Dieser Hass hat aber nichts mit mir selbst zu tun, sondern mit der Unzufriedenheit dieser Menschen.

 

Diese Kraft haben aber nicht alle. In Sonneberg, wo ein AfD-Landrat regiert, musste kürzlich ein Bündnis gegen Rechtsextremismus aufgeben, weil sie die Drohungen nicht mehr ausgehalten haben. Kannst du anderen Tipps geben wie man damit klarkommen kann? Oder ist in Erfurt einfach alles viel leichter als in der Provinz?

 

Erfurt, Jena oder Weimar sind Studierenden-Städte, wo die Rechten nicht so stark sind. Hier kann ich mich in Umfeldern bewegen, in den Queerfeindlichkeit praktisch keine Rolle spielt. Ich weiß nicht, ob ich wirklich Tipps für den ländlichen Raum geben kann. Ich kann nur sagen: Ich bin eine selbstbewusste Person und strahle Selbstbewusstsein aus. Das schreckt manche Menschen definitiv ab. Ich bin in den letzten zwei Jahren auf der Straße nicht beleidigt oder schräg angeschaut worden. Ich denke, dass ich mich durch mein Auftreten einfach unangreifbar mache. Ja, nicht alle haben diese Kraft oder das Selbstbewusstsein, das umzusetzen. Was wir als Zivilgesellschaft machen können, ist z.B. in Workshops genau dieses Selbstbewusstsein anderen zu lehren und ihnen zu erklären, wie sie sich auf der Straße bewegen können, um eben nicht angefeindet zu werden. Aber es ist und bleibt natürlich schwierig.

 

Obwohl es in letzter Zeit ständig große Demos gegen Rechtsextremismus gab, scheinen diese nicht so richtig was bewirkt zu haben. Muss die Taktik überdacht werden?

Die gesamte Zivilgesellschaft war auf der Straße, damit der Rechtsextremismus nicht noch größer wird. Aber es hat nichts genützt. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass wir uns in zwei unterschiedlichen Blasen bewegen. Wenn ich auf einer Demo rede, dann rede ich zu Menschen, die sowieso schon überzeugt sind. Menschen außerhalb dieser Bubble, die dann vielleicht zu Höckes Sommerfest gehen, erreiche ich nie. Es bringt nichts, wenn wir uns nur auf den linken Teil der Gesellschaft konzentrieren. Wir müssen versuchen, Leute in der Mitte, außerhalb unserer Blase zu erreichen.

 

Das bedeutet aber auch, dass man mit Leuten, die kein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben, aber rechtsextreme Position Teilen, irgendwie versuchen muss in den Dialog zu kommen?

Es gibt sehr viele Nazis in den Reihen der AfD, aber nicht alle, die sie wählen sind Nazis. Die frustrierten Menschen, die auch gegen mich gehetzt haben, sehen in der AfD in erster Linie eine Protestpartei. Ich will aber auch klar sagen, dass es sehr viele gibt, die so stark überzeugt sind, die kann man nicht mehr zurückgewinnen. Aber in Thüringen haben 38 Prozent der Erstwähler*innen die AfD gewählt. Alles Menschen, die noch am Anfang ihrer politischen Meinungsbildung stehen. Das kann sich auch schnell wieder ändern. Vor ein paar Jahren haben noch die meisten jungen Menschen die Grünen gewählt.

 

Manche hoffen auch, dass – im Unterschied zu 1933 – die Wirtschaft nicht in Scharen Nazis unterstützt, sondern im Gegenteil, wie gerade beim CSD die Post/DHL sogar einen eigenen Truck beisteuert. Für manche ist das „Pinkwashing“, aber man kann das auch durchaus positiv sehen ...

In der CSD-Orga wurde ziemlich viel diskutiert, ob wir DHL zulassen. Die Frage stellt sich ja auch immer bei den politischen Parteien. Ich kann beide Seiten sehr gut nachvollziehen. DHL, hier in Thüringen, konnte uns glaubhaft versichern, dass sie sich tatsächlich in ihrer Unternehmensstruktur aktiv für queere Menschen einsetzen. In dem Kontext fällt mir auch noch ein anderes schönes Beispiel ein. Edeka hatte vor kurzem den Aufruf gestartet, nicht die AfD zu wählen. Sie haben erklärt, warum sie kein blau in ihrer Gemüseabteilung haben und warum man die AfD nicht wählen sollte. Auf diese Weise können sich Unternehmen positionieren. Man verzichtet vielleicht auf 20 Prozent AfD-Kundschaft. Aber die Zahl demokratischer Kräfte, die sich umso mehr angesprochen fühlt, dürfte deutlich größer sein. Mal angenommen, die Telekom würde das Queere Zentrum in Erfurt mit 100.000 Euro im Jahr fördern und dafür den Verlust von rechten Kunden in Kauf nehmen, dann würde ich sehr gerne dieses Geld annehmen. Und ich hätte überhaupt kein Problem damit, die Telekom in irgendeinem Flyer als Unterstützer aufzuführen. Die Wirtschaft braucht Stabilität und Fachkräfte. Ich habe den Eindruck, die meisten Konzerne wissen ganz genau, dass sie beides mit einer AfD-Regierung garantiert nicht haben werden.

 

Thomas Holzmann