Allein die Vorstellung erzeugt Gänsehaut

Land & Leute

Endlich soll auch Thüringen einen Gedenkort für die Opfer des NSU-Terrors bekommen. Bei der Auswahl wurden erstmals von Beginn an die Hinterbliebenen mit einbezogen. Der Gedenkort wurde von Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper entworfen und soll ab 2024 im Beethovenpark in der Nähe des Thüringer Landtages stehen.

Endlich soll auch Thüringen einen Gedenkort für die Opfer des NSU-Terrors bekommen.

Im Erinnerungsort Topf & Söhne wurde am  1. Dezember der Siegerentwurf von Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper der Öffentlichkeit vorgestellt. Obwohl es insgesamt 15 Bewerbungen gab, fiel die Entscheidung der Jury einstimmig aus. Erstmals von Beginn an mit eingebunden waren dabei die Hinterbliebenen der Opfer der aus Jena stammenden Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Sie stimmten ebenfalls einstimmig für den Siegerentwurf. Ihnen waren allerdings weniger die künstlerischen Aspekte wichtig. Vielmehr geht es um das Problem Vandalismus. So wurde in Zwickau bereits ein Gedenkbaum zerstört. Ähnliches passierte auch bei Gedenkbäumen in der Gedenkstätte des früheren Konzentrationslagers Buchenwald. Für die Hinterbliebenen ist das kaum auszuhalten und fühlt sich so an, als würden ihre Angehörigen ein zweites Mal ermordet.

 

 

Durch die massive Konstruktion aus Eisen und Stahl wird Sachbeschädigung in Erfurt nur noch sehr schwer möglich sein. Als Standort ist der Beethovenpark vorgesehen, wo die nahegelegene Wache am Landtag auch nachts ein Auge auf den Erinnerungsort haben wird, versprach die Thüringer Staatssekretärin für Kultur, Tina Beer (LINKE).  Vor diesem Hintergrund relativiert sich auch vereinzelte Kritik von Leuten, die sich einen noch zentraleren Standort auf dem Domplatz oder Anger gewünscht hätten.

Warum es allerdings vom Landtagsbeschluss 2017 bis zur Fertigstellung Planung fünf Jahre dauert, ist da schon weniger nachvollziehbar. Zumal die Fertigstellung erst für das Frühjahr 2024 geplant ist. Nürnberg zum Beisel hat bereits seit 2013 (!) einen solchen Gedenk-ort. Ähnliche Mahnmale gibt es auch längst in Kassel, München, Rostock, Dortmund, Heilbronn und Hamburg.  

 

In Jena wurde immerhin ein Platz in Winzerla nach Enver Şimşek bekannt, dem ersten NSU-Opfer. Dass Erfurt, wo der auf dem rechten Auge blinde Landesverfassungsschutz sitzt, noch keines hat, ist beschämend. Zumal die Behörden unter dem früheren  Präsidenten Hartmut Röwer mehr mit als gegen die Neonazis arbeiteten und hinterher die Beweise schredderten.

 

In das Denkmal selber sind die Namen der 10 Opfer auf 10 Stahlträger „eingebrannt“.  Die Namen werden im Sonnenlicht auch als Schatten auf den Boden geworfen: Ein Symbol für die Schatten, welche die Mordserie bis heute auf die Opferfamilien wirft – und damit auf die gesamte Gesellschaft.

 

Zudem sollen auf den Säulen Informationstexte stehen. Per QR-Codes können außerdem zusätzliche Infos auf das Smartphone geladen werden. So soll laut Beer sowohl die Erinnerung an die Opfer wachgehalten als auch  ein Ort, zum Nachdenken über Rechtsextremismus und rassistische Strukturen, geschaffen werden.

Barbara John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opferfamilien betonte, dass dieser lebendige Ausdruck von Licht und Schatten bei den Hinterbliebenen  sofort auf große Zustimmung gestoßen sei. Wie das Preisgericht hätten auch sie diesen Entwurf als den besten unter den eingereichten Arbeiten eingeschätzt. Großen Zuspruch erhält zudem die Idee der Künstler, den Besuchern des Erinnerungsortes nicht nur mit Hilfe von Informationstafeln von den NSU-Opfern zu erzählen. Lob kommt auch aus der Thüringer Landespolitik.

 

Die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling lobt den Entwurf  als „wirklich beeindruckend“. Auch Thüringens Antifa-Vorkämpferin, die LINKE Abgeordnete Katharina König-Preuss, ist bewegt: „Allein die Vorstellung, unter den Stahlträgern hindurchzugehen, durch und mit den Namen der Ermordeten, erzeugte bei mir Gänsehaut.“

 

 

Thomas Holzmann